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Abgesehen von den beiden Germanusstempeln auf
Drag. 29 und Drag. 18 fehlen hier sämtliche Töpfer
des Depots von Burghöfe. Diesen Befund könnte
man nun so auslegen, daß die Töpfer, die nach Bre-
genz Ware geliefert haben, nur zufällig in Burghöfe
fehlen, was jedoch insofern unwahrscheinlich ist, als
aus dem Kastellbereich von Burghöfe Stempel von
entsprechenden Bregenzer Töpfern bekannt sind.
Wir glauben vielmehr, den Befund chronologisch aus-
deuten zu müssen in dem Sinne, daß das Burghöfener
Depot älter als das Bregenzer, d. h. vordomitianisch
ist. Diese Datierung kann nun noch weiter unter-
baut werden durch einen Vergleich mit den Stem-
peln aus dem im Jahre 80 n. Chr. angelegten Kastell
Newstead in Schottland106. Hier kommen von unseren
Töpfern nur noch Iucundus und Secundus vor. Eben-
so bietet die Stempelliste des im Jahre 79 n. Chr. ver-
schütteten Geschirrdepots von Pompej eine Stütze
für unsere Datierung107. Zwar enthielt dieser Fund
nur Reliefsigillaten, doch ist hier, von Secundus ab-
gesehen, keiner unserer Töpfer vertreten.
Die vordomitianische Zeitstellung des Geschirr-
lagers von Burghöfe wird man nach diesen Verglei-
chen kaum bezweifeln können. Es können also die
schon oben genannten Bruchstücke von ebenfalls
schwarz verbrannten Bilderschüsseln vom Gebiet
des Lagerdorfes, die der domitianischen Zeit ange-
hören, nicht mit dem Brand des Geschirrlagers in
Verbindung gestanden haben.
Wie weit man nun mit dem Depot bzw. seiner Zer-
störung in die vespasianische oder gar spätneronische
Zeit hinaufrückt, hängt davon ab, wie man das Vor-
kommen der sicher vor- und frühflavischen Töpfer
Bassus, Castus, Maccarus und auch Passenus sowie
das Zustandekommen eines solchen Geschirrlagers
beurteilt. Es wurde schon darauf hingewiesen, daß
eine Anzahl von Töpfern unseres Depots in Rott-
weil nicht mehr auftritt, und zwar sind es gerade
die Töpfer, die zahlenmäßig in Burghöfe an der
Spitze liegen. Gerade die ZLtssws-Stempel, die in
Aislingen und Hofheim 1 noch sehr stark vertreten
sind, warnen davor, allzu weit in die flavische Zeit
hinein zu gehen. Hinzu kommt die schon eingangs ge-
machte Beobachtung, daß die einzelnen Gefäße ver-
mutlich nach Töpfern geordnet im Depot standen,
was darauf hinzuweisen scheint, daß die Ware kaum
sehr lange vor ihrer Zerstörung in Burghöfe einge-
troffen sein muß. Nach alledem wird man eine Da-
tierung des Geschirrlagers und seiner Zerstörung in
spätneronisch-vespasianischer Zeit in Erwägung zie-
hen müssen. Innerhalb dieses Zeitraumes kann man
alle Töpferstempel am besten unterbringen. Freilich
wird dieser Datierung jegliche Sicherheit genommen,

wenn man eine enge zeitliche Relation zwischen Her-
stellung und Verbrauch von Sigillatageschirr leugnet.
Es bleibt nun noch zu erörtern, wie sich die übri-
gen Funde des Depots in diese aus den Töpferstem-
peln gewonnene Datierung einordnen. Die eben-
falls in großer Zahl erscheinenden Sigillatagefäße
Drag. 35/36 waren in claudischer Zeit noch unbe-
kannt und finden sich vereinzelt erst unter Nero, ab
Vespasian werden sie allgemein gebräuchlich. Die
Gefäße aus Burghöfe dürften somit zu den frühesten
Exemplaren gehören.
Bei der übrigen Keramik sei allgemein festgehal-
ten, daß die Gefäße durchweg helltonig waren, und
zwar auch diejenigen, die heute infolge der starken
Brandeinwirkung grau erscheinen.
Die vor allem für die claudisch-neronische Zeit für
Rätien so charakteristische Rädchenverzierung er-
scheint auch auf Gefäßen des Geschirrdepots: auf den
feinen, dünnwandigen Schultertöpfen und Töpfen
mit Steilrand (Taf. 47, 4—6) als einfaches Zickzack-
muster, auf den rauhwandigen Gefäßen (Taf. 47, 3;
48, 3. 4. 8) als Schuppenmuster. Die marmorierte
Schüssel mit dem nach innen leicht verdickten Rand
(Taf. 49, 2) war auch in Aislingen nachzuweisen.
Bei den einfachen, rauhwandigen Töpfen ist der
kurze, kräftige, nach außen umgeschlagene Rand sehr
häufig (Taf. 48, 8. 9). Die einhenkligen Krüge (Taf.
49,3—6.8) besitzen meist einen schräg oder horizontal
abgestrichenen, mitunter zweimal getreppten Rand,
bei den zweihenkligen Krügen (Taf. 49, 7. 9—11) ist
die dreimal gestufte trichterförmige Mündung vor-
herrschend. Taf. 48, 3—4 sind seltene Sonderformen,
die offensichtlich Metallvorbilder nachahmen.
Alle diese Gefäßtypen gehören in die 2. Hälfte des
1. Jahrhunderts n. Chr. Der Abstand zu den For-
men aus dem frühen 1. Jahrhundert ist evident. Für
eine schärfere chronologische Fixierung ist die Ke-
ramik der Periode 3 aus Kempten (neronisch bis
frühflavisch) heranzuziehen108.
Ob der Brand, der das recht umfangreiche Ge-
schirrdepot vernichtete, zufällig durch Unwetter
oder durch Unachtsamkeit der Bewohner ausgelöst
wurde, oder ob ihn feindliche Angriffe verursacht
haben, läßt sich kaum mehr entscheiden. Wenn im
letzten Kapitel versucht wird, die Brandkatastrophe,
die das Ende der ersten Periode von Rißtissen, Unter-
106 Curie, Newstead 231 ff.
107 The journ. of. Rom. Stud. 4, 1914, 27 ff. (D. Atkinson).
108 Cambodunumforschungen 19531138; vgl. ferner den ge-
schlossenen Keramikfund von Fehlbränden einer Töpferei der
Zeit Vespasians in der bürgerlichen Ansiedlung »Mühlöschle«
beim Kastell Hüfingen, Bad. Fundber. 20, 1956, 103 ff. (P.
Revellio und R. Nierhaus).

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