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abgebrochen. Pila sind in den Lagern des 1. Jahr-
hunderts n. Chr. verhältnismäßig selten, was wohl
z. T. auf die Unscheinbarkeit der kleinen Spitzen,
die man leicht übersehen konnte, zurückzuführen ist1.
Wesentlich häufiger kamen Wurfgeschoß-
spitzen (Taf. 27, 4—6. 14; 53, 1—3) in verschie-
dener Form und Größe zum Vorschein. Die meisten
von ihnen besitzen eine vierseitig pyramidale Spitze,
an die sich oft eine geschlitzte Tülle anschließt. Von
den ähnlichen mittelalterlichen Armbrustbolzen2
unterscheiden sich die römischen Wurfgeschoßspitzen
durch ihre in der Regel klare Trennung von Spitze
und Tülle.
Die ebenfalls sehr zahlreichen Pfeil-, Speer-
und L a n z e n s p i t z e n (Taf. 27, 7—13. 15—18;
53, 4—7. 12—13; 67, 2. 3. 22—24) entsprechen den
auch in anderen Kastellen geläufigen Formen3. Als
Lanzenschuhe dienten wohl Taf. 27, 19—23;
53, 26.
Handelte es sich bei den eben erwähnten Waffen
wohl sicher um römische Formen, so müssen die bei-
den Streitäxte aus Aislingen und Rißtissen
(Taf. 27, 42; 67, 32) als einheimisch angesprochen
werden. Die breit ausgezogene Schneide und die nach
oben und unten ausgezipfelten Schaftlochlappen
sind die charakteristischen Merkmale dieser Äxte.
Sie können von bestimmten spätlatenezeitlichen
Streitäxten aus dem rätisch-norischen Alpengebiet4
abgeleitet werden.
Der Sporn aus Aislingen (Taf. 27, 24) besitzt
einen hohen U-förmigen Bügel, kurzen Stachel und
an den beiden ungleich langen Schenkeln rechteckig
verbreiterte Ösen. Diese Merkmale kennzeichnen das
Stück als provinzialrömischen ösensporn5. Ähnliche
Sporen stammen aus Italien6. Ein weiteres Exemplar
wird im Museum Wiesbaden ohne Fundortangabe
auf bewahrt7. M. Jahn8 datierte diese Stücke all-
gemein in die frühe Kaiserzeit. Der hohe, U-förmige
Bügel ist auch für einen frührömischen Bronze-
sporn aus Aquileia und den prachtvollen Silbersporn
aus Preßburg charakteristisch9.
Zum Pferdegeschirr gehörte wohl der
kurze Eisenstab mit einer runden und einer recht-
eckigen Öse an den Enden (Taf. 27, 25). Das
Bruchstück hatte vermutlich eine ähnliche Funktion
wie ein gleichartiges an einem Zaumzeug aus New-
stead10. Eine zweigliedrige Ringtrense stammt aus
Burghöfe (Taf. 53, 22)11.
Handwerkszeug und verschiedene Gebrauchsgeräte
Zur Holzbearbeitung waren Meißel verschie-
dener Art unentbehrlich. Die große Eisenzwinge am
Breitmeißel aus Aislingen (Taf. 27, 37) diente zur

Befestigung des Holzgriffes. Ebenso wichtig waren
die starken Löffelbohrer (Taf. 27, 38; 67,
33). Meißel, Löffelbohrer und Feilen (Taf. 27,
30—32) kennen wir in derselben Form schon aus spät-
latenezeitlichen Zusammenhängen12. Als Nagel-
h e b e r konnte das Stück Taf. 27, 36 verwendet
werden.
Wie in Hofheim13, so lassen sich auch in Aislingen
und Burghöfe die zahlreichen kleinen Messer in
zwei Gruppen gliedern. Die erste Gruppe umfaßt
Messer mit geradem Klingenteil und abgesetzter
Griffzunge (Taf. 28, 10-15; 53, 17; 67, 6-8). Die
Messer der zweiten Gruppe dagegen besitzen ein
mehr oder weniger scharf geknicktes Klingenteil, das
sich zur Griffangel hin verjüngt (Taf. 28, 1—9; 53,
18; 67, 5. 26—28). Der Griff bestand in der Regel aus
zwei Beinplatten, die zu beiden Seiten der Griffzunge
angenietet waren (vgl. Taf. 28, 1). Ähnlich große
Klingen wie Taf. 28, 18 kennen wir auch von Hof-
heim14.
Die auf den Taf. 28, 17. 19. 20; 53, 25; 67, 9
abgebildeten Scheren oder deren Bruchstücke
entsprechen in Form und Konstruktion den seit der
mittleren Latenezeit bekannten eingliedrigen Schaf-
scheren15. Die starke, omegaförmige Erweiterung am
federnden Teil der Schere aus Aislingen (Taf. 28, 20)
sollte eine möglichst starke und elastische Federung
bewirken, eine Eigentümlichkeit, die schon an den
spätlatenezeitlichen Scheren zu beobachten ist16.
Die Sichel aus Aislingen (Taf. 28, 16) mit
schmaler, leicht gebogener Klinge und abgewinkeltem
Griffdorn besitzt eine genaue Entsprechung im Ka-
1 A. Schulten, RE XX 2, 1333 ff. Weitere Pilum-Literatur
Germania 29, 1951, 198 ff. (H. v. Petrikovits).
2 Zur Typologie und Chronologie mittelalterlicher Pfeil-
spitzen und Armbrustbolzen vgl. Sudeta 8, 1932, 43 ff. (R. Prf-
hoda).
3 Hofheim Taf. 17, 1—22.
4 Zusammengestellt von A. Hild, Bayer. Vorgeschiehtsbl.
18/19, 1951/52, 271 ff.; Vgl. ferner R. Egger, Anz. d. österr.
Akad. d. Wiss. phil. hist. Klasse 1956, 4, 1953 ff.; Dazu
R. Noll, Carinthia 147, 1957, 118.
5 M. Jahn, Der Reitersporn, seine Entstehung und früheste
Entwicklung (1921) 71 ff.
8 Zschille u. Forrer, Der Sporn in seiner Formen-Entwick-
lung 2 (1899) Taf. 21, 23. 24; Jahn a. a. O. Abb. 78. 79.
7 A. u. h. V. 2 (1870) Heft 1 Taf. 7, 3; Jahn a. a. O. Abb. 80.
8 Jahn a. a. O. 76.
9 Saalburg-Jahrb. 12, 1953, 50 Abb. 8; Festschr. R. Egger
1 (1952) 433 Abb. 2, 8 a. b.
10 Curie, Newstead Taf. 71, 2.
11 Nass. Ann. 34, 1904, 62 Abb. 24, 16 917; Hofheim 165 f.
12 Dechelette, Manuel Abb. 601; 609, 16. 17.; P. Vouga,
Latene (1923) Taf. 44, 21 a. b.
13 Hof heim 187 f.
14 Hof heim Taf. 18, 45.
15 Dechelette, Manuel Abb. 554. 555.
18 Z. B. an einem Stück aus Ornavasso. Bianchetti, Orna-
vasso Taf. 7, 13; Dechelette, Manuel Abb. 555, 4.

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