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Rhetorisches Profil des Textes. / Rhetorical
Profile of the copy.

Text Brinkmann-Zigarette
Unser neues Baby wiegt 1,187 Gramm.
Genau.
Hier sehen Sie unser Baby auf der Waage.
Regelmäßig nehmen wir 20 Bremen
vom Band.
Von Hand.
Alle 7 Minuten.
Wir wiegen sie.
Messen sie.
Rauchen sie.
Aber Kontrollen allein machen keine Ziga-
retten, die gut sind in Qualität und Geschmack.
(Und nikotinarm im Rauch.)
Dazu gehört mehr.
Zum Beispiel: Tabak.
Mit jeder Bremen genießen Sie mehr als
40 verschiedene Tabaksorten.
Und jede Sorte wurde individuell behandelt.
Fermentiert, sortiert, konditioniert und ge-
schnitten.
Die gleiche Sorgfalt bei der Verpackung.
Kontrollstationen prüfen jede einzelne Ziga-
rette.
Und wachen darüber, daß jede Bremen-
packung absolut gleich ist.
Sollte eine Zigarette nicht richtig gefüllt sein,
die ganze Packung ginge zurück.
Sie meinen, wir könnten es uns leichter
machen?
Gewiß.
Aber dann gäbe es keine Bremen.

Mit Hilfe der rhetorischen Begriffe können
Werbetexte hinsichtlich ihrer rhetorischen
Eigenschaften analysiert und beschrieben wer-
den. Ihre persuasive Struktur tritt auf diese
Weise zu Tage. Nun werden innerhalb der
Sprachphilosophie die Persuasion gegen die
Information, das Überreden und Beeinflussen
gegen das Dokumentieren und Belehren, die
Alltagssprache gegen die Wissenschafts-
sprache ausgespielt. Die orthodoxen Vertreter
einer gereinigten, eindeutigen Wissenschafts-
sprache sehen in der Rhetorik nicht mehr
als ein Handbuch verbaler Tricks, die eines
rechten Wissenschaftlers nicht würdig seien.
Die Flexibilität der Sprache, die sich zum
Beispiel in der Metapher äußert (Übergang
von einem Anwendungsbereich zu einem
anderen Anwendungsbereich), erscheint ihnen
als ein Defekt, als eine minderrangige, mehr
noch verdammenswerte Eigenschaft, auf die ein
geziemender Wissenschaftler nicht zurück-
greifen sollte. Sie brandmarken die Rhetorik
als ein vermeidbares Übel, als Quelle von
Unklarheiten, Zweideutigkeiten, Mißverständ-
nissen, Schludrigkeiten und Verfälschungen.
Ein solcher Sprachpurist würde ein Buch nicht
'Ornament und Verbrechen', sondern ‘Rhetorik
und Verbrechen' betiteln. Rhetorik wäre
dieser Auffassung zufolge bloß eine dekora-
tive Zutat, eine Verbrämung der puren In-
formation. Demgegenüber argumentieren die
Verfechter der Rhetorik, daß die systematische
Vieldeutigkeit der sprachlichen Zeichen eine
unvermeidliche Konsequenz der sprachlichen
Kräfte und ein nicht zu missendes Mittel der
menschlichen Kommunikation ist.

Figuren
Metapher (neues Baby)
Atomisierung (Genau)
Wiederholung (Baby) Direkte Anrede
Isophonie (Band/Hand)
Atomisierung
Atomisierung, Wiederholung (sie)
Parallelismus (-)
Metapher (Kontrollen machen Zigaretten)
Atomisierung
(Normalsatz)
Omission (. . . gehört dazu . . .)
Direkte Anrede
Partielle Wiederholung (Sorte)
Atomisierung/Isophonie
(... iert)
Omission (. .. wurde aufgewendet...)
(Normalsatz)
Atomisierung
Reversion (ginge die ganze Packung zurück)

Fingierter Dialog

With the aid of these definitions from the art
of rhetoric, advertising copy can be analysed
and described in terms of its rhetorical
characteristics. In this way its persuasive
structure can be laid bare. It is the usage
among philosophers of language to contrast
persuasion with information, opinionshaping
with documentation and instruction, and
everyday speech with scientific language.
In the eyes of orthodox representatives of a
purified and unambiguous scientific language,
rhetoric is merely a handbook of verbal
tricks which is unworthy of the true scientist.
Flexibility of language as seen, for example,
in the metaphor (transition from one universe
of discourse to another) is construed by
them as a defect, a negative quality deserving
of censure, which no scientist worth his salt
should ever have recourse to. They pillory
rhetoric as an avoidable evil, a source of ob-
scurities, ambiguities, misunderstandings,
sloppiness and misrepresentation. Such a
purist in language would entitle a book not
'Ornament and Crime' but ‘Rhetoric and
Crime'.
According to this school of thought,
rhetoric is simply ornamentation, the frills with
which pure information is decked out. In
reply to this the Champions of rhetoric argue
that the systematic ambiguity of language
signs flows inevitably from the genius of
language and forms an indispensable part of
man’s means of communication (Richards, I.A.
‘The Philosophie of Rhetoric' p. 40, New York
1950). It was in the 18th Century that the
view was first advanced that figures of speech

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