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Der klassische Stil
zulegen. Der Name heißt wörtlich „König der vier Ufer“, seine Er-
klärung ist noch ungewiß; der Titel knüpft sich aber vermutlich
an die vier Ufer des Ozeans, des östlichen und des westlichen, dessen
Wasser nach der babylonischen Vorstellung vom Weltbilde die Erde
umspülten und außen von einem doppelten Damm abgeschlossen
waren. Es scheint, daß diejenigen Könige sich den pompösen Titel
erwarben, die persönlich an das Ost- und an das Westmeer ge-
kommen sind, und durch die Zeremonie des „Waschens der Waffe
des Gottes Assur“ im Meere das Anrecht auf Führung des Titels für
ihre Person erlangt haben. Der Titel war rein persönlich und hing
durchaus von der Ausführung einer ganz bestimmten Zeremonie ab,
die persönlich an jedem der beiden Meere vorgenommen werden
mußte. Hierzu genügte eine einmalige Handlung. Ähnlich ist es
mit der Zeremonie des „Ergreifens der Zügel der Ischtar“ von
Ninive, durch die erst die Würde des Königs von Assyrien erworben
wurde. Die Tempelstatue der Ischtar stand vermutlich auf einem
Löwen, den sie mit einem Zügel in Zaum hielt. Auf Siegelbildern ist
die Göttin nämlich so dargestellt. Ebenso persönlich war die Er-
langung der Königswürde von Babylon, die sogar in jedem Jahr durch
„Ergreifen der Hände des Gottes Marduk“ in Babylon wiederholt wer-
den mußte. Diejenigen Könige von Assyrien, die das Königtum von
Babylon innehatten oder beanspruchten, schafften entweder die Mar-
dukstatue nach Assyrien, wie Tukulti-Ninurta I. und Sanherib, oder
sie nannten sich „Statthalter von Babylon“ und ließen den Königstitel
fort, da sie nicht jedes Jahr die Zeremonie vollführen konnten, so
Sargon II. und Assarhaddon, oder aber sie setzten Vasallenkönige ein,
die dann an ihrer Stelle die Zeremonie vollzogen und in Babylon selbst
residierten, wie z. B. Kandalanu für Assurbanipal. Aus dieser Hand-
habung der Zeremonien ergibt sich die neben der Anschauung vom
guten Menschen (SAK, S. 18f.) gleich wichtige Hochschätzung der
Persönlichkeit, die selbsttätig handelte und keinen Vertreter kannte.
So erklären sich auch die fortwährenden Revolutionen und Auf-
stände, die jedesmal auftraten, wenn eine bedeutende Persönlich-
keit gestorben war. Der neue König mußte erst wieder seinen Wert
zeigen. In der Geschichte Salmanassars III. ist interessant, zu be-
obachten, daß, als der König seit dem Jahre 831 wegen seines hohen
Alters nicht mehr selbst ins Feld ziehen konnte und das Erscheinen
seiner Person fehlte, vier Jahre später ein großer Aufstand ausbrach,
der fast sechs Jahre dauerte — währenddessen Salmanassar starb
Der klassische Stil
zulegen. Der Name heißt wörtlich „König der vier Ufer“, seine Er-
klärung ist noch ungewiß; der Titel knüpft sich aber vermutlich
an die vier Ufer des Ozeans, des östlichen und des westlichen, dessen
Wasser nach der babylonischen Vorstellung vom Weltbilde die Erde
umspülten und außen von einem doppelten Damm abgeschlossen
waren. Es scheint, daß diejenigen Könige sich den pompösen Titel
erwarben, die persönlich an das Ost- und an das Westmeer ge-
kommen sind, und durch die Zeremonie des „Waschens der Waffe
des Gottes Assur“ im Meere das Anrecht auf Führung des Titels für
ihre Person erlangt haben. Der Titel war rein persönlich und hing
durchaus von der Ausführung einer ganz bestimmten Zeremonie ab,
die persönlich an jedem der beiden Meere vorgenommen werden
mußte. Hierzu genügte eine einmalige Handlung. Ähnlich ist es
mit der Zeremonie des „Ergreifens der Zügel der Ischtar“ von
Ninive, durch die erst die Würde des Königs von Assyrien erworben
wurde. Die Tempelstatue der Ischtar stand vermutlich auf einem
Löwen, den sie mit einem Zügel in Zaum hielt. Auf Siegelbildern ist
die Göttin nämlich so dargestellt. Ebenso persönlich war die Er-
langung der Königswürde von Babylon, die sogar in jedem Jahr durch
„Ergreifen der Hände des Gottes Marduk“ in Babylon wiederholt wer-
den mußte. Diejenigen Könige von Assyrien, die das Königtum von
Babylon innehatten oder beanspruchten, schafften entweder die Mar-
dukstatue nach Assyrien, wie Tukulti-Ninurta I. und Sanherib, oder
sie nannten sich „Statthalter von Babylon“ und ließen den Königstitel
fort, da sie nicht jedes Jahr die Zeremonie vollführen konnten, so
Sargon II. und Assarhaddon, oder aber sie setzten Vasallenkönige ein,
die dann an ihrer Stelle die Zeremonie vollzogen und in Babylon selbst
residierten, wie z. B. Kandalanu für Assurbanipal. Aus dieser Hand-
habung der Zeremonien ergibt sich die neben der Anschauung vom
guten Menschen (SAK, S. 18f.) gleich wichtige Hochschätzung der
Persönlichkeit, die selbsttätig handelte und keinen Vertreter kannte.
So erklären sich auch die fortwährenden Revolutionen und Auf-
stände, die jedesmal auftraten, wenn eine bedeutende Persönlich-
keit gestorben war. Der neue König mußte erst wieder seinen Wert
zeigen. In der Geschichte Salmanassars III. ist interessant, zu be-
obachten, daß, als der König seit dem Jahre 831 wegen seines hohen
Alters nicht mehr selbst ins Feld ziehen konnte und das Erscheinen
seiner Person fehlte, vier Jahre später ein großer Aufstand ausbrach,
der fast sechs Jahre dauerte — währenddessen Salmanassar starb