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Das Stammbuch des Orients

sie war offenbar zu morsch und verbraucht, um sich noch besondre
Taten zuzutrauen. Darum versenkte sie sich in die Erinnerung an die
alte vergangene Herrlichkeit und Größe. Das launische Schicksal hat
es gefügt, daß der letzte babylonische Herrscher in seinen Inschriften
noch einmal viele seiner alten berühmten königlichen Vorgänger
Revue passieren ließ und so gleichsam den Abschlußstrich, ein Fazit,
unter die wechselvolle Geschichte seines Landes gezogen hat.
ZWÖLFTER ABSCHNITT
Das Stammbuch des Orients
Etwa 3000 Jahre umspannt die mesopotamische Kunstgeschichte,
einen gewaltigen Zeitraum. Nur mühsam gelingt es, die Denk-
mäler an den Orten ihrer Entstehung zu sammeln und zu ordnen, und
die Museen, die sich in später Zeit durch das archäologische Interesse
an Altertümern bildeten, bergen meist nur Zufallsfunde, bei Gelegen-
heit aufgesammelt. Aber es gibt einen Denkmalsort, wo die Herrscher
des Alten Orients immer wieder ihre Urkunden eingemeißelt haben.
Es ist das Vorgebirge an der Mündung des Nähr el-Kelb in das Mittel-
meer nördlich der Stadt Beirut in Syrien. Die Denkmäler, die hier
entstanden, haben heute vorwiegend historische Bedeutung, ihr
Kunstwert ist durch die Verwitterung der Jahrtausende gemin-
dert. Hier haben nicht nur die Könige Vorderasiens ihre Urkunden
hinterlassen, sondern auch ein ägyptischer Pharao und die späteren
Beherrscher des Landes, die Griechen, die Römer, die Araber; ja,
die neueste Zeit hat den Brauch aufgenommen, sich an diesem
historischen Orte durch Inschriften zu verewigen.
Das Vorgebirge des Nähr el-Kelb ist ein Meerespaß, an dem die
Straße von Syrien nach Palästina vorbeizieht. Der Besitz dieses
Punktes bedeutete die Beherrschung des ganzen Landes. Ägypter,
Assyrer und Babylonier haben das durch die Einmeißelung von Fels-
reliefs und Inschriften beurkundet. Drei Stelen stammen vom be-
rühmten Pharao Ramses II., um 1250 v. Chr., aus drei verschiedenen
Feldzügen gegen die Hettiter (Abb. 103); sechs Reliefs sind von assy-
rischen Königen eingemeißelt, aber nur die Stele des Königs Assar-
haddon istnoch bestimmbar (Abb. 103),die erim Jahre 671, nachdem
er Ägypten von der Herrschaft der Äthiopier befreit hatte, ange-
bracht hat. Die andern fünf stellen ebenfalls Bilder von assyrischen
Königen dar mit dem Blick nach Norden, ihrem Heimatlande Assyrien
 
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