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Semiramis und ihre Zeit

Die Existenz dieser Inschrift läßt keinen Zweifel über die große
Bedeutung der Semiramis. Man erhält die genauesten Angaben
über ihr Verhältnis zur assyrischen Königsfamilie. Daß ihr Einfluß
aber auch weiterhin bedeutend blieb, kündet die Inschrift auf der
Statue des Gottes Nabu, die der Statthalter Bel-tarsi-iluma von
Kalchu zu Ehren des Adadnirari und der Semiramis geweiht hat.
Der Statthalter ist 797 in den Jahreslisten genannt. Der Fund
dieser drei Denkmäler verwandelte die sagenhafte Königin mit einem
Schlage in eine mächtige Persönlichkeit.
Die Verhältnisse zwischen Assyrien und Babylonien während der
Regierung des Adadnirari III. lassen sich nur allenthalben ermitteln.
Seitdem Schamschi-Adad V. in den Jahren 812—811 die Oberhoheit
Assyriens über Babylon gewonnen hatte, blieb sie mindestens bis
zum Jahre 763 v. Chr. bestehen. Babylonische und assyrische Chro-
niken verzeichnen zwar Könige in Babylon, die aber in abhängiger
Stellung von Assyrien gewesen sein müssen, und eine assyrische
Quelle spricht sogar von einer zwölfjährigen königslosen Zeit, in
der sehr wohl Semiramis als Königin-Regentin in Babylon residiert
haben könnte. Auch ihre Regententätigkeit in Assur ist ja nicht in
offiziellen Chroniken erwähnt. Die in der sogenannten Eponymen-
chronik erwähnten assyrischen Kriegszüge zum Persischen Golf
im Jahre 802, nach der Stadt Der an der Grenze von Elam, 795 bis
794, der feierliche Einzug des „Großen Gottes“ (Anu) in Der 785,
endlich die Eroberung der Stadt Marad, südlich von Babylon, 770
durch den assyrischen König Assurdan III., lassen deutlich erkennen,
daß die Assyrer damals Babylon noch beherrschten, aber allmählich
vor dem erobernd vordringenden „Meerland“ nach Norden zurück-
weichen mußten, das seit dem Ende des dritten Jahrtausends in
dem durch Anschwemmung neugebildeten Gelände am Delta des
Euphrat und Tigris entstanden war und dauernd die nordwestlichen
Länder bedrohte. Als aber im Jahre 763, das durch seine Sonnen-
finsternis den Fixpunkt der altorientalischen Geschichte lieferte, ein
fünfjähriger Aufstand im gesamten Assyrien ausbrach, konnte natür-
lich eine Hegemonie über Babylonien nicht mehr in Frage kommen.
So bleibt die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, daß Semiramis
tatsächlich auch in Babylon geherrscht hat, und es ist denkbar,
daß auch die „Hängenden Gärten“, dieNebukadnezar II. in Babylon
angelegt und der deutsche Spaten wieder ausgegraben hat, ihr Vor-
bild in einer ähnlichen Anlage der Semiramis gehabt haben können.
 
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