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Volkmann, Ludwig
Bilderschriften der Renaissance: Hieroglyphik und Emblematik in ihren Beziehungen und Fortwirkungen — Leipzig: Verlag von Karl W. Hiersemann, 1923

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https://doi.org/10.11588/diglit.59562#0126
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zusammen: »Aus einer Arbeit, wie des Ripa seine ist, die einen so allgemeinen Ruf erlanget hat, und
gleichsam der Künstler Bibel geworden ist, kann der Schluß auf den Genius und Geschmack derselben
Zeit gemachet werden.« Wenn er schon über diese Werke rein wissenschaftlich berechtigt, doch ohne
jede Rücksicht auf ihre historische Bedingtheit, derartig abspricht, wird man begreifen, daß er mit der
Hypnerotomachia Poliphili überhaupt nichts anzufangen wußte,- er tut sie nur kurz mit der Bemerkung
ab: »dergleichen Träume übergehe, ich«. Der Zeitgeist war eben ein völlig anderer geworden. —
Freilich das, was Winckelmann selbst als positive Vorschläge für Allegorien statt dessen geben will,
würde uns Heutige wiederum wunderlich genug berühren, wenn wir nicht inzwischen gelernt hätten, jede
Erscheinung aus ihrer Zeit heraus zu begreifen, In dem Kapitel »Von einigen guten und brauchbaren
Allegorien der Neueren« lobt er u. a. eine holländische Münze von 1633 mit den Danaiden als Sinnbild
vergeblicher Arbeit, Castor und Pollux. an einem Augsburger Hause als Allegorie brüderlicher Liebe,
einen Hirsch auf Correggios Jupiter und Io als Sinnbild der Brunst, einen Bären, der seine Jungen leckt
auf Pietro da Cortonas Deckenbild im Palazzo Barberini <vgl. Horapollo und Tizians Devise!), eine
weibliche Figur mit verbundenem Mund als »Malerei« = stumme Dichtkunst, nach Simonides, auf
einem Titelblatt von Chambray, und die Mnemosyne im Parnaß von Mengs in der Villa Albani, die
sich zur Erinnerung ans Ohrläppchen faßt! Im letzten Kapitel, »Versuch neuer Allegorien«, wird er
vollends rein klassisch-literarisch und zieht teilweise so weit hergeholte Schriftstellen heran, daß seine
Bilder für die Allgemeinheit oft ganz unverständlich sind. Da will er die Antipathie nach Plutarch
durch einen Löwen und Hasen oder Elefant und Schwein darstellen, die Bestürzung nach der Ilias
durch ein Reh, den Dünkel nach Galen durch den Specht, der es der Sirene gleichtun will, einen gek-
reisten Mann nach Strabo durch einen Storch. Die Notwendigkeit soll nach Horaz mit strengem
Gesicht, gebieterischer Hand, Nägeln und Keilen sowie einem Joche gebildet werden, der Schwätzer
ist durch eine Schwalbe, die bei Anakreon und Simonides schwatzhaft heißt, zu bezeichnen, der Ver-
leumder durch ein auf der Stirne eingebranntes K nach Cicero,- »Calumnia« sei früher mit K ge-
schrieben worden. Vielleicht die komplizierteste Allegorie bringt er aber für das neue Jahr: eine Figur,
die einen großen Nagel an einem Tempel einschlägt, den »clavus annalis«, den alljährlich der Prätor
einschlug! Bei alledem sind die Beziehungen zur alten Hieroglyphik doch nicht gänzlich abgebrochen,
so bedeutet eine Figur ohne Hände den unbestechlichen gerechten Richter nach Plutarch, Isis und
Osiris, und die ungestörte Stille des Geistes wird durch einen offenen Rundtempel mit der Inschrift
»Junoni Laciniae« allegorisiert, ein Symbol, das uns bereits in den Impresen des Giovio <Abb. 44) und
des Ruscelli <Abb. 48) begegnete, wenn auch in freierer Auslegung. Er gibt dann noch ausführliche
Beschreibungen allegorischer Gemälde, worin jedes Attribut und sogar jede Farbe aus der klassischen
Literatur belegt wird, und die vielfach recht gequält wirken, obgleich Winckelmann selbst <S. 22) vor
moderner Übertreibung der Allegorie warnt, da die Zeiten nicht mehr allegorisch seien wie das Alters
tum, und man daher vergebens hoffen werde, etwa eine Ode malen zu können. Mit Recht konnte
Aug. Wilh. Schlegel*) von solchen Einfällen sagen, zuweilen sollte man meinen, es sei ihm gar nicht

*) Vgl. C. Justi, Winckelmann, III, S. 231. In ganz eigenartig romantischer Weise hat Friedrich Schlegel (1804)
den Begriff des »Hieroglyphischen« in der Kunst aufgefaßt, worüber Näheres bei Wi 1h. W aetzoldt, Deutsche Kunsthistoriker,
Leipzig 1921, S. 257 ff. Wenn da im Hinblick auf die Landschaften Philipp Otto Runges von der Gestaltung von Hiero-
glyphen gesprochen wird, die aus Naturgefühl und Naturanschauung zusammengesetzt sind, wenn der menschliche Leib als
»höchste aller Hieroglyphen« bezeichnet ist, so erhält damit das Wort eine übertragene Bedeutung, bei welcher nur noch die
allegorische Auslegung als solche das Bindeglied darstellt. — Der Kritik A. W. Schlegels nahe verwandt und vielleicht auch
geradezu auf Winckelmann gemünzt ist dagegegen Schopenhauers Beurteilung der Allegorien in der Kunst, die ihm nichts
anderes sind als Hieroglyphen, deren inhaltliche Bedeutung außerhalb des Kunstzweckes und Kunstwertes liegt. Sie bedeuten
nur eine »spielende Ergötzlichkeit, ein Bild zugleich den Dienst einer Inschrift, als Hieroglyphe, leisten zu lassen, erfunden zu
Gunsten derer, welche das eigentliche Wesen der Kunst nie ansprechen kann«. Das gleiche meint er von den Symbolen in
Form oder Farbe: »sie sind ganz wie Hieroglyphen, oder gar wie Chinesische Wortschrift anzusehen und stehen wirklich in
einer Klasse mit den Wappen, mit dem Busch, der ein Wirtshaus andeutet, mit dem Schlüssel, an welchem man die Kammer-
herren, oder dem Leder, an welchem man die Bergleute erkennt«, worauf er dann auf die eigentlichen Embleme zu sprechen
kommt und von Sammlungen solcher die des Camerarius und Alciati nennt. (Welt als Wille und Vorstellung, Bd. I, 3. Buch,
§ 50. Erste Auflage 1818.)
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