Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Volkmann, Ludwig
Bilderschriften der Renaissance: Hieroglyphik und Emblematik in ihren Beziehungen und Fortwirkungen — Leipzig: Verlag von Karl W. Hiersemann, 1923

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.59562#0127
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
um Vorschläge für die Kunst zu tun, sondern um Erfindung einer neuen Hieroglyphenschrift, und
einige Male werde man sogar an die abgeschmackten Rebus erinnert, ■— womit denn der innere Zu-
sammenhang mit unserem Thema erneut bestätigt wird. Den Schluß dieses trockenen und gekünstelten
Abschnittes aber bildet die herrliche Beschreibung des Heraklestorso im Belvedere, weil auch sie
gleichsam allegorisch anzusehen sei,- denn da, wo die Dichter aufhörten, habe der Künstler angefangen,
in jedem Teile des Körpers offenbare sich, wie in einem Gemälde, der ganze Held in einer besonderen
Tat, und man sehe, so wie die richtigen Absichten in dem Plane eines Palastes, hier den Gebrauch,
zu dem jeder Teil gedient habe. Unbeschwert von literarischen Fesseln durfte sich erst hierin der
künstlerische Sinn Winckelmanns frei entfalten, der neue Geist, durch den er zum Begründer der mo-
dernen Kunstwissenschaft wurde, und so konnte er schon mit treffenden Worten das bezeichnen, was
Adolf Hildebrand später endgültig »die Form als Funktionsausdruck« genannt hat. —
Damit sind wir an die Schwelle der Neuzeit gelangt und können die Betrachtung dieser letzten
Ausläufer der Hieroglyphik und Emblematik abschließen. Das 17. und 18. Jahrhundert besaß nicht mehr
jene kräftige und selbstverständliche Augensinnlichkeit, die alles in Bildern sieht und schöpferisch zu
Bildern gestaltet, wie dies die Kunst der Renaissance und die Gelehrsamkeit des Humanismus ohne
weiteres auch bei der Aufnahme und Ausdeutung antiker Elemente tat. Die strenge Fachwissenschaft
trat mehr und mehr in den Vordergrund, und das 19. Jahrhundert brachte auch jene sachliche Ver-
tiefung der hieroglyphischen Studien mit sich, die in Champollions Entdeckung 1822 die entscheidende
Wendung fanden und die Begründung der modernen Ägyptologie, zugleich aber den Tod der alten
Hieroglyphik herbeiführten. Diese merkwürdige, wenig bekannte Strömung konnte hier nur nach Karl
Giehlows Vorgang in ihren Umrissen angedeutet und in ihren großen Zusammenhängen verfolgt
werden, während der Einzelarbeit noch manche farbenreiche Ausfüllung dieser Linien überlassen bleiben
dürfte. Gewiß aber wird sie auch weiterhin einige Aufmerksamkeit verdienen als ein außerordentlich
bezeichnender und weithin wirksamer Ausdruck der besonderen Geistesart der Renaissance und des
Humanismus.

117
 
Annotationen