18. Marcel Duchamp: Akt, eine Treppe hinuntersteigend, Nr. 2, 1912
zungen einer Brücke auf die rechte vordere Bild-
ecke zu, ohne daß der Betrachter die Elemente
dieses dynamischen Geschehens anschaulich klar
voneinander trennen kann. In der Entwicklung der
Prozessualisierung einer bildübergreifenden Far-
bigkeit ist dies eine weitere wichtige Station. Auch
Hann Trier war von dem Thema der Geschwindig-
keit technischer Maschinen und Apparate faszi-
niert, etwa wenn er in seinem Bild Schnellbahn
(Abb. 15), das zur Werkgruppe seiner Prestidigita-
tions gehört, die Bewegung in ein maschinen-
gleich dynamisiertes und scheinbar dampfsprü-
hendes Liniengefüge übersetzt.
Wie die Künstler des späten 19. und frühen 20. Jahr-
hunderts die Ästhetik des beschleunigten Blicks
von motivischen Ausgangspunkten zunehmend
auf die Wahrnehmung selbst übertrugen, ist exem-
plarisch im CEuvre von Lovis Corinth zu studieren:
Während in Corinths Trabrennbahn (Abb. 12) von
1896 die impressionistische Flüchtigkeit der Pin-
selzüge, die lebhafte Schattenverteilung und die
rhythmisch gleichsam beschleunigte Komposition
der Bäume die Bewegungssuggestion des Renn-
geschehens akzentuieren, ist die übergreifende
Strömungsbewegung der Pinselfaktur in Corinths
Walchenseebild von 1921 (Abb. 13) nicht mehr aus
solchen motivischen Beziehungen zu verstehen: Es
ist vielmehr die Bewegung der Anschauung selbst,
die Corinth als Signatur des wahrnehmenden Sub-
jekts seiner im ganzen bewegungshaft entfalteten
Darstellung der Landschaft bei Wetterstein einge-
schrieben hat.
Demgegenüber hat die futuristische Malerei, mit
ihren schon erwähnten Bewegungsdarstellungen
ganz am bewegten Gegenstand selbst ange-
setzt32: Wie im Schwalbenflug (Abb. 8) entfaltete
Giacomo Balla in seiner Darstellung der Hand des
Geigers (Abb. 17) die Bewegungssuggestion über
eine analytische Zergliederung der Ortsverände-
rungen des Motivischen, indem er die auf dem
Griffbrett auf und nieder wandernde Hand des
Geigers in einer dynamischen Sequenz fächerför-
mig überblendeter Spielhaltungen zeigt. Oben-
drein verleiht die divisionistische Koloristik und ein
bewegungshaft in Striche geteilter Pinselduktus
der Szene den Gestus der Flüchtigkeit. Auch Mar-
cel Duchamps Bild Akt, eine Treppe hinunterstei-
gend, Nr. 2 (Abb. 18) ist eine Ikone dieser, von einer
stroboskopischen Zerlegung des Bewegungsvor-
gangs getragenen futuristischen Darstellungswei-
se, und auch hier handelt es sich strenggenommen
um eine malerische Aneinanderreihung und Über-
blendung einzelner momentaner Ansichten, nicht
aber um die Darstellung der Bewegung selbst.
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zungen einer Brücke auf die rechte vordere Bild-
ecke zu, ohne daß der Betrachter die Elemente
dieses dynamischen Geschehens anschaulich klar
voneinander trennen kann. In der Entwicklung der
Prozessualisierung einer bildübergreifenden Far-
bigkeit ist dies eine weitere wichtige Station. Auch
Hann Trier war von dem Thema der Geschwindig-
keit technischer Maschinen und Apparate faszi-
niert, etwa wenn er in seinem Bild Schnellbahn
(Abb. 15), das zur Werkgruppe seiner Prestidigita-
tions gehört, die Bewegung in ein maschinen-
gleich dynamisiertes und scheinbar dampfsprü-
hendes Liniengefüge übersetzt.
Wie die Künstler des späten 19. und frühen 20. Jahr-
hunderts die Ästhetik des beschleunigten Blicks
von motivischen Ausgangspunkten zunehmend
auf die Wahrnehmung selbst übertrugen, ist exem-
plarisch im CEuvre von Lovis Corinth zu studieren:
Während in Corinths Trabrennbahn (Abb. 12) von
1896 die impressionistische Flüchtigkeit der Pin-
selzüge, die lebhafte Schattenverteilung und die
rhythmisch gleichsam beschleunigte Komposition
der Bäume die Bewegungssuggestion des Renn-
geschehens akzentuieren, ist die übergreifende
Strömungsbewegung der Pinselfaktur in Corinths
Walchenseebild von 1921 (Abb. 13) nicht mehr aus
solchen motivischen Beziehungen zu verstehen: Es
ist vielmehr die Bewegung der Anschauung selbst,
die Corinth als Signatur des wahrnehmenden Sub-
jekts seiner im ganzen bewegungshaft entfalteten
Darstellung der Landschaft bei Wetterstein einge-
schrieben hat.
Demgegenüber hat die futuristische Malerei, mit
ihren schon erwähnten Bewegungsdarstellungen
ganz am bewegten Gegenstand selbst ange-
setzt32: Wie im Schwalbenflug (Abb. 8) entfaltete
Giacomo Balla in seiner Darstellung der Hand des
Geigers (Abb. 17) die Bewegungssuggestion über
eine analytische Zergliederung der Ortsverände-
rungen des Motivischen, indem er die auf dem
Griffbrett auf und nieder wandernde Hand des
Geigers in einer dynamischen Sequenz fächerför-
mig überblendeter Spielhaltungen zeigt. Oben-
drein verleiht die divisionistische Koloristik und ein
bewegungshaft in Striche geteilter Pinselduktus
der Szene den Gestus der Flüchtigkeit. Auch Mar-
cel Duchamps Bild Akt, eine Treppe hinunterstei-
gend, Nr. 2 (Abb. 18) ist eine Ikone dieser, von einer
stroboskopischen Zerlegung des Bewegungsvor-
gangs getragenen futuristischen Darstellungswei-
se, und auch hier handelt es sich strenggenommen
um eine malerische Aneinanderreihung und Über-
blendung einzelner momentaner Ansichten, nicht
aber um die Darstellung der Bewegung selbst.
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