Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Einleitung

3

Die romantische Vorgeschichtsforschung sah zu den Funden eine per-
sönliche Beziehung; man fühlte das Erbgnt dieser Vergangenheit in sich
selbst lebendig und sich damit jenen Zeugnissen und ihrer Zeit verpflichtet.
Die Wiederentdeckung dieser Beziehung zu den Funden verdanken wir
Gustaf Kossinna, welcher zur Deutung der Fundgruppen die Namen ge-
schichtlicher Völker heranzog und hinter ihnen auch die Seele jener Men-
schenkreise suchte. Nachdem die Bemühungen um die Gleichsetzung von
Stoffgebieten mit Völkern zu festeren Ergebnissen geführt haben, nachdem
sodann die Nachkriegszeit uns die Volks- und Kulturbodenforschung sowie
die bevölkerungsgeschichtliche Fragestellung bescherte, steht aber nicht nur
die denkmalpflegerische und die sonstige auf ihr bauende Kleinarbeit vor
einer neuen Aufgabe. Es gilt jetzt, auch in der Darstellung der Frühzeit
diese neue Haltung zum Ausdruck zu bringen.

Die Funde sind Urkunden, also immer nur Mittel der Schilderung
und niemals ihr eigentlicher Gegenstand. Jndem sie im Vordergrund der
Einzelarbeit des Faches stehen, bilden aber nur zu leicht gerade sie den
Mittelpunkt der Darstellung und nicht der in ihnen zu uns sprechende
Mensch. Auf der anderen Seite bringt es die Eigenart dieses Quellenstoffes
mit sich, daß die vorgeschichtliche Darstellung kaum davon absehen kann,
ihn in irgendeiner — und wenn auch noch so bescheidenen — Art vor dem
Leser auszubreiten. So notwendig die Darstellung überall auf den Stoff
selbst zurückgeht, so schwierig ist es für ihren Versasser, ihn in einer ange-
messenen und allgemein verständlichen Form zur Geltung zu bringenL
Aber noch in anderer Richtung ringt die^Vorgeschichtsforschung heute um
das Problem der Darstellung. Viele Jahrzehnte hindurch nur in der Stille
der Museen und in den Geschichtsvereinen gepflegt, ist das Fach den öffent-
lichen Einsatz in dem kulturpolitischen Leben nicht gewohnt. Auch trat
über der drückenden Fülle der Äufgaben denkmalpflegerischer Art das
Jnteresse an der Darstellung als solcher, die zugleich ein Kunstwerk, ein
persönliches Bekenntnis und eine Nepräsentation der betreffenden Wissen-
schaft sein soll, ganz zurück. Demgemäß hat die vorgeschichtliche Forschung
heute, wo sie im Brennpunkt des Jnteresses steht, besondere Veranlassung,
über die Form der Darstellung nachzudenken. So wenig sie hier nach
irgendeinerNormstreben darf, so sehr sollte sie darauf bedacht sein, durch die
Art der Darstellung eine lebendige Wirkung zu erzielen.

Aufgabe auch der vorgeschichtlichen Darstellung ist es, in die Gegenwart
einzumünden. Wirklich lebendig wird die Vorzeit erst dann, wenn sie zum
Ausbau des jeweiligen Weltbildes beiträgt. Demgemäß vermag die vor-
1*
 
Annotationen