14 Zweites Kapitel. Bruchstücke aus Dürers Gedenkbuch.
Und in der nächsten Nacht vor Sankt Matthäus Vorabend ist
mein Vater verschieden in dem oben gemeldeten Jahr (20. Septem-
ber 1502) — der barmherzige Gott helfe mir auch zu einem seligen
Ende — und hat meine Mutter als eine betrübte Witwe hinterlassen,
die er mir immer höchlich gelobt, wie sie eine so fromme Frau wäre.
Deshalb nehme ich mir vor, sie nimmermehr zu verlassen.
O ihr alle meine Freunde! Ich bitte euch um Gottes willen,
wenn ihr meines frommen Vaters Verscheiden leset, ihr wollet
seiner Seele gedenke nZ mit einem Vater unser und Ave
Maria/st auch um eurer Seele wegen, auf dasz wir, so wir Gott
dienen, ein seliges Leben erwerben um eines guten Endes willen.
Denn es ist nicht möglich, daß einer, der wohl lebt, übel ab-
scheide von dieser Welt; denn Gott ist voll Barmherzigkeit. Durch
sie gebe uns Gott nach diesem elenden Leben die Freude der ewigen
Seligkeit durch den Vater, den Sohn und den Heiligen Geist, ohne
Anfang und ohne Ende ein ewiger Regierer. Amen.
2. Vom Tode der Mutter.
Hl^-un sollt ihr wissen, daß im Jahre 1513 an einem Dienstage vor
der Kreuzwochen (26. April 1513) meine arme, elende Mutter
— die ich zwei Jahre nach meines Vaters Tod zu mir nahm, die
da ganz arm war, in meine Pflege; nachdem sie 9 Jahre bei mir
gewesen war — an einem Morgen früh jählings so tödlich krank ward,
dasz wir die Kammer aufbrachen, da wir sonst, da sie nicht öffnen
konnte, nicht zu ihr konnten. So trugen wir sie herab in eine Stube,
und man gab ihr beide Sakramente; ch denn alle Welt
meinte, sie sollte sterben. Denn sie hatte keine gesunde Zeit nie nach
meines Vaters Tod.
0 Für einen Abgestorbenen zu beten, setzt den Glauben an den Reinigungsort
voraus. Der Selige braucht kein Gebet, dem Verdammten nützt es nichts.
0 Dürer setzt sich hier in scharfen Gegensatz zu Luther, welcher im Jahre 1822
„Ain petpüchlein" herausgab, worin er behauptete, dast niemand die Mutter und
ihre Frucht so sehr vermaledeie, als jene, „die das Ave Maria immer im Maul haben".
Dürer habe sich aber „nach Weihnachten 1524" auf das „Gedenkbuch" berufen und
die daselbst ausgesprochenen Gedanken dadurch wieder gutgeheisten.
0 Weil die Mutter so schwach war, so fürchtete man, sie könnte die heilige Hostie
nicht schlucken,- darum erhielt sie nur die Absolution und letzte Ölung.
Und in der nächsten Nacht vor Sankt Matthäus Vorabend ist
mein Vater verschieden in dem oben gemeldeten Jahr (20. Septem-
ber 1502) — der barmherzige Gott helfe mir auch zu einem seligen
Ende — und hat meine Mutter als eine betrübte Witwe hinterlassen,
die er mir immer höchlich gelobt, wie sie eine so fromme Frau wäre.
Deshalb nehme ich mir vor, sie nimmermehr zu verlassen.
O ihr alle meine Freunde! Ich bitte euch um Gottes willen,
wenn ihr meines frommen Vaters Verscheiden leset, ihr wollet
seiner Seele gedenke nZ mit einem Vater unser und Ave
Maria/st auch um eurer Seele wegen, auf dasz wir, so wir Gott
dienen, ein seliges Leben erwerben um eines guten Endes willen.
Denn es ist nicht möglich, daß einer, der wohl lebt, übel ab-
scheide von dieser Welt; denn Gott ist voll Barmherzigkeit. Durch
sie gebe uns Gott nach diesem elenden Leben die Freude der ewigen
Seligkeit durch den Vater, den Sohn und den Heiligen Geist, ohne
Anfang und ohne Ende ein ewiger Regierer. Amen.
2. Vom Tode der Mutter.
Hl^-un sollt ihr wissen, daß im Jahre 1513 an einem Dienstage vor
der Kreuzwochen (26. April 1513) meine arme, elende Mutter
— die ich zwei Jahre nach meines Vaters Tod zu mir nahm, die
da ganz arm war, in meine Pflege; nachdem sie 9 Jahre bei mir
gewesen war — an einem Morgen früh jählings so tödlich krank ward,
dasz wir die Kammer aufbrachen, da wir sonst, da sie nicht öffnen
konnte, nicht zu ihr konnten. So trugen wir sie herab in eine Stube,
und man gab ihr beide Sakramente; ch denn alle Welt
meinte, sie sollte sterben. Denn sie hatte keine gesunde Zeit nie nach
meines Vaters Tod.
0 Für einen Abgestorbenen zu beten, setzt den Glauben an den Reinigungsort
voraus. Der Selige braucht kein Gebet, dem Verdammten nützt es nichts.
0 Dürer setzt sich hier in scharfen Gegensatz zu Luther, welcher im Jahre 1822
„Ain petpüchlein" herausgab, worin er behauptete, dast niemand die Mutter und
ihre Frucht so sehr vermaledeie, als jene, „die das Ave Maria immer im Maul haben".
Dürer habe sich aber „nach Weihnachten 1524" auf das „Gedenkbuch" berufen und
die daselbst ausgesprochenen Gedanken dadurch wieder gutgeheisten.
0 Weil die Mutter so schwach war, so fürchtete man, sie könnte die heilige Hostie
nicht schlucken,- darum erhielt sie nur die Absolution und letzte Ölung.