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Viertes Kapitel. Reime.
Als er mir das Obgemeldete gegeben hatte, da schickte er mir
durch Herrn Wilibald Pirkheimer das nachfolgende Gedicht:
Wiewohl viel Sachen sich begeben,
Die unser Gewohnheit widerstreben
Und deshalb zu verwundern stehnL)
So mag ich doch nicht wohl umgehn,
Euch einen Handel zu entdecken,
Der Euch zum Lachen wird erwecken (anregen).
Und isbs darum also getan:
Ihr kennt ohne Zweifel einen Mann,
Hat krauses Haar und einen Bart,
Der ist aus angeborener Art
Ein Maler je und allweg gewesen.
Und darum daß er schreiben und lesen
Zwei Ellen und ein Viertel?) kann,
Vermeint er sich zu unterstahn, Z
Die Kunst der Schreiberei zu treiben,
Hat angefangen Reime schreiben.
Das will ihm doch nicht gleich anstehen,
Und möchte ihm wohl also ergehen,
Wie einmal einem Schuster geschah/)
Da er eines Malers Bild ansah,
Das er hatte an die Sonne gestellt,
Sprach er: Das Bild mir wohl gefällt,
Allein die Schuhe sind ungestalt (mißgestaltet).
Der Meister, der solches hatte gemalt,
Da er das in der Stille (heimlich) vernahm,
Den Mangel er dem Bilde benahm,
Lehnte das alsbald an die vorige Wand (an dieselbe Stelle).
Da kam den anderen Tag gerannt
Der Altreuse/) der es vorher hatte geseh'n,
Der macht sich breit und tut sich blüh'n.
Und als er aber sah das Eemälh
Redet er: „Es hat noch einen Fehl (Fehler),
Am Rock die Falten sind nicht recht,
Die eine ist krumm, die andre schlecht" (gerade).
Der Maler hört's und sprach zum Schuster:
„Das ist mir doch ein seltsam Muster,
Z Ungewöhnliches wird angestaunt.
?) Ellen d. i. ein wenig.
3) understen, unternehmen, zustande bringen.
r) Plinius erzählt die Geschichte von Apelles; sie gab Veranlassung zu der Redens-
art: „Schuster, bleib bei deinem Leisten".
Z Altriuze, Schuhflicker, Schuster. Lerer, 2, 476.
Viertes Kapitel. Reime.
Als er mir das Obgemeldete gegeben hatte, da schickte er mir
durch Herrn Wilibald Pirkheimer das nachfolgende Gedicht:
Wiewohl viel Sachen sich begeben,
Die unser Gewohnheit widerstreben
Und deshalb zu verwundern stehnL)
So mag ich doch nicht wohl umgehn,
Euch einen Handel zu entdecken,
Der Euch zum Lachen wird erwecken (anregen).
Und isbs darum also getan:
Ihr kennt ohne Zweifel einen Mann,
Hat krauses Haar und einen Bart,
Der ist aus angeborener Art
Ein Maler je und allweg gewesen.
Und darum daß er schreiben und lesen
Zwei Ellen und ein Viertel?) kann,
Vermeint er sich zu unterstahn, Z
Die Kunst der Schreiberei zu treiben,
Hat angefangen Reime schreiben.
Das will ihm doch nicht gleich anstehen,
Und möchte ihm wohl also ergehen,
Wie einmal einem Schuster geschah/)
Da er eines Malers Bild ansah,
Das er hatte an die Sonne gestellt,
Sprach er: Das Bild mir wohl gefällt,
Allein die Schuhe sind ungestalt (mißgestaltet).
Der Meister, der solches hatte gemalt,
Da er das in der Stille (heimlich) vernahm,
Den Mangel er dem Bilde benahm,
Lehnte das alsbald an die vorige Wand (an dieselbe Stelle).
Da kam den anderen Tag gerannt
Der Altreuse/) der es vorher hatte geseh'n,
Der macht sich breit und tut sich blüh'n.
Und als er aber sah das Eemälh
Redet er: „Es hat noch einen Fehl (Fehler),
Am Rock die Falten sind nicht recht,
Die eine ist krumm, die andre schlecht" (gerade).
Der Maler hört's und sprach zum Schuster:
„Das ist mir doch ein seltsam Muster,
Z Ungewöhnliches wird angestaunt.
?) Ellen d. i. ein wenig.
3) understen, unternehmen, zustande bringen.
r) Plinius erzählt die Geschichte von Apelles; sie gab Veranlassung zu der Redens-
art: „Schuster, bleib bei deinem Leisten".
Z Altriuze, Schuhflicker, Schuster. Lerer, 2, 476.