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Anhang. Auszüge aus den Lehrschriften.
Dieweil aber die der rechte Grund aller Malerei ist, habe ich
mir vorgenommen, allen kunstbegierigen Jungen einen Anfang zu
stellens und Ursache zu geben/) damit sie sich der Messung mittels
Zirkel und Richtscheit bedienen und daraus die rechte Wahrheit er-
kennen und vor Augen sehen mögen, damit sie nicht allein nach Künsten
begierig werden/) sondern auch zu einem rechten und größeren Ver-
stand (Verständnisse) kommen mögen, unangesehen (unbeirrt), daß
jetzt bei u n sch und in unseren Zeiten die Kunst der Malerei durch
etliche sehr verachtet und gesagt will werden, die diene zur Abgötterei.
Denn ein jeglicher Christenmensch wird durch Gemälde oder Bildnis
ebensowenig zu einem Afterglaubench gezogen als ein frommer
Mann zu einem Mord dadurch, daß er eine Waffe an seiner Seite
trägt. Das müßte wahrlich ein unverständiger Mensch sein, der
Gemälde, Holz oder Steinch anbeten wollte. Darum ein Gemälde
mehr Besserung denn Ärgernis bringt, wenn das ehrba r,ch künst-
lich und wohl gemacht ist.
i) d. i. eine Grundlage zu schaffen.
h d. i. Anleitung zu geben.
-h Lust und Liebe zur Kunst erhalten.
h Die Neuerung des 16. Jahrhunderts war der Kunst nicht förderlich. Es ist
einleuchtend, daß die Worte nicht bloß gegen die eigentlichen Bilderstürmer gerichtet
sind, sondern auch den Vater des Umsturzes treffen. Denn Luther brachte der bilden-
den Kunst kein Verständnis und kein Interesse entgegen. Der Wittenberger verliest
Rom, ohne auch nur oberflächlich von der Herrlichkeit jener perikleischen Kunstepoche
berührt worden zu sein. Die Schöpfungen Raffaels und Michelangelos sowie anderer
groster Meister machten nicht den geringsten Eindruck auf den Sachsen. Ja er schadete
der Kunst durch seine Lehren, namentlich durch seine Verwerfung der guten Werke.
In einer polemischen Schrift, der Luther glaubte, den Titel geben zu können: „Treue
Vermahnung zu allen Christen", hatte er im Jahre 1522 sich also geäußert: „Gib
nit mehr Geld zu Tafeln (Bildern, Schnitzwerken), Kirchen" (Erlanger Aus-
gabe, 22, 59). Und in einer „Predigt" der „Kirchenpostille" war er im gleichen Jahre
zu den geradezu Vandalismus fördernden Worten gelangt: „Es wäre besser, dast
man alle Kirchen und Stift in der Welt auswurzeln und zu Pulver
verbrennte, wäre auch weniger Sünde, obs auch jemand aus Frevel
tät." Nicht einmal das Kreuz, das Zeichen der Erlösung würde von dem abge-
fallenen Mönche geduldet. „Wenn mir eine mit dem Kreuze bezeichnete Fahne
oder auch das Bild des Gekreuzigten begegnete, ich würde nicht anders
davon eilen; als wenn der böse Feind selbst mich mit Zähnen verfolgte" (Passauer
„Monatsschrift", 4, 107).
°) zu einem falschen Glauben verleitet.
°) Kunstwerke aus Holz oder Stein.
h Dieses Wort hat eine Spitze. Denn die gemeinen und wahrhaft pöbelhaften
Karikaturen und Fratzenbilder, welche seit dem Beginne der Religionswirren in Unzahl
vertrieben wurden, und die insbesondere der Freund Luthers, Lukas Kranach, von
Wittenberg aus zu verbreiten begann, konnten nicht zur Besserung, sondern nur zur
Verwilderung des Volkes dienen.
Anhang. Auszüge aus den Lehrschriften.
Dieweil aber die der rechte Grund aller Malerei ist, habe ich
mir vorgenommen, allen kunstbegierigen Jungen einen Anfang zu
stellens und Ursache zu geben/) damit sie sich der Messung mittels
Zirkel und Richtscheit bedienen und daraus die rechte Wahrheit er-
kennen und vor Augen sehen mögen, damit sie nicht allein nach Künsten
begierig werden/) sondern auch zu einem rechten und größeren Ver-
stand (Verständnisse) kommen mögen, unangesehen (unbeirrt), daß
jetzt bei u n sch und in unseren Zeiten die Kunst der Malerei durch
etliche sehr verachtet und gesagt will werden, die diene zur Abgötterei.
Denn ein jeglicher Christenmensch wird durch Gemälde oder Bildnis
ebensowenig zu einem Afterglaubench gezogen als ein frommer
Mann zu einem Mord dadurch, daß er eine Waffe an seiner Seite
trägt. Das müßte wahrlich ein unverständiger Mensch sein, der
Gemälde, Holz oder Steinch anbeten wollte. Darum ein Gemälde
mehr Besserung denn Ärgernis bringt, wenn das ehrba r,ch künst-
lich und wohl gemacht ist.
i) d. i. eine Grundlage zu schaffen.
h d. i. Anleitung zu geben.
-h Lust und Liebe zur Kunst erhalten.
h Die Neuerung des 16. Jahrhunderts war der Kunst nicht förderlich. Es ist
einleuchtend, daß die Worte nicht bloß gegen die eigentlichen Bilderstürmer gerichtet
sind, sondern auch den Vater des Umsturzes treffen. Denn Luther brachte der bilden-
den Kunst kein Verständnis und kein Interesse entgegen. Der Wittenberger verliest
Rom, ohne auch nur oberflächlich von der Herrlichkeit jener perikleischen Kunstepoche
berührt worden zu sein. Die Schöpfungen Raffaels und Michelangelos sowie anderer
groster Meister machten nicht den geringsten Eindruck auf den Sachsen. Ja er schadete
der Kunst durch seine Lehren, namentlich durch seine Verwerfung der guten Werke.
In einer polemischen Schrift, der Luther glaubte, den Titel geben zu können: „Treue
Vermahnung zu allen Christen", hatte er im Jahre 1522 sich also geäußert: „Gib
nit mehr Geld zu Tafeln (Bildern, Schnitzwerken), Kirchen" (Erlanger Aus-
gabe, 22, 59). Und in einer „Predigt" der „Kirchenpostille" war er im gleichen Jahre
zu den geradezu Vandalismus fördernden Worten gelangt: „Es wäre besser, dast
man alle Kirchen und Stift in der Welt auswurzeln und zu Pulver
verbrennte, wäre auch weniger Sünde, obs auch jemand aus Frevel
tät." Nicht einmal das Kreuz, das Zeichen der Erlösung würde von dem abge-
fallenen Mönche geduldet. „Wenn mir eine mit dem Kreuze bezeichnete Fahne
oder auch das Bild des Gekreuzigten begegnete, ich würde nicht anders
davon eilen; als wenn der böse Feind selbst mich mit Zähnen verfolgte" (Passauer
„Monatsschrift", 4, 107).
°) zu einem falschen Glauben verleitet.
°) Kunstwerke aus Holz oder Stein.
h Dieses Wort hat eine Spitze. Denn die gemeinen und wahrhaft pöbelhaften
Karikaturen und Fratzenbilder, welche seit dem Beginne der Religionswirren in Unzahl
vertrieben wurden, und die insbesondere der Freund Luthers, Lukas Kranach, von
Wittenberg aus zu verbreiten begann, konnten nicht zur Besserung, sondern nur zur
Verwilderung des Volkes dienen.