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Einleitung

Die Studie versucht, in einem beschränkten zeitlichen Rahmen und topographisch eng ab-
gesteckten Raum, das Phänomen von Mediensynthesen im Sakralraum der frühen Neuzeit zu
beschreiben und zu analysieren, um so zu einer differenzierten Bewertung des Verhältnisses der
Medien und ihrer Diskursivität zu kommen. Erste Bildbeispiele aus den Jahren um 1400 wer-
den herangezogen, wenn mit Cennino Cennini, später dann Leon Battista Alberti und Lorenzo
Ghiberti der Beginn einer Reflexion über Kunst und Medien anzusetzen ist. Der historische
Endpunkt der Untersuchung ist mit Beginn der Gegenreformation erreicht, als veränderte Bild-
konzepte propagiert wurden. Mit der schriftlichen Fixierung der Paragone-Debatte in der Mitte
des Cinquecento hatten sich die Bewertungskategorien von Skulptur und Malerei in ihrem Ver-
hältnis zueinander endgültig verschoben.
Der topographische Schwerpunkt der Studie liegt in der Toskana und in Umbrien, wo die
jeweils größte Dichte an Mediensynthesen nachgewiesen werden konnte. Im toskanischen Fall
war die Ausgangslage besonders günstig, da dort anhand der schriftlich niedergelegten Kunst-
diskurse versucht werden konnte, Rezeptionsspuren der intermediären Altarbilder nachzuge-
hen, während die umbrischen Mediensynthesen vor allem eine Beschäftigung mit der bedeuten-
den Rolle der Franziskaner für die Konzeption neuer Bildformen erforderlich machten.
Die Fixierung der Forschung auf die kunsttheoretischen Äußerungen der frühen Neuzeit
über das - vor allem gemalte - Bild wird mit der vorliegenden Studie kritisch hinterfragt, stellen
doch intermediäre Altarbilder einen jenseits der schriftlichen Reflexion liegenden Nebenweg
dar, der sich zeitgleich zu dem flachgemalten, den Maßgaben der historia, unterworfenen Ein-
j tafelbild, der sogenannten pala, entwickeln konnte. Die prinzipielle Offenheit der Gattungs-
grenzen in der Frührenaissance und die Möglichkeiten der medialen Überschreitung sind hier
ebenso zu konstatieren wie die Begriffsverwirrung auf Seiten der Forschung, die oftmals nicht
scharf genug zwischen Termini wiepala und tavola in ihrer historischen Bedeutung unterschei-
det, was in der Vergangenheit oft zu Mißachtung und Ausblendung von medien- und gattungs-
überschreitenden Phänomenen geführt hat/
Die Untersuchung setzt bei der Frage nach der Kombination von Medien unter dem Aspekt
ihrer differenten Konnotation an, die sich grundlegend von den mittelalterlichen Schreinlösun-

spiele leistete das Siena-Projekt des Kunsthistori-
schen Instituts in Florenz in Kirchen von Siena
1985; Kirchen von Siena 1992 sowie Filieri 2001;
Filieri 2004; und für den hier weitgehend vernach-
lässigten venezianischen Bereich Humfrey 1983;
Humfrey 1985; Humfrey 1988; Humfrey 1991;
Humfrey 1993.
+ Dazu vgl. Humfrey 1993, S. 12, mit seiner Kritik an
Puppi 1983 und Puppi 1987; zu dem Problem der
Terminologie vgl. ausführlich das Kapitel »Begriffs-
geschichtliche Bemerkungen« der vorliegenden
Untersuchung.
5 Neben den zeitlich späteren nordalpinen Schnitzal-
tären, bei denen nicht immer streng zwischen zen-
traler plastischer imago und flachgemalten Beglei-
tern unterschieden wird, sondern skulpturale und
gemalte Partien an unterschiedlichen Stellen des
Altarbilds auftreten können, gibt es im 14. Jahrhun-
dert Werke des deutschen und alpinen Kulturkrei-
ses, die den frühen italienischen Marienschreinen

formal gleichen, wenn sie, zumeist mit verschließ-
baren Flügeln ausgestattet, ein plastisches Kultbild
umschließen: Genannt seien das Doberaner Hoch-
altarretabel, um 1300, als Beispiel der Schatzkunst
ein kleines Pariser Flügelretabel von 1316/22, das
Altenberger Retabel, um 1350, das Retabel von
Schloß Tirol, um 1370 sowie das Schottener Retabel
von 1380/90 (zu diesen vgl. Wolf 2001, S. 114, mit
weiterführender Literatur). Allerdings ist hier wie
auch bei den späteren Schnitzaltären zu konstatie-
ren, daß die zentrale imago bzw. die dargestellten
Heiligen oftmals kleiner - nicht annähernd lebens-
groß - als in den südlichen Beispielen sind. Einige
der nordalpinen Medienkombinationen, die formal
den hier zu untersuchenden italienischen Werken
nahestehen, entstanden zumeist zeitlich später. Bei-
spielhaft seien hier nur genannt: Hans Baldung
Griens und Hans Weiditz’ Rasenbankmadonna
(1512-1514) im Freiburger Münster, die vielfigu-
rige Kreuzigungsszene aus dem Umkreis des Hans
 
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