Walter Schürmeyer (Hieronymus Bosch, München
1923) schreibt in diesem Sinne: »Wieviel aber ver-
möchten — die Triptychen — erst denen zu sagen, denen
sie eine symbolische Veranschaulichung geläufiger Vor-
stellungsinhalte waren, die jede Anspielung zu
deuten wußten.«
Für das Zusammenwirken des Hochmeisters mit
dem Maler kann man noch eine andere Absicht an-
führen : Jacob dürfte Grund zu der Befürchtung gehabt
haben, daß das von ihm tradierte Wissen in den folgen-
den Jahrhunderten durch das Anwachsen der schon
damals spürbaren rationalistisch-materialistischen
Tendenzen verloren gehen würde. Bücher konn-
ten vergessen oder von Gegnern verbrannt werden.
Doch Kunstwerke von so hoher Schönheit genossen
durch ihre Qualität die Aufmerksamkeit und damit den
Schutz der Nachwelt. Man konnte darauf vertrauen,
daß die in die verborgene Weisheit Eingeweihten
schweigen würden, denn eine öffentliche Erklärung
wäre sowohl für die Gemälde als für den Sprecher ver-
hängnisvoll gewesen.
Der Hochmeister Jacob von Almaengien war, wie die
kirchlichen Eintragungen ausweisen, jüdischer Ab-
stammung. Das aber macht die ohnehin ungewöhn-
liche Tatsache der persönlichen Patenschaft des Lan-
desherrn in jenen Zeiten umso auffälliger. Es gibt dafür
keine plausiblere Erklärung als die, daß Herzog Philipp
der Schöne mit den Anschauungen von Jacob Almaen-
gien und Hieronymus Bosch bekannt war und durch
diesen offiziellen Akt vor der Kirche und der Bürger-
schaft seine Schirmherrschaft bekunden wollte. Und
darin wäre auch die Erklärung zu finden, warum Bosch
niemals von de» Inquisition behelligt wurde.
Etwas Ähnliches war schon im Jahre 13 in England
geschehen mit der offiziellen Stiftung des Hosenband-
ordens. Das Strumpfband, das das Edelfräulein beim
Tanz mit dem König verlor, war damals bereits das
Abzeichen eines Geheimordens, in dem die vor-
römische christliche Strömung lebte. (Bekanntlich
hatte in Irland und Schottland schon in den frühesten
Zeiten des Christentums eine eigenständige christliche
Urkirche existiert, die bis ins hohe Mittelalter hinein
dem Papsttum ein starkes Unabhängigkeitsbewußtsein
entgegenstellte.) Um die Tänzerin, die durch diesen
Vorfall als »Ketzerin« bloßgestellt war, und die ganze
Bewegung vor der kirchlichen Verfolgung zu schützen,
befestigte Eduard III. das Band an seinem Knie mit den
bekannten Worten »Honi soit qui mal y pense« und
stellte damit den Orden vor aller Welt unter den
Schutz des Königs. Wir haben Grund zu der Annahme,
daß Jacob von Almaengien ein Ritter des Hosenband-
ordens war, was wiederum einen Aufenthalt in England
voraussetzt.
Wir werden darauf noch zurückkommen.5
Humanistische Organisationen, Akademien und Ge-
heimgesellschaften mit philanthropischen Zielsetzungen
gehören zu den Eigentümlichkeiten der Renaissance-
Zeit; ihnen anzugehören ist seitdem an den europäi-
schen Fürstenhöfen nichts Ungewöhnliches.6 Man
kann diese Zusammenschlüsse innerhalb einer kultu-
rellen und sozialen Oberschicht als die Vorläufer der
mit dem 18. Jahrhundert auftretenden Logen ansehen,
zu deren bekanntesten fürstlichen Förderern in
Deutschland Friedrich der Große und Carl August von
Sachsen-Weimar gehörten. Jedoch darf man jene sehr
unterschiedlich zu bewertenden Geheimbünde nicht
einfach den nur wenigen, in der Stille wirkenden
Rosenkreuzern gleichsetzen; als einen ihrer Vertreter in
den Niederlanden sehen wir Jacob von Almaengien an.
Es hätte aber kein Hindernis gegeben, daß der Hoch-
meister den Herzog, wenn er diesen für reif er-
achtete, in die Esoterik der Rosenkreuzer einführte.
Von hier aus könnte sich auch ein anderes Rätsel
lösen. Es hat von jeher Verwunderung erregt, daß
später König Philipp II. ein so lebhaftes Interesse für
Bosch bekundete. Hatte er doch eigens einen kirch-
lichen Würdenträger seines Hofes durch die euro-
päischen Länder geschickt, um die Werke des Malers,
wo immer ihrer habhaft zu werden war, zu erwerben.
Soweit heute nachprüfbar, befanden sich etwa dreißig
Gemälde Bosch’s im Besitz des Königs. (Gegenwärtig
händige Arbeiten von Bosch angesehen). Die Tat-
sache, daß mehrere Gemälde in seinen Privaträumen
Aufstellung fanden, spricht gegen die naheliegende
Vermutung, der mächtige Schutzherr der spanischen
Inquisition habe Bosch’s Bilder, deren häretische In-
halte ihm ersichtlich sein mußten, durch ihr Aufkäufen
»unschädlich« machen wollen. Dann wäre doch nor-
malerweise ihr Platz, wenn schon nicht auf dem
Scheiterhaufen, so doch zumindest in einem abgelege-
nen Magazin gewesen, wohin sie von späteren Ge-
schlechtern auch wirklich verbannt wurden, wie Carl
Justi 1889 berichtete.
Auch Philipp II. hatte vermutlich Einblick in die
Rosenkreuzer-Lehren. Er war der Enkel Philipps des
Schönen von Burgund und Sohn Kaiser Karls V. Schon
dieser hatte Bosch-Bilder erworben. Philipp II. konnte
wissen, daß bestimmte Lehren, die der Klerus aus
hirtenamtlichen Erwägungen der breiten Masse strikt
vorenthielt oder sogar schärfstem bekämpfte, darum
nicht falsch und unchristlich sein mußten. Dafür
spräche auch der sonderbare Umstand, daß unter den
Apologeten Bosch’s im 17. und 18. Jahrhundert an
erster Stelle Geistliche stehen. Wie tief Hieronymus
Bosch verstanden wurde, zeigen die von Carl Justi7
formulierten Argumente eines spanischen Priors des
18. Jahrhunderts: »Die Werke dieses Erfinders der
allegorisch-figurierten Malereien seien unter dem
1923) schreibt in diesem Sinne: »Wieviel aber ver-
möchten — die Triptychen — erst denen zu sagen, denen
sie eine symbolische Veranschaulichung geläufiger Vor-
stellungsinhalte waren, die jede Anspielung zu
deuten wußten.«
Für das Zusammenwirken des Hochmeisters mit
dem Maler kann man noch eine andere Absicht an-
führen : Jacob dürfte Grund zu der Befürchtung gehabt
haben, daß das von ihm tradierte Wissen in den folgen-
den Jahrhunderten durch das Anwachsen der schon
damals spürbaren rationalistisch-materialistischen
Tendenzen verloren gehen würde. Bücher konn-
ten vergessen oder von Gegnern verbrannt werden.
Doch Kunstwerke von so hoher Schönheit genossen
durch ihre Qualität die Aufmerksamkeit und damit den
Schutz der Nachwelt. Man konnte darauf vertrauen,
daß die in die verborgene Weisheit Eingeweihten
schweigen würden, denn eine öffentliche Erklärung
wäre sowohl für die Gemälde als für den Sprecher ver-
hängnisvoll gewesen.
Der Hochmeister Jacob von Almaengien war, wie die
kirchlichen Eintragungen ausweisen, jüdischer Ab-
stammung. Das aber macht die ohnehin ungewöhn-
liche Tatsache der persönlichen Patenschaft des Lan-
desherrn in jenen Zeiten umso auffälliger. Es gibt dafür
keine plausiblere Erklärung als die, daß Herzog Philipp
der Schöne mit den Anschauungen von Jacob Almaen-
gien und Hieronymus Bosch bekannt war und durch
diesen offiziellen Akt vor der Kirche und der Bürger-
schaft seine Schirmherrschaft bekunden wollte. Und
darin wäre auch die Erklärung zu finden, warum Bosch
niemals von de» Inquisition behelligt wurde.
Etwas Ähnliches war schon im Jahre 13 in England
geschehen mit der offiziellen Stiftung des Hosenband-
ordens. Das Strumpfband, das das Edelfräulein beim
Tanz mit dem König verlor, war damals bereits das
Abzeichen eines Geheimordens, in dem die vor-
römische christliche Strömung lebte. (Bekanntlich
hatte in Irland und Schottland schon in den frühesten
Zeiten des Christentums eine eigenständige christliche
Urkirche existiert, die bis ins hohe Mittelalter hinein
dem Papsttum ein starkes Unabhängigkeitsbewußtsein
entgegenstellte.) Um die Tänzerin, die durch diesen
Vorfall als »Ketzerin« bloßgestellt war, und die ganze
Bewegung vor der kirchlichen Verfolgung zu schützen,
befestigte Eduard III. das Band an seinem Knie mit den
bekannten Worten »Honi soit qui mal y pense« und
stellte damit den Orden vor aller Welt unter den
Schutz des Königs. Wir haben Grund zu der Annahme,
daß Jacob von Almaengien ein Ritter des Hosenband-
ordens war, was wiederum einen Aufenthalt in England
voraussetzt.
Wir werden darauf noch zurückkommen.5
Humanistische Organisationen, Akademien und Ge-
heimgesellschaften mit philanthropischen Zielsetzungen
gehören zu den Eigentümlichkeiten der Renaissance-
Zeit; ihnen anzugehören ist seitdem an den europäi-
schen Fürstenhöfen nichts Ungewöhnliches.6 Man
kann diese Zusammenschlüsse innerhalb einer kultu-
rellen und sozialen Oberschicht als die Vorläufer der
mit dem 18. Jahrhundert auftretenden Logen ansehen,
zu deren bekanntesten fürstlichen Förderern in
Deutschland Friedrich der Große und Carl August von
Sachsen-Weimar gehörten. Jedoch darf man jene sehr
unterschiedlich zu bewertenden Geheimbünde nicht
einfach den nur wenigen, in der Stille wirkenden
Rosenkreuzern gleichsetzen; als einen ihrer Vertreter in
den Niederlanden sehen wir Jacob von Almaengien an.
Es hätte aber kein Hindernis gegeben, daß der Hoch-
meister den Herzog, wenn er diesen für reif er-
achtete, in die Esoterik der Rosenkreuzer einführte.
Von hier aus könnte sich auch ein anderes Rätsel
lösen. Es hat von jeher Verwunderung erregt, daß
später König Philipp II. ein so lebhaftes Interesse für
Bosch bekundete. Hatte er doch eigens einen kirch-
lichen Würdenträger seines Hofes durch die euro-
päischen Länder geschickt, um die Werke des Malers,
wo immer ihrer habhaft zu werden war, zu erwerben.
Soweit heute nachprüfbar, befanden sich etwa dreißig
Gemälde Bosch’s im Besitz des Königs. (Gegenwärtig
händige Arbeiten von Bosch angesehen). Die Tat-
sache, daß mehrere Gemälde in seinen Privaträumen
Aufstellung fanden, spricht gegen die naheliegende
Vermutung, der mächtige Schutzherr der spanischen
Inquisition habe Bosch’s Bilder, deren häretische In-
halte ihm ersichtlich sein mußten, durch ihr Aufkäufen
»unschädlich« machen wollen. Dann wäre doch nor-
malerweise ihr Platz, wenn schon nicht auf dem
Scheiterhaufen, so doch zumindest in einem abgelege-
nen Magazin gewesen, wohin sie von späteren Ge-
schlechtern auch wirklich verbannt wurden, wie Carl
Justi 1889 berichtete.
Auch Philipp II. hatte vermutlich Einblick in die
Rosenkreuzer-Lehren. Er war der Enkel Philipps des
Schönen von Burgund und Sohn Kaiser Karls V. Schon
dieser hatte Bosch-Bilder erworben. Philipp II. konnte
wissen, daß bestimmte Lehren, die der Klerus aus
hirtenamtlichen Erwägungen der breiten Masse strikt
vorenthielt oder sogar schärfstem bekämpfte, darum
nicht falsch und unchristlich sein mußten. Dafür
spräche auch der sonderbare Umstand, daß unter den
Apologeten Bosch’s im 17. und 18. Jahrhundert an
erster Stelle Geistliche stehen. Wie tief Hieronymus
Bosch verstanden wurde, zeigen die von Carl Justi7
formulierten Argumente eines spanischen Priors des
18. Jahrhunderts: »Die Werke dieses Erfinders der
allegorisch-figurierten Malereien seien unter dem