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Wertheim Aymès, Clément Antoine; Bosch, Hieronymus
Hieronymus Bosch: eine Einführung in seine geheime Symbolik ; dargestellt am "Garten der himmlischen Freuden", am Heuwagen-Triptychon, am Lissaboner Altar und an Motiven aus anderen Werken — Berlin, 1957

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https://doi.org/10.11588/diglit.29111#0027
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Abb. 8. Hieronymus Bosch Wien, Albertina.

Studie zum »Baummenschen« des Purgatoriums.

sollten, schaukeln jetzt Kähne, steuerlos und ohne
Segel, auf den Wellen eines imaginativen Gewässers,
das hie und da durch Seelenkälte und Verstandesfrost
zugefroren ist.

Das Motiv des verholzten Körpers linden wir bei
Bosch sehr häufig. So hat er z.B. auf der »Versuchung
des hl. Antonius« in Madrid (Prado) und auf dem
Christophorus-Bild in Rotterdam (Boymans-Museum)
den Leib des Menschen mit einem verdorrenden
Baum verglichen. (Abb. 9 und 10).

Das Bewußtsein des modernen Menschen mußte be-
zahlt werden mit dem Schwinden von Lebenskräften,
die früher viel stärker vorhanden waren. Wir müssen
immer im Auge behalten, daß hier Imaginationen ge-
geben werden, und zwar vom Standpunkt des Ver-
storbenen, der sich im Fegefeuer selber von außen
sieht. Vor allen Dingen sind es jetzt seine negativen
Taten und Eigenschaften, auf die er stößt. Ferner ist
zu beachten, daß mit dem Baummenschen — und nur
mit ihm — eine sogar hoch entwickelte Individualität
gemeint ist. Darauf deutet das — nur scheinbar zufälli-
ge — Schleifenband an seinem »Bein«. Es ist das Sig-
num des Hosenbandordens, das Bosch auch in anderen
Bildern im gleichen Sinne wiedergibt. Die eigenarti-

gen Umstände der Ordens-Stiftung haben wir bereits
erwähnt (S. 12).

Das Negative, das im Kopfe des - für das neuzeit-
liche Diesseitsdenken repräsentativen - Baum-Men-
schen herumgeht, wird als der LImzug von vier Dämo-
nen auf der runden Scheibe über seiner Stirn darge-
stellt. Dreimal erscheint eine nackte Gestalt. Es ist
jedesmal die gleiche — als Bildzeichen für den hüllenlo-
sen Wesenskern, das Ich des Menschen, das hier von
Gegenmächten gegängelt wird.

Der erste Dämon an der vorderen Kante, der die
nackte Gestalt zeitweilig in seine Nachfolge gezwun-
gen hat, ist der Spottvogel, der den Menschen manchen
Unfug treiben läßt und ihn dann um den tieferen Sinn
des Lebens betrügt. Der zweite Dämon links hinter
ihm trägt als Umhang eine Geldbörse, wie sie damals
in Gebrauch war. Damit will der Maler sagen, daß
das Geld, wie hoch der Mensch auch während des
Erdenlebens stand, eine Rolle in seinen Gedanken
spielte, genau so wie das weibliche Geschlecht,das
hier durch eine aufgeputzte Frauengestalt vertreten ist.
Der aufgerichtete Bär im Hintergrund des Gedanken-
Mühlsteines ist ein Bild für den Jähzorn.

Jähzorn flammt meist dann auf, wenn die Seele sich
nicht imstande fühlt, Widerstände der Erdenschwere zu
überwinden. Der Bär verbildlicht (wenn er auf den Hin-
terfüßen steht) den Jähzorn und (wenn er in der
gewöhnlichen horizontalen Tierlage erscheint) die
Erdenschwere (vgl. Abb. 47).

So durchsetzen alle diese Wesen das Gedankenleben
des Menschen, und das sogar bei einem der Aller-
besten. Je weiter die geistige Entwicklung der Men-
schenfortschreitet, umso stärker drängen sich Wider-
sachermächte an ihn heran.

Abb. 9. Hieronymus Bosch Der hl. Antonius (Ausschnitt)

Madrid, Museo Prado

Links wird der Inhalt eines Kruges von Dämonen verschüttet. —
Der abgestorbene hohle Baum, der den Leib des Heiligen
umschließt, bildet eine Variante der Baummensch-Imagination.

2o

Farbtajel I
 
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