Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Wischermann, Heinfried; Wischermann, Heinfried [Hrsg.]
Berichte und Forschungen zur Kunstgeschichte (Band 19): "Milites Orantes": Überlegungen zur Form und zur Deutung der Gebetshaltung mittelalterlicher Ritter auf ihren Grabdenkmälern — Freiburg i. Br.: Heinfried Wischermann, 2024

DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.70526#0006
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
2

sowie chronologisch geordnet worden. Die Ritter tragen auf ihren Grabdenkmälern meist ihre
Rüstung als Berufs- und Standeskleidung. Am deutlichsten unterscheiden sie sich in dem, was
sie mit ihren Armen und Händen anstellen: Sie fuhren ihre Waffen (Lanze, Schwert, Dolch,
Sireithammer) und ihre Schutzkleidung (Rüstung, Schild und Helm) vor, sie halten Fahnen,
zeigen Orden und Wappen und tragen gelegentlich als Stifter ein Kirchenmodell. Manchmal
aber „beten“ sie in der Rüstung des Berufskriegers, indem sie ihre Arme und Hände zusam-
menfÜgen. Es wäre eine lohnende Aufgabe für einen Kirchenhistoriker, zu verfolgen, wie die
Nachkommen der „raubeinigen und abergläubischen Raufbolde der Völkerwanderungszeit“10
in der Stauferzeit endgültig „verhöflicht“* 11 wurden. Erst nach dieser langwierigen Erziehung
und Bildung wurden sie nach 1250 auch noch „verfrommt“. Wahrscheinlich waren es die
Ehefrauen, die in Flandern schon um 1200 - Grabmal der 1194 gestorbenen Gräfin Margueri-
te d’Alsace in der Kathedrale von Brügge12 - betend auf Grabdenkmälern erschienen, die ihre
Männer mit Hilfe der Burgkapläne zu „betenden Rittern“ oder „milites Christi“13 machten.
Die Ehefrauen14 dürften mehr Einfluß gehabt haben als cluniazensische Wandermönche oder
benachbarte Kleriker13. „Betende Frauen“ auf Grabsteinen sind in Deutschland viel häufiger
als ihre Ehemänner, und sie sind schon seit 1230/40 nachweisbar.16
Bedenkt man die Zahl von Professoren, die sich den historischen Fächern der katholischen
Theologie (Religionsgeschichte, Patristik, Kirchengeschichte, Liturgiegeschichte, Christliche
Archäologie u. a.) widmen, dann ist es erstaunlich, daß es keine umfassende Geschichte und
keine vollständigen Listen der lateinischen Benennungen und der mittelalterlichen Bildfolgen
von Gebetshaltungen gibt. Auch fehlt besonders eine durch zeitgenössische Textquellen ge-
stützte Deutung aller Gebetshaltungen auf den Grabsteinen mittelalterlicher Gläubiger.
II.
Als „Bildquellen“ mit Begleittexten, mit deren Hilfe man versuchen kann, die auf Ritter-
grabdenkmälern nachweisbaren „Gebetshaltungen“ zu benennen, stehen fünf Bilderfolgen
(A-E) zur Verfügung:
A
Die älteste illustrierte Abhandlung über christliche Händehaltungen hat den Titel „De oratio-
ne et speciebus illius“ und stammt nach Richard C. Trexler17 von Petrus Cantor (1130-
1197), einem Leiter der Pariser Domschule. Dieser hat um 1170 sieben „modi orandi“ be-

111 Jan Ulrich Keupp, Verhöflichte Krieger? Überlegungen zum Prozeß der Zivilisation’ am stauferzeitlichen
Hof, in: Johannes Laudage (1959-2008)/Yvonne Leiverkus (Hg.), Rittertum und höfische Kultur der Stauferzeit
(Tagung Düsseldorf 2005; Europäische Geschichtsdarstellungen 12), Köln u. a. 2006,217-245,226.
11 Sabine Krüger, „Verhöllichter Krieger“ und miles illiteratus, in: Fieckenstein (Hg.), Curialitas 1990, 326-349.
12 Kurt Bauch, Das mittelalterliche Grabbild-Figürliche Grabmäler des 11. bis 15. Jahrhunderts in Europa,
Berlin-New York 1976, Abb. 41.
13 Stephan Selzer, Die Zivilisierung der Krieger, in: Damals 35 (2003) H. 4, 14-21.
14 Werner Rösener, Die höfische Frau im Hochmittelalter, in: Fleckenstein (Hg.), Curialitas 1990,171 ff., 179,
199,206,211,225,228.
15 Josef Fleckenstein, Miles und clericus am Königs- und Fürstenhof-Bemerkungen zu den Voraussetzungen,
zur Entstehung und zur Trägerschafl der höfisch-ritterlichen Kultur, in: Fleckenstein (Hg.), Curialitas 1990, 302-
325,310, 323 f.
16 Christiane Greska, Studien zu Form und Funktion figürlicher Frauengrabmäler des Mittelalters in Deutschland
(Diss. München 1995), München 1996, 99-105, Abb. 13, 24, 32, 35 ff.
17 Richarde. Trexler (1932-2007), Legitimating prayer gestures in the twelfth Century - The De Penitentia of
Peter the Chanter, in: History and Anthropology 1 (1984) 97-126; Ders., The Christian at Prayer - An illustrated
prayer manual attributed to Peter the Chanter (d. 1197), (Medieval and Renaissance texts and studies 44), Bin-
ghamton-New York 1987,182,183,184, 187,188, 190, 191.
 
Annotationen