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können. Besonders der Abschnitt I in Kapitel B82, in dem acht „Liturgische Körperhaltungen“
besprochen werden, verbindet vorbildlich die Benennung der Textquellen zu diesen Haltun-
gen mit Deutungsvorschlägen.
Eine fast ideale Dokumentation der mittelalterlichen Grabdenkmäler eines bestimmten Ge-
bietes und einer bestimmten Zeit hat ebenfalls ein Historiker geliefert - und zwar als „Cor-
pus“, das alle existierenden und dokumentierbaren Monumente in einem bestimmten Gebiet
lückenlos erfaßt: die Arbeit von Klaus Krüger83 von 1999. Auf 1196 Seiten hat er die Se-
pulkralskulptur von Lübeck, Schleswig, Holstein und Lauenburg von 1100 bis 1600 inventa-
risiert. Der schon vergriffene Band hat zwei Mängel, die man mit einem Zusatzband beseiti-
gen könnte. Dieser sollte jedes im Katalog behandelte Grabmal abbilden - 64 Abbildungen
für über tausend Objekte sind arg wenig was für den typen- und motivkundlich interessier-
ten Grabmalforscher sehr hilfreich sein würde. Und die drei alphabetischen Verzeichnisse von
Namen sollten um Verzeichnisse von Berufen und Ständen, von Typen und Motiven sowie
der lateinischen Zitate ergänzt werden. Für den vollständigen Nachweis von Grabfiguren „be-
tender Ritter“ müßte ich 1165 Katalognummcm auf gut 754 Seiten aufmerksam durchsehen.
Auf den ersten 100 Seiten fand ich nur 24 Ritter, in der Mehrzahl „Betende“, aber leider spä-
te. Die Seltenheit von frühen Ritter-Grabmälern im Hohen Norden kann meinen Verzicht auf
eine Gesamtdurchsicht des Bandes rechtfertigen.
VII.
Vor einer chronologisch geordneten Vorstellung der auf den Grabmälem „betender“ Ritter
vorkommenden Kombinationen von Körperhaltung, Armen und Händen sollte ich erklären,
warum ich hierbei den in der kunstwissenschaftlichen Literatur beliebten Begriffen „Geste“
und „Gebärde“ den Begriff „Haltung“ vorziehe. Geste und Gebärde werden häufig als Syno-
nyma verwendet, aber sie sind keine. Sie haben nur gemeinsam, daß beide mit Bewegungen
der Anne, Hände und Finger zu tun haben. Die Durchsicht der Dissertation des Archäologen
Gerhard Neumann (1931-2000)84, des Bildbandes des Malers und Schriftstellers Heinz De-
misch (1913-2000)85 und der Dissertation des Kunsthistorikers Marcus Mrass86 von 1996 er-
möglicht drei einfache Definitionen: Die Geste ist eine Möglichkeit der „nonverbalen Kom-
munikation“, die meist eine mündliche Mitteilung an einen Adressaten begleitet, ergänzt oder
bekräftigt. Sie wird fast immer als wiederholbare Bewegung einzelner Finger, der ganzen
Hand oder des ganzen Arms ausgeführt. Die Gebärde ist dagegen die spontane Verkörperung
eines inneren Zustands durch eine Bewegung der genannten Körperteile. Sie ist meist der
Ausdruck einer Emotion, des Befindens eines Menschen in einer bestimmten Situation. Sie
braucht nicht unbedingt einen Adressaten. Die Haltung der Arme, Hände und Finger beim
Gebet ist stets Ausdruck von Ruhe und Einkehr. Sie ist eine für eine bestimmte Dauer einge-
nommene Position der Finger, Hände und Arme, die den meist stehenden oder knienden
Gläubigen beim Versuch der Kontaktaufnahme mit einem heiligen oder göttlichen Gegenüber
unterstützt. Still widmen sich diese der Verehrung, der Anbetung, der Bitte um Fürbitte, der
Danksagung oder der Buße.
82 Suntrup 1978, 122-181.
83 Klaus Krüger, Corpus der mittelalterlichen Grabdenkmäler in Lübeck, Schleswig, Holstein und Lauenburg
(1100-1600), (Diss. Kiel 1993; Kieler Historische Studien 40), Stuttgart 1999.
84 Gerhard Neumann, Gesten und Gebärden in der griechischen Kunst (Diss. Tübingen 1965), Berlin 1965.
85 Heinz Demisch, Erhobene Hände - Geschichte einer Gebärde in der bildenden Kunst, Stuttgart 1984.
86 Marcus Mrass, Gesten und Gebärden - Begriffsbestimmung und -Verwendung in Hinblick auf kunsthistorische
Untersuchungen (Diss. Bonn 1996), Regensburg 2005.
können. Besonders der Abschnitt I in Kapitel B82, in dem acht „Liturgische Körperhaltungen“
besprochen werden, verbindet vorbildlich die Benennung der Textquellen zu diesen Haltun-
gen mit Deutungsvorschlägen.
Eine fast ideale Dokumentation der mittelalterlichen Grabdenkmäler eines bestimmten Ge-
bietes und einer bestimmten Zeit hat ebenfalls ein Historiker geliefert - und zwar als „Cor-
pus“, das alle existierenden und dokumentierbaren Monumente in einem bestimmten Gebiet
lückenlos erfaßt: die Arbeit von Klaus Krüger83 von 1999. Auf 1196 Seiten hat er die Se-
pulkralskulptur von Lübeck, Schleswig, Holstein und Lauenburg von 1100 bis 1600 inventa-
risiert. Der schon vergriffene Band hat zwei Mängel, die man mit einem Zusatzband beseiti-
gen könnte. Dieser sollte jedes im Katalog behandelte Grabmal abbilden - 64 Abbildungen
für über tausend Objekte sind arg wenig was für den typen- und motivkundlich interessier-
ten Grabmalforscher sehr hilfreich sein würde. Und die drei alphabetischen Verzeichnisse von
Namen sollten um Verzeichnisse von Berufen und Ständen, von Typen und Motiven sowie
der lateinischen Zitate ergänzt werden. Für den vollständigen Nachweis von Grabfiguren „be-
tender Ritter“ müßte ich 1165 Katalognummcm auf gut 754 Seiten aufmerksam durchsehen.
Auf den ersten 100 Seiten fand ich nur 24 Ritter, in der Mehrzahl „Betende“, aber leider spä-
te. Die Seltenheit von frühen Ritter-Grabmälern im Hohen Norden kann meinen Verzicht auf
eine Gesamtdurchsicht des Bandes rechtfertigen.
VII.
Vor einer chronologisch geordneten Vorstellung der auf den Grabmälem „betender“ Ritter
vorkommenden Kombinationen von Körperhaltung, Armen und Händen sollte ich erklären,
warum ich hierbei den in der kunstwissenschaftlichen Literatur beliebten Begriffen „Geste“
und „Gebärde“ den Begriff „Haltung“ vorziehe. Geste und Gebärde werden häufig als Syno-
nyma verwendet, aber sie sind keine. Sie haben nur gemeinsam, daß beide mit Bewegungen
der Anne, Hände und Finger zu tun haben. Die Durchsicht der Dissertation des Archäologen
Gerhard Neumann (1931-2000)84, des Bildbandes des Malers und Schriftstellers Heinz De-
misch (1913-2000)85 und der Dissertation des Kunsthistorikers Marcus Mrass86 von 1996 er-
möglicht drei einfache Definitionen: Die Geste ist eine Möglichkeit der „nonverbalen Kom-
munikation“, die meist eine mündliche Mitteilung an einen Adressaten begleitet, ergänzt oder
bekräftigt. Sie wird fast immer als wiederholbare Bewegung einzelner Finger, der ganzen
Hand oder des ganzen Arms ausgeführt. Die Gebärde ist dagegen die spontane Verkörperung
eines inneren Zustands durch eine Bewegung der genannten Körperteile. Sie ist meist der
Ausdruck einer Emotion, des Befindens eines Menschen in einer bestimmten Situation. Sie
braucht nicht unbedingt einen Adressaten. Die Haltung der Arme, Hände und Finger beim
Gebet ist stets Ausdruck von Ruhe und Einkehr. Sie ist eine für eine bestimmte Dauer einge-
nommene Position der Finger, Hände und Arme, die den meist stehenden oder knienden
Gläubigen beim Versuch der Kontaktaufnahme mit einem heiligen oder göttlichen Gegenüber
unterstützt. Still widmen sich diese der Verehrung, der Anbetung, der Bitte um Fürbitte, der
Danksagung oder der Buße.
82 Suntrup 1978, 122-181.
83 Klaus Krüger, Corpus der mittelalterlichen Grabdenkmäler in Lübeck, Schleswig, Holstein und Lauenburg
(1100-1600), (Diss. Kiel 1993; Kieler Historische Studien 40), Stuttgart 1999.
84 Gerhard Neumann, Gesten und Gebärden in der griechischen Kunst (Diss. Tübingen 1965), Berlin 1965.
85 Heinz Demisch, Erhobene Hände - Geschichte einer Gebärde in der bildenden Kunst, Stuttgart 1984.
86 Marcus Mrass, Gesten und Gebärden - Begriffsbestimmung und -Verwendung in Hinblick auf kunsthistorische
Untersuchungen (Diss. Bonn 1996), Regensburg 2005.