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Wischermann, Heinfried; Wischermann, Heinfried [Hrsg.]
Berichte und Forschungen zur Kunstgeschichte (Band 19): "Milites Orantes": Überlegungen zur Form und zur Deutung der Gebetshaltung mittelalterlicher Ritter auf ihren Grabdenkmälern — Freiburg i. Br.: Heinfried Wischermann, 2024

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https://doi.org/10.11588/diglit.70526#0022
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frommen Ritter beschäftigt haben muß: die Verteilung ihrer Standeszeichen und Waffen auf
der Deckplatte der Tumba. Der Schwalenberger verzichtete auf Lanze und Schild. Sein
Schwert ist auf seiner linken Hüfte an einem Wehrgehänge136 befestigt. Statt eines Ringelpan-
zers trägt er eine ungewöhnlich stoffreiche Gewandung: über einer halblangen Hose, einer
Bruech137, ein Hemd mit kurzen Ärmeln und eine Suckenie138 als hoch schließendes Gewand
mit Armschlitzen. Seine Hände berühren sich mit den Ballen und den Fingerspitzen.
Wie ungern Ritter sich von ihrem Werkzeug trennten, kann man an der Grabfigur des Gra-
fen Ulrich I. mit dem Daumen (f 1265)139 in der Stiftskirche in Stuttgart/BW sehen. Mit der
Linken hält er sein Schwert, die Rechte hat er auf sein Herz gelegt, was man als Ausdruck von
Ergebenheit, aber nicht als Gebetshaltung deuten kann. Die Mehrzahl der Ritter in der zweiten
Hälfte des 13. Jahrhunderts weist auf ihrem Grabstein Schwert und Wappenschild vor, die
Kirchen- oder Klosterstifter präsentieren zusätzlich ein Baumodell. Es dürfte sich lohnen, die
Gründe für die Erneuerung vieler Stiftergräber Jahrhunderte nach deren Tod zu ermitteln,
besonders weil wohl meist schlichte Bodenplatten wie in Maria Laach/RP für den Pfalzgrafen
Heinrich II. (t 1095)140 (Abb. 26) durch aufwendige Monumente mit dem Bild des Toten er-
setzt oder ergänzt wurden.
Im frühen 14. Jahrhundert begann die große Zeit der „betenden Ritter“. Nachdem das aus
Frankreich übernommene Wehrgehänge ihre Hände frei gemacht hatte, erschienen Ritter als
betende Ehemänner auf drei Doppeltumben: Graf Otto III. von Ravensberg (t 1305/6)141 in
Bielefeld/NW (Abb. 27) mit aufeinander liegenden Händen, Graf Eberhard II. von der Mark
(t 1308)142 in Fröndenberg/NW (Abb. 28) mit sich berührenden Fingerspitzen und Graf Hein-
rich II. von Arnsberg (f nach 1207)143 in Amsberg/NW (Abb. 29) posthum mit geschlossenen
Händen. Die damals übliche Schwert-Schild-Kombination am Gürtel tragen auch die Land-
grafen Heinrich d. J. (f 1298) / Heinrich d. Ä. (t 1308)144 und Otto I. (?) (f 1328)145 in Mar-
burg/HE (Abb. 30), deren endgültige Benennung ungeklärt ist.146 Verwandt mit ihnen sind die
Grafen Eberhard I. von Katzenelnbogen (t 1311 )147 in Kloster Eberbach/HE (Abb. 31), Gott-
fried von Bergheim (t 13 3 5)148 in der Stiftskirche von Bad Münstereifel/NW (Abb. 32), Alb-
recht von Hohenlohe (t 13 3 8)149 in Kloster Schöntal/BW (Abb. 33) sowie Otto Vl.(?) von
Weimar-Orlamünde (f 134O)150 in Kloster Himmelkron/BY (Abb. 34). Bei diesen vier Rittern
dürfte ihr Grabort die Wahl einer Gebetshaltung nahegelegt haben.

136 Zu Wehrgehenk oder Wehrgehänge vgl. Grimm, Deutsches Wörterbuch; nicht bei Kühnel 1992!
137 Kühnel 1992, 38.
138 Kühnel 1992,256.
135 Harald Schukraft, Die Grablcgen des Hauses Württemberg, Stuttgart 1989, 18, Abb. 4.
140 Eike Oellermann/Basilius Sandner, Das Stiftergrabmal und seine Geschichte, in: Emmanuel von Severus
(Hg.), Ecclesia Lacensis - Beiträge aus Anlass der Wiederbesiedlung der Abtei Maria Laach (Beiträge zur Ge-
schichte des alten Mönchtums, Suppl. 6), Münster 1993, 136-160, Abb. 2 und 1.
141 Bauch 1976, Abb. 177; Böhm 1993, 119-129, Abb. 40.
142 Luckhardt 1982,467-470; Böhm 1993, 129-135, Abb. 44.
143 Böhm 1993, 135-140, Abb. 48.
144 Reitzenstein 1965, Abb. 1; Magirius 2002, 113, Abb. 29. Die beiden Heinriche hat Margret Lemberg [Die
Grablegen des hessischen Fürstenhauses (Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Hessen 71),
Marburg 2010, Abb. 15] als das Ehepaar Johann von Niederhessen und Adelheit von Braunschweig identifiziert.
145 Reitzenstein 1965, Abb. 2; Magirius 2002, Abb. 30.
146 Kirsten Dohmen, Hamanns Rittergrabmäler- Rezeption und Transformation eines französischen Typs, Diss.
Trier 2000; Lemberg 2010.
147 Reitzenstein 1965, Abb. 5; DI 43 (1997) Nr. 21.
148 Reitzenstein 1965, Abb. 6; Schmitz-Ehmke (1925-2007), Die Bau- und Kunstdenkmäler des Kreises Euskir-
chen - 1: Stadt Bad Münstereifel, Berlin 1985,40fi, Abb. 129-139.
149 Reitzenstein 1965, Abb. 8.
150 Carl H. F. Chlodwig von Reitzenstein, Regesten der Grafen von Orlamünde, Bayreuth 1871, Taf. 3; Helmuth
Meißner, Stiftskirche, ehemaliges Kloster und Schloß Himmelkron (Grosse Baudenkmäler 245), München-
Berlin 1970, Abb. S. 13.
 
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