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Wischermann, Heinfried; Wischermann, Heinfried [Editor]
Berichte und Forschungen zur Kunstgeschichte (Band 19): "Milites Orantes": Überlegungen zur Form und zur Deutung der Gebetshaltung mittelalterlicher Ritter auf ihren Grabdenkmälern — Freiburg i. Br.: Heinfried Wischermann, 2024

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https://doi.org/10.11588/diglit.70526#0028
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Forderungen ein. Zur Schwert!eite196 trat regelmäßig die Schwertweihe197 oder Waffenseg-
nung, wofür zuerst eine Aufhebung des 6. Gebots und eine Rechtfertigung der Ermordung
unzähliger „Ungläubiger“ gefunden werden mußte. Zum Ritterschlag trat die Ritterweihe198
mit Gottesdienst, Weihrauch und Gebeten.
Eine einzigartige Möglichkeit, sich als „miles christianus“199 zu beweisen, boten die Kreuz-
züge. Mit dem ersten von 1095/96, dem eine jahrelange Planung vorangegangen sein muß,
begann eine intensive Zusammenarbeit der europäischen Ritterschaft und der katholischen
Kirche. Um die ersten Kreuzzüge200 durchführen zu können, mußten die Päpste unzählige
Berufskrieger gewinnen, die nicht nur bereit waren, lange Zeit ihre Heimat und ihre Familie
zu verlassen, sondern die die logistischen Fähigkeiten hatten, riesige Massen zu sammeln, zu
ordnen, zu transportieren, zu ernähren, einsatzfähig zu machen. Selbst die abenteuerlustigsten
Waffenträger lockte kaum irdischer Lohn in der Form von Edelmetall oder Ländereien. Aus-
schlaggebend für alle Teilnehmer war vor allem das Versprechen außerirdischen Lohns durch
die kirchlichen Werber: Ihre Mitgliedschaft und ihr Einsatz in der „Militia Christi“201 muß für
die waffenstarrenden Ritter einen ähnlichen Wert gehabt haben wie die Bitten um Fürbitte der
„milites orantes“. Als Kreuzzugsteilnehmer konnten sie die Freisprechung von allen Sünden
und im Todesfall einen Platz im Himmel erwarten. Welchen himmlischen Lohn konnten dann
wohl die Mitglieder der Geistlichen Ritterorden erwarten, die ab 1120/30 zur Pflege der
Kranken, zum Schutz der Pilgerzüge und zur Bekämpfung der „Ungläubigen“ entstanden?
Merkwürdigerweise scheint unter den zahllosen Heiligen, die die katholische Kirche verehrt,
kein auf einem Kreuzzug gefallener Ritter zu sein202.

Für vielfältige Hilfe danke ich Dr. Jutta Eckle, Dr. Yvonne El Sarnan, Dr. Ulrike Kaibaum

und Thomas Linz M.A.

1,6 Irmtraut Lindeck-Pozza, Schwertleite und Ritterschlag, in: Burgenländische Landesregierung 1990,94-100.
”7 Nach Adolph Franz (Die kirchlichen Benediktionen im Mittelalter, Freiburg 1909, II, 292) soll es Waffenseg-
nungen schon im späten 10. Jahrhundert gegeben haben.
1,8 Der Begriff „Ritterweihe“, der nur die kirchlichen Handlungen bei einem Ritterschlag meinen kann, ist ty-
pisch für das Begriffschaos geistesgeschichtlicher Fächer. Vielleicht ist die Erhebung in den Ritterstand in der
Wirklichkeit genauso durch zusätzliche Zeremonien bereichert worden wie in der Literatur, vgl. Rita Boemke,
Alexanders Ritterweihe in der 10-Silber-Fassung, in: Udo Schöning (Hg.) Intemationalität nationaler Literaturen
(Veröffentlichungen aus dem Göttinger SFB 529), Göttingen 2000, 73-80.
Gerd Althoff, Nunc fiant Christi milites, qui dudum extiterunt raptores - Zur Entstehung von Rittertum und
Ritterethos, in: Saeculum - Jahrbuch für Universalgeschichte 32 (1981) 317-333.
2»o Vgi Hans Eberhard Mayer, Geschichte der Kreuzzüge, Stuttgart 1965 u. ö.; Jonathan Riley-Smith, Die
Kreuzzüge - Kriege im Namen Gottes, Freiburg u.a. 1999; Reinhard Barth, Taschenlexikon Kreuzzüge, Mün-
chen-Zürich 1999; Nikolaus Jaspert, Die Kreuzzüge (Geschichte kompakt), Darmstadt 2003 u.ö.; Roland Wens-
kus, „Miles“-Reiter-Ritter-Gotteskrieger - Der europäische Panzerreiter im Vorderen Orient (Diss. Saarbrücken
2022; Schriften zur Mediävistik 33), Hamburg 2023.
201 LThK 7 (1998) 250/260; RGG 5 (2002) 1231-1233. Martin Völkl, Muslime-Märtyrer-Militia Christi: Identi-
tät, Feindbild und Fremderfahrung während der ersten Kreuzzüge (Diss. Regensburg 2007; Wege zur Ge-
schichtswissenschaft), Stuttgart 2011.
202 Vgl. Richard W. Kaeuper, Holy Warriours - The religious Ideology of Chivalry, Philadelphia 2009.
 
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