Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
V. Fra Bartolommeo.

1475—1517-

In Fra Bartolommeo besitzt die Hochrenaissance den Typus des
mönchischen Malers.

Die grosse Erfahrung seiner Jugend war gewesen, Savanorola
zu hören und ihn sterben zu sehen. Darauf hatte er sich ins Kloster
zurückgezogen und eine Zeitlang gar nicht gemalt. Es muss ein
schwerer Entschluss gewesen sein, denn mehr als bei anderen fühlt
man bei ihm das Bedürfnis, in Bildern zu reden. Er hatte nicht
vieles zu sagen, aber der Gedanke, der ihn belebte, war ein grosser
Gedanke. Der Jünger Savanorolas trug in sich ein Ideal des Einfach-
Mächtigen, mit dessen Wucht er den weltlichen Tand und die kleine
Zierlichkeit der florentinischen Kirchenbilder niederschlagen wollte. Er
ist kein Fanatiker, kein verbissener Asket, er singt jubelnde Triumph-
lieder. Man muss ihn sehen in seinen Gnadenbildern, wo um die
thronende Madonna die Heiligen in dichten Scharen herumstehen. Er
spricht da laut und pathetisch. WTrichtige Massen, durch ein streng'es
Gesetz zusammengehalten, grandiose Richtungskontraste und ein mächtiger
Schwung der Gesamtbewegung, das sind seine Elemente. Es ist der
Stil, der in den weiten hallenden Kirchenräumen der Hochrenaissance lebt.

Die Natur hat ihm den Sinn für das Bedeutende gegeben, für
die grosse Gebärde, die feierliche Gewandung, die prächtig wallende
Linie. Was kann sich seinem Sebastian vergleichen an schwungvoller
Schönheit und wo hat die Gebärde seines Auferstandenen ihresgleichen
in Florenz ? Eine starke Sinnlichkeit schützt ihn davor, dass sein Pathos
hohl wird. Seine Evangelisten sind Männer mit einem Stiernacken.
Wer steht, steht unerschütterlich und wer fasst, fasst mit Gewalt. Er fordert
das Kolossale als die normale Grösse und in dem Willen, seinen Bildern die
stärkste plastische Wirkung zu geben, steigert er die Dunkelheit der
Schatten und der Gründe so, dass viele Bilder infolge des unausweichlichen
Nachdunkeins heute überhaupt schwer mehr zu geniessen sind.

J
 
Annotationen