ÜBER VERBINDUNG VON FARBE UND KLANG. 525
-enthusiastinnen Pläne auftauchen, ein Konzert auf der Leinwand fest-
zuhalten oder umgekehrt ein Gemälde zu vertonen — so gelingt es
auch Tiecks Sternbald, Nachtigallenlieder in sein Bild zu bringen —,
und zwischen erhitzten Gemütern pflegt es dann zu Streitigkeiten zu
kommen, welche Oper welchem Kolorit besser entspreche. Über-
raschender noch als diese aus dem Leben geschöpften Analogien ist
der Ausspruch eines Mannes, der in den psychologischen Mono-
graphien gleichsam als Kronzeuge für die Tatsache des Farbenhörens
angeführt wird, nämlich folgende Selbstbeobachtung des Goldschmieds
Nußbaumer1): »Ich weiß nicht, was an dieser Sache ist; wohl aber
sage ich das; wenn ich ein Maler wäre, so würde ich Farben machen
können, genau für alle verschiedenen Töne, und Töne finden für alle
Farben, alle möglichen Mißtöne inbegriffen; und man würde uns dann
zuerkennen, daß wir von der Natur begabt sind, das Verhältnis zwischen
Licht und Klang zu finden und darzustellen. Doch darüber kann ich
nicht urteilen noch klar werden«. Nicht selten sind ferner an doppelt
empfindenden Personen jene beiden Arten des Empfindens gepaart be-
obachtet worden, deren mögliches Zusammenwirken wir aus Tiecks
Gedichten erschließen wollten, nämlich Lichtphonismen einerseits,
andrerseits das Assoziieren des Timbres eines Instruments mit einer
Farbe. Man beachte etwa die Mitteilung, die Bleuler und Lehmann
als Nr. 26 ihrer auch für den Ästhetiker hochinteressanten Materialien-
sammlung gegeben haben; die von ihnen beobachtete Person besaß
einen entwickelten Sinn für die Klangfarbe der Violine, der Trompete,
keine Färbung von Vokalen und Konsonanten, dagegen scharfe Emp-
findungen von Klängen bei optischen Wahrnehmungen (als: Voll-
mond — sanftes Rieseln eines kleinen Baches; Sternfunkeln — Spritzen
eines feinen Wasserstrahls; Stille bei Sonnenuntergang). Auch für die
an Tieck wahrgenommene Empfindungstatsache — für die übrigens
die einzelnen Belege noch nachgetragen werden sollen —, daß nicht
ein Ton anders gefärbt erscheint als ein anderer Ton auf demselben
Instrumente, sondern daß ein bestimmtes Instrument seine Töne mit
bestimmtem Kolorit und mit abgestuften Farbennuancen versieht, auch
dafür liefert die Psychologie lehrreiche Entsprechungen. Pedrono2)
z. B. hat einen Fall beschrieben, bei dem die Färbung einer Melodie
je nach dem Instrument, auf dem sie gespielt wird, wechselt: Un mime
morceau de musique, joue par differents Instruments, presente des cou-
leurs differeiltes. Une melodie est jaune, exe'cutee par un Saxophone
tenor ou un harmonium, rouge stelle V est sur une clarinette, et bleue,
') Mitgeteilt von dessen Bruder F. A. Nußbaumer in der Wiener Mediz. Wochen-
schrift XXIII (1873), 31.
2) Annales d'oculistique 1882, II, 228.
-enthusiastinnen Pläne auftauchen, ein Konzert auf der Leinwand fest-
zuhalten oder umgekehrt ein Gemälde zu vertonen — so gelingt es
auch Tiecks Sternbald, Nachtigallenlieder in sein Bild zu bringen —,
und zwischen erhitzten Gemütern pflegt es dann zu Streitigkeiten zu
kommen, welche Oper welchem Kolorit besser entspreche. Über-
raschender noch als diese aus dem Leben geschöpften Analogien ist
der Ausspruch eines Mannes, der in den psychologischen Mono-
graphien gleichsam als Kronzeuge für die Tatsache des Farbenhörens
angeführt wird, nämlich folgende Selbstbeobachtung des Goldschmieds
Nußbaumer1): »Ich weiß nicht, was an dieser Sache ist; wohl aber
sage ich das; wenn ich ein Maler wäre, so würde ich Farben machen
können, genau für alle verschiedenen Töne, und Töne finden für alle
Farben, alle möglichen Mißtöne inbegriffen; und man würde uns dann
zuerkennen, daß wir von der Natur begabt sind, das Verhältnis zwischen
Licht und Klang zu finden und darzustellen. Doch darüber kann ich
nicht urteilen noch klar werden«. Nicht selten sind ferner an doppelt
empfindenden Personen jene beiden Arten des Empfindens gepaart be-
obachtet worden, deren mögliches Zusammenwirken wir aus Tiecks
Gedichten erschließen wollten, nämlich Lichtphonismen einerseits,
andrerseits das Assoziieren des Timbres eines Instruments mit einer
Farbe. Man beachte etwa die Mitteilung, die Bleuler und Lehmann
als Nr. 26 ihrer auch für den Ästhetiker hochinteressanten Materialien-
sammlung gegeben haben; die von ihnen beobachtete Person besaß
einen entwickelten Sinn für die Klangfarbe der Violine, der Trompete,
keine Färbung von Vokalen und Konsonanten, dagegen scharfe Emp-
findungen von Klängen bei optischen Wahrnehmungen (als: Voll-
mond — sanftes Rieseln eines kleinen Baches; Sternfunkeln — Spritzen
eines feinen Wasserstrahls; Stille bei Sonnenuntergang). Auch für die
an Tieck wahrgenommene Empfindungstatsache — für die übrigens
die einzelnen Belege noch nachgetragen werden sollen —, daß nicht
ein Ton anders gefärbt erscheint als ein anderer Ton auf demselben
Instrumente, sondern daß ein bestimmtes Instrument seine Töne mit
bestimmtem Kolorit und mit abgestuften Farbennuancen versieht, auch
dafür liefert die Psychologie lehrreiche Entsprechungen. Pedrono2)
z. B. hat einen Fall beschrieben, bei dem die Färbung einer Melodie
je nach dem Instrument, auf dem sie gespielt wird, wechselt: Un mime
morceau de musique, joue par differents Instruments, presente des cou-
leurs differeiltes. Une melodie est jaune, exe'cutee par un Saxophone
tenor ou un harmonium, rouge stelle V est sur une clarinette, et bleue,
') Mitgeteilt von dessen Bruder F. A. Nußbaumer in der Wiener Mediz. Wochen-
schrift XXIII (1873), 31.
2) Annales d'oculistique 1882, II, 228.