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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 2.1907

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Schering, Arnold: Christian Gottfried Krause
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https://doi.org/10.11588/diglit.3530#0558
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554 ARNOLD SCHERING.

zur Tugend stärker gemacht« (44). Aus der Vereinigung von Poesie
und Musik entspringt also eine größere Lebhaftigkeit (46). Aber auch
hier ist eine Grenze gezogen. Dem folgenden Worte Hallers:

Ein Aug', das Kunst und Weisheit schärfen, ...
würde der Musiker hilflos gegenüberstehen. »Ohne Verstand, Erfah-
rung, Unterweisung, Nachdenken und die durch die Sprache erlangte
Erkenntnis würde unsere Einbildungskraft das Bild nicht zusammen-
setzen, so ihr der Poet hier vorstellt« (56). »Wenn aber derselbe
Dichter an einem anderen Orte sagt:

Ach, daß ich dich schon jetzund küssen könnte,

Beliebter Wald und angenehmes Feld!

so kann der Musikus dabei nicht nur diese Sehnsucht überhaupt,
sondern auch den Schwung des Gedankens in einer wünschenswerten
Ausrufung ganz deutlich, und besonders noch den Inhalt der Wörter
ach, schon, jetzund, küssen, beliebt, angenehm einigermaßen in rühren-
den Tönen bemerken und ausdrücken. Auf diese Weise kann man
es musikalischen Gängen anhören, was sie sagen wollen, und so gibt
es, wie die Franzosen sagen, redende Töne« (57).

Wie bei allen schönen Wissenschaften (Künsten), so kommt es
auch in der Musik auf die Nachahmung der Natur an (51). Nun kann
zwar der Tonsetzer recht wohl einen Sturm, das Rieseln eines Baches,
das Lispeln des Zephyrs abschildern oder den Gesang einer Nachtigall
nachahmen, — dann tut er dasselbe, was ein Landschaftsmaler oder
ein beschreibender Poet tut (53). »Gleichwie dies aber nicht die vor-
trefflichsten Beschäftigungen dieser Künste sind, also ist auch eine
solche [d. h. schildernde] Musik nur ein Prisma, das die schönsten
Farben auf das Papier wirft, die aber alle kein Gemälde ausmachen« (53).
Solche musikalischen Malereien sind weder Hauptzweck noch das
Vollkommenste der Tonkunst, und ȟberhaupt nur insoweit musi-
kalisch (!), als sie zur Erregung eines Affekts oder eines besonderen
Wohlgefallens etwas beitragen« (54). Die Töne sollen nicht nur Be-
wegungen in der Seele hervorrufen, die sich »auf die wahrgenommene
Übereinstimmung mit einem körperlichen Gebilde gründen, sondern
Bewegungen, durch welche unser Geist zu heftigen Leidenschaften
fortgerissen wird« (53, 75). »Bei Anhörung eines musikalischen Stückes
bekümmert man sich nicht, ob es eine Bewegung in der Körperwelt
nachahme, sondern nur, ob es schön sei, gefalle und rühre; unser
Inneres, unsere ganze Seele will daran teil haben« (54)l). »Die Musik

:) Krause vertritt hier einen der französischen Musikästhetik entgegengesetzten
Standpunkt. In Frankreich galt der Grundsatz: Eine Musik, die nichts malt, ist nur
Geräusch (d'Alembert). — Dazu auch Schopenhauer a. a. O. I, S. 347 über die
malende Musik.
 
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