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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 28.1934

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https://doi.org/10.11588/diglit.14173#0216
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Gesellschaft für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft E. V.

Veranstaltungen der Berliner Ortsgruppe vom Winter-Semester 1932/33

1. Vortrag am Montag, dem 21. November: Dr. Herbert Fleischer „Graphische
Musik".

Unter „graphischer" Musik versteht Dr. Herbert Fleischer eine Kunst, die
einen farbfremden, „graphischen" Grund hat. Wie in der Malerei der Gegenwart
eine impressionsfeindliche, die Zeichnung betonende Tendenz sichtbar geworden
ist (Picasso, Chirico, Derain), so mußte in der Musik das harmonien- und kolorit-
reiche Tonschaffen der ausgehenden Romantik und des Impressionismus einer er-
kalteten, linienhaften Kunst weichen. Form, Architektur sind Dominanten der neuen
„graphischen" Musik. Das Gefühl, unbedingt als Wesensgehalt vorhanden, hat
eine gänzlich neue Grundtemperatur: es erscheint kühl, fest gefroren, einkristalli-
siert in harte, meßbare Klangformen. Die neue Gefühlstemperatur ist der Grund
der ungeheuren Gegnerschaft, auf die ein großer Teit der zeitgenössischen Musik
stößt. Herr Dr. Fleischer veranschaulichte seine Darlegungen durch Vorführung
von Gramophonplatten und durch Klavier-Beispiele.

2. Vortrag am Dienstag, dem 13. Dezember, Professor Dr. H. H. Schaeder:
„Lebensansicht und lyrische Form bei Hafis". Dieser Vortrag wird nächstens als
Aufsatz in unserer Zeitschrift erscheinen. Eine Inhaltsangabe erübrigt sich daher.

3. Vortrag am Montag, dem 23. Januar, Dr. Hermann Konnerth: „Die
Ausdrucksmittel der bildenden Kunst und das Prinzip des Stils".

Das Zustandekommen von Ausdruck ist an Kontrastwirkungen gebunden.
Äußerste Kontraste bedingen den stärksten Ausdruck. Kontraste sind aber nur bei
Faktoren gleicher Art möglich. Nur Gleichartiges kann an einander gemessen
werden. Auf dem Gebiete der Sichtbarkeit, im eigentlichsten Bereiche der bildenden
Kunst, gibt es drei Arten von möglichen Kontrastwirkungen: die linearer Art
(Horizontal und Vertikal), die des Lichtes (Hell und Dunkel) und die der Farbe
(Komplementärfarben). Experimentell zeichnend wird nachgewiesen, daß eine
Mischung dieser drei Arten des Sehens keine wesenhafte Bereicherung ergibt. Hin-
gegen werden in der Beschränkung auf je eines dieser Ausdrucksmittel — be-
ziehungsweise durch das Vorherrschen des einen im Bilde (oder im Bau) — Linie,
Licht und Farbe zum jeweiligen Prinzip des Sehens, des Bildaufbaus und damit
des Stils. Es erweist sich die Linie als das Stilprinzip in Gotik und Renaissance,
das Licht als das Stilprinzip in Barock und Rokoko und schließlich die Farbe als
das Stilprinzip der modernen Kunst, beginnend mit den farbigen Erlebnissen der
Impressionisten und dem modernen Respekt vor dem Material und seiner Farbe
in Architektur und Kunstgewerbe. Diese Stilprinzipien wollen nicht blinde Klas-
sifikationsbegriffe sein, sondern sind heuristische Prinzipien für jeweilig neues
Verstehen. — Kommt das lineare Prinzip vorwiegend dem südlichen, das
Lichtprinzip vorwiegend dem nordischen Geist entgegen, so erweist sich das
farbige Sehen als gleicherweise fähig, den schöpferischen Regungen des Südens
wie des Nordens in unendlicher Wandlungsfähigkeit' und Ausdrucksbereitschaft,
 
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