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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 28.1934

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Sano, Kazuhiko: Zur Stellung der japanischen Kunst in dem System der europäischen Kunstwissenschaft
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https://doi.org/10.11588/diglit.14173#0259
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ZUR STELLUNG DER JAPANISCHEN KUNST

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in diesem Begriff einzufangen. Wenn man von der höchst unglücklichen
Wortwahl und manchen unhaltbaren Deutungen geschichtlicher Tat-
sachen absieht, ist das Werk von Tsuneyoshi Tsudzumi „Die Kunst
Japans" in seiner Zielsetzung und Problemstellung unbedingt richtig.
Wie man von der plastisch-tektonischen Kunst der Griechen, von der
malerisch-ästhetischen Kunst Kretas redet, wie Worringer z. B. die „Wer-
tung" der ägyptischen Kunst als ein Problem hinstellte, so muß man sich
um die Erkenntnis des „Wesens" der japanischen Kunst bemühen. Da-
bei bedeutet die Wertung natürlich nicht irgendein Werturteil, durch das
man den zu behandelnden Gegenstand „dualistisch" mit einem Ja oder
Nein abtut, sondern die typologische Erforschung der künstlerischen
Kulturen beruht auf dem „objektiven Idealismus". Gegen eine solche
Typenforschung, die die Kultur einheitlich (über allen zeitlichen Wandel
hinweg) betrachtet und ihr „Wesen" klar herausarbeiten will, könnte
man den Einwand erheben, daß solche Einheit einer Ku4tur gar nicht
bestehe, daß vor allem keine Kultur sich frei von Einflüssen selbständig
entwickle. Aber die typologische Forschung verleugnet keineswegs die
fremden Einflüsse, sie ist von jedem Kulturchauvinismus weit entfernt.
Trotz der Einflüsse und grade in ihnen tritt ein individueller Charakter
der Kultur in Erscheinung, nämlich in der Art und Weise, wie und in
welchem Grade eine Kultur fremde Einflüsse in sich aufnimmt und sie
sich assimiliert. Und die „Einheit" der Kultur wird nicht als unbedingt
vorhanden vorausgesetzt, sondern sie muß in der Forschung selbst ent-
deckt und festgestellt, bewiesen und gesichert werden. In der Geschichte
der japanischen Kunst jedoch ist der Begriff: Das Japanische und sein
Verhältnis zu dem Begriff: das Chinesische (oder Ostasien) immer noch
nicht klar aufgefaßt. In der Frage der Aufnahme der chinesisch-buddhi-
stischen Kunst darf die Sachlage nicht so betrachtet werden, als hätte
sich ein japanisches Kunstwollen dem chinesischen entgegengesetzt; es
wurde vielmehr eine international-ostasiatische Kunst in ein neues
unbetretenes Land, Japan, verpflanzt, um sich hier allmählich zu einem
Nationalstil auszubilden. Trotz dieser „frühmittelalterlichen" ostasiati-
schen Kunst aber hat es in Ostasien niemals eine Kultureinheit gegeben,
wie die griechisch-europäische. Der „asiatische Geist", von dem man
heute in Japan gelegentlich spricht, ist nichts als ein hohles Schlagwort.
Dem ostasiatischen Kulturkreis fehlt eine Kulturidee, auf der alle ost-
asiatischen historischen Kulturen sich hätten aufbauen können. Die chine-
sische Geisteswelt mit dem Konfuzianismus als Grundlage besaß keine
so allumfassende und alles durchdringende Macht wie das Griechentum
für Europa, wenn auch die chinesischen Kultureinflüsse in Japan nicht
stark genug betont werden können und wenn auch die Japaner selbst oft
geneigt sind, eigene Kulturerscheinungen aus chinesischen Quellen her-
 
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