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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 28.1934

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BESPRECHUNGEN

winnt, daß er den beiden anderen: „gemeißelt" und „plastisch" gegenübergestellt
wird. Die beiden gemeinsame „urtümliche Problematik" sieht die Verfasserin vor
allem in dem „unlöslichen Zusammenhang von Leben und Tod". Das Thema dieses
Zusammenhanges ist in den uns übersehbaren letzten dreitausend Jahren stets zen-
tral gewesen; die Verfasserin glaubt allerdings, daß dieser unlösliche Zusammen-
hang das „Problem jeder vornehmlich irrational gefärbten Lebenseinstellung"
darstelle. Das ist nicht nur undeutlich, sondern ein Irrtum.

Das Buch von Käte Hamburger ist nicht völlig ohne wissenschaftliche Belege.
Wenn sie solche gibt, sind sie allerdings Belege gerade im Sinne der Methode, die
sie zu Beginn ihrer Arbeit ausdrücklich abgewehrt hatte, nämlich Belege für einen
direkten quellenmäßigen Einfluß. (Siehe z. B. S. 56 ff.)

Berlin. Hannah Arendt.

Cor so Buscaroli: Virgilio. II Libro di Didone. Societä
anonima editrice Dante Alighieri (Albrighi, Segati & C), Milano—Oenova—
Roma—Napoli. 1932—X. XVI und 519 S.

Das Ziel, das sich Corso Buscaroli gestellt hat, ist nicht so sehr, den kriti-
schen Text des IV. Buches der Äneis hie und da nachzuprüfen und auf Grund
einer von ihm vorgenommenen Vergleichung der Hss. andere Lesungsarten vor-
zuschlagen; es ist auch nicht, die Dichtung Vergils Satz für Satz mit Anmer-
kungen, Belegen und müßiger Krittelei zu belasten, sondern vielmehr die Kunst
Vergils unserem modernen Empfinden näher zu bringen, als es bisher anderen
Kritikern gelungen ist. Hier handelt es sich nicht um sprachliche Erklärungen,
die in anderen Erläuterungsschriften so oft zu einer Scheidewand zwischen der
Dichtung und dem Gefühl des Lesers werden, sondern um das Bestreben, die
Gefühlsart, die Gestaltungsweise, das Phantasiemäßige in der Dichtung Vergils
in unserem Bewußtsein lebendig zu machen. Das geschieht durch Heranziehen
von Stellen aus großen italienischen Dichtern, die Vergilsche Motive, Bilder und
Vorstellungen in ihrer Seele haben nachklingen lassen. Durch diese Methode, die
wir als eine Art von Geschichte der Vergilschen Vorstellungsart ansprechen kön-
nen, kommt eine übersichtliche Kontinuität zustande, die mit Hilfe von Dantes
und Petrarcas Klassizismus, des Rinascimento, und schließlich von Leopardi und
Pascoli alte und moderne Empfindungsart verbindet. Es ist noch immer einer der
festesten Standpunkte der italienischen Ästhetik, daß das Schöne eines Kunst-
werkes sich dem Kunstkritiker nicht durch ein empfindungs- und verständnisloses
Zerbröckeln, sondern durch das restlose Nachfühlen erschließen kann. Und wer
kann besser als ein Dichter ein Dichtwerk nachempfinden? Wer kann besser als
ein Dichter des anderen Dichters Eigenart wiedergeben? Von diesem Standpunkt
aus hat es der Verf. mit vollem Recht unternommen, das IV. Buch der Äneis,
soweit es sich tun läßt, durch Stellen aus ital. Dichtern in eine moderne Gestalt
zu gießen, die uns die Tiefe des Gedankens des römischen Dichters erschließt.

Es seien hier nur einige kleine Beispiele dieser Methode angeführt. Än. IV, 6:
„Postera Phoebea lustrabat lampade terras": das antike mythische Bild der Sonne,
so wie es hier gebraucht wird, ist uns wohl noch heute erfaßbar; es hat aber
doch die frische, sinnfällige Lebendigkeit eingebüßt. Wie sehr aber offenbart sich
seine ganze Sinntiefe und seine dichterische Schönheit, wenn daneben die Dantesche
Nachbildung: „la lucerna del mondo..." (Par. I, 38) steht, oder auch das weni-
ger schöne Leopardische Bild: „la face del di" (Palin, 96). Das folgende sehr
 
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