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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 29.1935

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https://doi.org/10.11588/diglit.14176#0109
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BESPRECHUNGEN

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gang, mit der besonders wichtigen Frage des bildmäßigen Entwurfs, mit der Aus-
wahl des Kostüms und der künstlerischen Verantwortlichkeit, d. h. mit dem Regie-
begriff, zu beschäftigen. Erst auf dieser breit angelegten, mit vorbildlicher Material-
kenntnis und Urteilssicherheit errichteten Basis wird die Frage nach der Wechsel-
wirkung zwischen Erscheinung des Schauspielers und theatralischem Stil gestellt.
An den Kostüm-Typenreihen des antiken Helden, des Fürsten, des Ritters usw.
werden die Stilwandlungen abgelesen, die im großen Komplex des Renaissance-
theaters verwurzelt durch die wechselnden Tendenzen Stilisierung — Realismus —
Klassizismus hindurch zur Einheit von Kostüm und Darstellung, von Kleid und
Geste in Ifflands Charakterspiel führen.

Auf der Bühne des Barock war das Kostüm, wenn auch aus der Gebärde des
Menschen entwickelt, für sich existent; der moderne Schauspieler kleidet sich aus
bestimmten Absichten seiner Rolle und seiner Darstellung, das Kostüm wird ein
Teil der originellen darstellerischen Leistung. Seit Iffland ist der Begriff der schau-
spielerischen Charakter-„Auffassung" zuerst maßgebend für das Schauspielkostüm
wie für die besondere Anlage der ganzen Darstellung. Entscheidend für das Ver-
ständnis des typischen Theaterkleides ist der Bewegungsgeschmack der Zeit, „das
Ideal ausgesprochen schöner, allgemein ausdrucksvoller Haltung und Bewegung",
das einer Epoche eigentümlich ist. „Es sind die Tendenzen, nach denen eine Mode
den Körper erscheinen lassen möchte." Diese Tendenzen und ihre theatralische Ver-
körperung in Kostüm, Haltung und Spiel werden für die einzelnen Entwicklungs-
epochen in zwingender Anschaulichkeit herausgearbeitet und durch ein Bilder-
material belegt, das in seiner Auswahl über das rein Illustrative hinaus eine ein-
dringliche Sprache spricht. Das beigefügte Verzeichnis der Rollenbilder in der
deutschen Theatergraphik des 18. Jh. bildet eine wertvolle Ergänzung der schönen
und für die gesamte neuere Theaterforschung grundlegend wichtigen Arbeit.

Berlin. Helli Levinger.

Günter Schöne: Die Entwicklung der Perspektivbühne von
Serlio bis Galli-Bibiena. Theatergeschichtliche Forschungen 43.
Leipzig 1933.

Der Verfasser stellt sich die Aufgabe, die Kapitel über Bühnenperspektive in
den Perspektivbüchern von der Renaissance bis zum Barock theatergeschichtlich
zu untersuchen. Seine Hoffnung, trotz einer durch notwendige Beschränkung auf
perspektivische und räumliche Probleme bedingten einseitigen Betrachtungsweise
Material zur Erforschung der Bühnengeschichte beitragen zu können, erfüllt sich
freilich nur in bescheidenem Maße: saubere Erklärungen der einzelnen Perspektiv-
Verfahren stehen unverbunden nebeneinander, es fehlt das geistige Band, das diesen
technischen Erläuterungen erst den eigentlich theatergeschichtlichen Sinn gibt. Am
heutigen Stand theaterwissenschaftlicher Forschung gemessen wirkt es allzu naiv,
wenn der Verfasser feststellen zu müssen glaubt, daß die gleichzeitige Entstehung
der modernen Bühne mit dem um die Wende zum 16. Jahrhundert neuerwachten
Interesse an der vitruvianischen scenographia „nicht ohne Zusammenhang ist"
(S. 5). Dieselbe Unbefangenheit stilistischen Gesetzmäßigkeiten gegenüber verleitet
auch zu objektiv unrichtigen Schlüssen wie der Vermutung, daß Palladio als deko-
rativen Abschluß in den Toröffnungen seiner scenae frons vielleicht Periakten
(Telari) — also Dekorationen, deren Sinn schnelle Wandelbarkeit ist, — verwendet
habe (S. 17). Selbst wenn ein Blick auf den Grundriß des Teatro Olimpico nicht
von der großen Unwahrscheinlichkeit dieser Annahme hätte überzeugen können
(welchen Sinn sollen die Gassen hinter den Toröffnungen haben, die doch für das
 
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