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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 30.1936

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https://doi.org/10.11588/diglit.14193#0096
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BESPRECHUNGEN

betrachten, sie als solche auf uns, d. h. auf unser Gefühlsleben, wirken lassen und bei
dieser Wirkung verweilen. Und die Gefühle, die eine solche Betrachtung in uns aus-
löst, sind nun eben ästhetische Gefühle" (49 f.).

Wesentlich und von lebendigem Interesse ist an dieser Studie, daß der echte, in
sich selbst gegründete Wesenscharakter des ästhetischen Gefühls als des Elements
der ästhetischen Erlebnisse, die zugleich der Lebensraum des wirklich künstlerischen
Gestaltens sind, fest und klar herausgestellt wird. Es ist damit allen dilettantenhaften
Versuchen, anderen Erlebensweisen und Interessen zur Wesens- und Wertbestim-
mung des Ästhetischen und des Künstlerischen den Vorrang zu geben vor dem
Ästhetisch-Künstlerischen selbst, der Boden ein für allemal entzogen. Und das ist kein
kleines Verdienst. Die Ästhetik und Kunstphilosophie muß immer wieder um die
Eigentümlichkeit des Erlebensgebietes und der gegenständlichen Welt kämpfen, der
ihre besinnliche Arbeit gilt, und die Tatsache, daß L. mit Umsicht und Kraft die
Feststellung begründet, daß die Welt des Ästhetischen mehr ist als ein bloßes Schein-
dasein und daß das Ästhetische sich in durchaus eigener Begründung aus dem
ästhetischen Gefühl aufbaut, verdient unseren Dank.

Gegen die Willkür der metaphysischen Wertphilosophie hebt L. mit Recht her-
vor, daß das Ästhetische zwar, wenn auch in sehr vielen Graden, eine und dieselbe
Wertart darstellt, daß diese jedoch nicht von dem menschlichen Bedürfnis, von der
Befriedigung „eines bestimmten menschlichen Grundbedürfnisses" abgelöst werden
darf (59). Auch damit erneuert sich eine Einsicht, die bei den Wertobjektivisten heute
verloren zu gehen droht. Werte sind als solche der Ausdruck der lebendigen Korrela-
tion eines Gegenständlichen zu einem menschlichen Erleben. Sie selbst haben keinerlei
Objektivität, so sehr sie an einer Gegenständlichkeit erscheinen und in dieser ge-
gründet sein mögen. Die Fatamorgana der Werte am blassen Himmel einer erlebnis-
fremden Gedanklichkeit ist sehr geeignet, den Wanderer in die Irre zu leiten und in
der Wüste verdursten zu lassen. Diesen Theoremen gegenüber, die immer nur an-
gewandte und meist nicht einmal originäre Metaphysik sind, statt aus lebendiger An-
schauung entsprungene sachliche Deutung, ist es verdienstlich, daß die Theorie des
ästhetischen Gefühls von L. in aller Breite erörtert wird mit dem Ergebnis, daß
die „Gefühlsfunktion" als „die einzige Quelle des ästhetischen Eindrucks" sich er-
weist (76).

Auf der anderen Seite wiederum kämpft der Autor gegen jene Formen ästheti-
scher Interpretation, die den Sinn und das Wesen des Ästhetischen soweit auf die
Seite des Subjekts verlegen wollen, daß sie es nur unter dem Gesichtspunkt von
„Lust" und „Unlust" betrachten und dadurch von Grund auf banalisieren. „Wenn
man an der Forderung festhält, jeder ästhetische Eindruck müsse lustvoll sein, dann
wird die Kunst und das ganze ästhetische Verhalten unfehlbar zu einer mehr oder
weniger vornehmen oder auch unvornehmen Liebhaberei, die mit den eigentlichen
Zielen und ernsten und vitalsten Interessen des tätigen Lebens nichts oder jedenfalls
äußerst wenig zu tun hat. Faßt man dagegen das ästhetische Verhalten so auf, daß es
durchaus nicht immer ein lustvolles Verhalten, sondern ein G^/w/z/sverhalten im all-
gemeinen ist, ein Gefühlsverhalten, wobei und wodurch wir die innerste Bedeutung
des ganzen Daseins sowohl nach ihren erfreulichen als auch und noch besonders
nach ihren unerfreulichen und tief schmerzvollen Seiten fühlend unmittelbar erleben
und dieser Bedeutung somit auf die intimste und tiefste Weise innewerden, dann ist
die Kunst und das ästhetische Verhalten eine bitterernste und hochbedeutende An-
gelegenheit des Menschenlebens" (112 f.).

Aus der gleichen Gesinnung heraus entwickelt der Verf. Gegenstand und Auf-
gabe der Ästhetik. „Dem Ästhetiker und der Ästhetik ist gegeben — nicht irgend-
 
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