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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 30.1936

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https://doi.org/10.11588/diglit.14193#0316
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vernachlässigt. Sie kennt weder die Bemerkungen Gundolfs (der in seiner Abhandlung
über A. von Droste-Hülshoff mehrfach die Günderrode gegenüberstellt, Romantiker
Bd. II), noch die Gedächtnisrede Leo Sternbergs (Rhein. Beobachter VII, 1928), noch
den Aufsatz Adolfs von Hatzfeld (Orplid V, 1928), noch den Abschnitt über die Gün-
derrode in G.H.Brands Frühvollendeten (1929), noch, und das ist am meisten zu
bedauern, das vorzügliche Kapitel über die Günderrode in Margarete Susmanns
Frauen der Romantik (1929). Man sieht nicht recht ein, warum die vorliegende Arbeit
in diesem halbfertigen Zustande schon veröffentlicht werden mußte.

Berlin-Nikolassee. Wolfgang Kayser.

Fritz Knapp: Grünewald. Velhagen u. Klasing Verlag, Bielefeld 1935.
Knackfuß Künstlermonogr. Bd. 108. 47 S. u. 56 teilw. färb. Tafeln.

Es ist erstaunlich, daß Grünewald seinen Platz in den bekannten Knackfuß Mo-
nographien erst im Jahre 1935 finden konnte. Knaus und Vautier, Meissonier und
Burne Jones erfreuen sich bereits eines achtbaren Alters in der Knackfußschen Ahnen-
galerie, ehe der größte deutsche Maler seinen Einzug dort halten konnte. Freilich
muß man bedenken, daß es nicht viel mehr als hundert Jahre her ist, seit Clemens
Brentano in einem Briefe zum ersten Male wieder seit Sandrarts Tagen des Malers
Erwähnung tat. Und nicht länger als rund dreißig Jahre ist es her, seit die Grüne-
wald-Forschung durch das Werk von Schmid einen festen Grund unter den Füßen
erhielt. Seit dieser Zeit ist Grünewald durch neue Entdeckungen (die „Geißelung
Christi" der Alten Pinakothek in München hing unerkannt für lange Zeit im Kunst-
historischen Institut der dortigen Universität, bis Braune sie „entdeckte"; Stuppacher
Madonna; Lindenhardter Altar), durch Reproduktionen und Kunstbücher jedem
Deutschen bekannt geworden, und sein Name hat sogar den Ruhm Dürers zu ver-
dunkeln begonnen. Die expressionistische Kunst mußte im besonderen Maße ein Ver-
ständnis für die expressiven Elemente in des Malers Werk erziehen, und endlich hat
noch ein eigener Umstand dazu beigetragen, das Hauptwerk Grünewalds bekannt
zu machen. Die Kriegsnöte des Elsaß haben den Altar aus seiner Weltabgeschieden-
heit geführt, und die alte Pinakothek in München hat dem Werke für zwei Jahre ein
Obdach schönster Art gewährt. Wer damals die allsonntägliche Wallfahrt der Münch-
ner zu dem Altar erlebt hat, der wird Vasaris Schilderung über den Triumphzug der
Florentiner bei Anlaß der Erwerbung von Duccios Madonna für Santa Maria Novella
besser begriffen haben.

Es sind heute also alle Voraussetzungen gegeben, ein neues Grünewald-Buch
wünschenswert zu machen. Viele Jahre schon hat man gehofft, daß Wölfflin das seine
schreiben werde. Diese Publikation jedenfalls bringt noch nicht das, was wir erwar-
ten und brauchen. Es ist gewiß mit innerer Wärme und mit Kenntnis der Sach-
verhalte geschrieben, aber es fehlt dem allzu kurzen Text an einer Gesamtanschau-
ung des Meisters ebenso sehr wie an Sicherheit des stilistischen Urteils. Die Ein-
leitung wird wahrscheinlich dem Laien am meisten Neues bringen, weil Grünewald
(oder wie der wahre Name lautet Matthies Neidhardt-Gothart) auf Grund der Zülch-
schen Archivfunde in Würzburg beheimatet wird. Zu diesen archivalischen Tatsachen
sucht Knapp seit Jahren ergänzend das stilistische Beweismaterial zu liefern. Der
Fund des Lindenhardter Altares durch Sitzmann ist ihm und uns dabei zu Hilfe
gekommen, und aus den vollkommen dunklen Anfängen hat Knapp den Zusammen-
hang mit Riemenschneider und Dürer deutlich zu machen versucht. Dies wird für die
Zukunft auch bestehen bleiben. Dagegen hat sich K. in seiner Begeisterung für seinen
Helden so weit hinreißen lassen, die größten Blätter der Dürer-Apokalypse, wie
 
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