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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 30.1936

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https://doi.org/10.11588/diglit.14193#0354
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340

BESPRECHUNGEN

Adrio Adam: Die Anfänge des geistlichen Konzerts. Berlin.
Junker & Dünnhaupt 1935. 149 S. und 31 S. Notenbeilagen. 8°. M. 7.—.

Die Sammlung „Neue Deutsche Forschungen" tritt nunmehr auch mit einer
Reihe „Musikwissenschaft" auf den Plan, die in Verbindung mit Fachvertretern
der Universitäten Berlin, Bonn, Freiburg i. Br., Göttingen, Halle, Heidelberg von
Joseph Müller-Blattau (Frankfurt a. M.) herausgegeben wird. In ihr sollen, dem
Plane der ganzen Sammlung entsprechend, wertvolle Arbeiten junger gesinnungs-
tüchtiger Autoren zusammengefaßt werden. Adrios Arbeit bedeutet einen würdigen
Auftakt. Eine bibliographische Studie wird dargeboten, die tiefgehende Material-
kenntnis verrät und durch kluge Analysen die Erkenntnis der Entwicklung des
geringstimmigen geistlichen Konzertes wesentlich zu fördern versteht. Ein ge-
pflegter Stil empfiehlt von vornherein das Werk, dessen ganze Haltung den ge-
diegenen Arbeiter offenbart. Wenn ich einen leisen Tadel aussprechen darf, so
betrifft dieser mehr Mängel in der Abfassung von Anmerkungen, an denen leider
viele, nicht nur junge Autoren kranken, betrifft das lässige fremdsprachliche Zitie-
ren. Ein jeder noch so gekürzte Titel muß doch einen Sinn haben. Es darf z. B.
nicht das Eigenschaftswort mitgeteilt und das zugehörige Hauptwort verschwiegen
oder ein ganz sinnloser Genetiv als einziger Titelanhalt dargeboten werden, selbst
wenn man daran das Werk erkennen könnte. Und sicherlich wird ein jeder sprach-
lich feiner organisierter Leser einen Ruck bekommen, wenn er den „Vestibulum"
liest. Auch Signaturen von Handschriften als Quellenangaben müssen so wieder-
gegeben werden, daß eine Bestellung danach möglich ist. Der Verf. würde sich
wundern, was er für ein Werk bei Anforderung von mus. ms. 58 der Pr. Staats-
bibliothek bekommt. Die von ihm zitierte Handschrift trägt die Signatur mus. ms.
Winterfeld 58.

Im Interesse klarer Richtlinien für den Leser wäre es zu empfehlen gewesen,
mit der eingehenden Erörterung der trotz gleicher Blickrichtung scharfen Gegen-
sätze der Florentiner monodischen Bewegung und jener aus der Not der Kapellen
geborenen geringstimmigen geistlichen Konzerte Viadanas zu beginnen.

Es ist interessant, den Untersuchungen des Verf.s nachzugehen. Keineswegs
eroberte die Monodie mit einem Schlage die ganze musikalische Welt. Nicht ein-
mal die Italiener beugten sich ohne weiteres den Forderungen der heißblütigen
Florentiner Cameratisten, Kontrapunkt und Polyphonie zum alten Eisen zu werfen.
Die alte Motette lebt auch dort noch weiter, nur neuzeitlich durch einen basso
seguente oder einen wirklichen basso contieno aufgefrischt, der vorerst noch gern
an der motivischen Arbeit teilnimmt. Der Forderung der ausdrucksvollen Dekla-
mation hatte ja schon die Madrigalkomposition vorgearbeitet. Nur noch verstärkt
läßt die Monodie die Melodie aus dem Wortakzent herausfließen. Der Musiker setzt
sich jetzt mehr als früher persönlich mit seinen Texten auseinander und findet
„den Weg zum barocken Pathos". Die Motivbildung wird eine andere, der konzer-
tierende Stil entwickelt sich, der selbst für die Monodie Bedeutung gewinnt. Für
weniger leistungsfähige Kapellinstitute werden nach dem Vorbilde Viaderas gering-
stimmigere Werke geschaffen. Die blockartige Einführung von Stimmengruppen ist
keine Errungenschaft der neuen Zeit. Monteverdis Bedeutung auch für die Ent-
wicklung des kirchenmusikalischen Schaffens wird mit Recht betont.

Bei weitem langsamer als in Italien vollzog sich in Deutschland der Prozeß
der Annäherung und Durchdringung von altem und neuem Stile, obwohl nament-
lich die Konzerte Viedanas durch deutsche Nachdrucke schnelle Verbreitung fanden
und Männer wie Schütz, M. Praetorius, Schein, Aichinger, Archmiller, Staden für
 
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