ÜBER DIE MITTELALTERLICHE KUNST IN BÖHMEN UND MÄHREN. 147
Ziegeldach erhebt sich eine kleine Laterne; ein Paar gekuppelte Fenster, deren Säulchen Würfel-
kapitale haben, befinden sich in den Seiten derselben. Die architektonische Ausstattung ist von der
grössten Einfachheit, so dass selbst die Rotunde einer jeden Zierde entbehrt, und nur die Chornische
jene dem romanischen Baustyl eigentümlichen leistenförmigen Vorsprünge mit den kleinen sie
oben verbindenden Bögen aufzuweisen hat. Diese Kapellen sind so überaus klein, dass
sie wohl nur als Taufkapellen dienen konnten, die wie bekannt seit den frühesten christ-
lichen Zeiten bis in das XI. Jahrhundert öfters, und stets in rundem oder vieleckigem Grund-
plan, neben den Kirchen erbaut worden sind. Mertens in dem soeben angeführten Aufsatz
S. 20 setzt den Bau der kleinen Kapellen in Prag in den Anfang des XII. Jahrhunderts,
später aber in seinen chronologischen Tabellen in das Ende des XIII. Jahrhunderts, welcher
letzten Ansicht wir jedoch in keiner Weise beipflichten können, indem seit Mitte desselben
auch in Böhmen der Spilzbogen-Styl schon allgemein üblich war. In einer Recension der
Baualterthümer in Böhmen von Lorenz im Deutschen Kunstblatt, 1854 Nr. 15, spricht
F. v. Quast seine Ueberzeugung aus, dass jene Kapellen wegen der spät romanischen De-
tails dem Ende des XII. Jahrhunderts angehören dürften. Lorenz a. a. 0. erwähnt noch
zwei andere ähnliche Rundkapellen in Böhmen, namentlich eine in Schelkovvitz von nur 18'
Durchmesser, und in den südöstlichen, jetzt Oesterreich unterworfenen, Landen Deutschlands
kommen dergleichen sehr häufig vor. Hienach ist zu erwarten, dass es den österreichischen
Alterthumsforschern noch gelingen werde, die genaue Zeit der Erbauung jener merkwürdi-
gen Kapellen zu ermitteln.
Die älteste noch stehende Kirche Prags in Basilikenform ist die St. Georgskirche auf
dem Hradschin. Den ursprünglichen Bau Hess Herzog Wratislaw I. ums Jahr 912 aufführen,
welcher jedoch 1142 bei der Belagerung Prags durch den Herzog Konrad ein Raub der
Flammen wurde. Hierauf wurde sie, wie es scheint, wieder ganz neu aufgebaut; doch auch
dieser Bau erlitt grosse Unbilden, als die Hussiten im Jahr 1420 die Nonnen aus dem
dazu gehörigen Stift vertrieben. Der alte Theil der jetzigen Kirche besteht aus einem Mit-
telschiff und zwei schmalen Nebenschiffen, welche durch je zwei Pfeiler und eine sehr stäm-
mige Säule von einander geschieden sind. Das mittlere ist mit einem Tonnengewölbe
überdeckt, und mit halben die Emporen der Abseilen. Der erhöhte Chor hat eine Krypta mit
sechs zierlichen Säulchen mit Würfelkapitälen. An den Seiten des Querschiffes stehen
massive, viereckte Thürme, und an der Südseite befindet sich ein kleines Portal mit einein
ganz antik aussehenden Giebel von zwei canellirten Säulen componirter Ordnung gelragen.
Nach einer Abbildung desselben bei Wocel hatten die attischen Säulenfüsse jene Eckblätter,
welche den Wulst mit der Platte verbinden und einen sichern Anhaltspunkt für die Zeit
ihrer Entstehung, nämlich das XII. Jahrhundert, abgeben. *) Dieses vielfach veränderte Portal
ist in einem sehr verschiedenen und schönern Styl als alle übrigen Theile der Kirche aus-
geführt und bildet daher etwas für sich Selbständiges an diesem Bauwerke.
*) In neuester Zeit hat ein Steinmetz bei Herstellung der Kirche jene Eckblätter abjjemeissclt und auch die Ka-
pitale sehr verunstaltet.
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Ziegeldach erhebt sich eine kleine Laterne; ein Paar gekuppelte Fenster, deren Säulchen Würfel-
kapitale haben, befinden sich in den Seiten derselben. Die architektonische Ausstattung ist von der
grössten Einfachheit, so dass selbst die Rotunde einer jeden Zierde entbehrt, und nur die Chornische
jene dem romanischen Baustyl eigentümlichen leistenförmigen Vorsprünge mit den kleinen sie
oben verbindenden Bögen aufzuweisen hat. Diese Kapellen sind so überaus klein, dass
sie wohl nur als Taufkapellen dienen konnten, die wie bekannt seit den frühesten christ-
lichen Zeiten bis in das XI. Jahrhundert öfters, und stets in rundem oder vieleckigem Grund-
plan, neben den Kirchen erbaut worden sind. Mertens in dem soeben angeführten Aufsatz
S. 20 setzt den Bau der kleinen Kapellen in Prag in den Anfang des XII. Jahrhunderts,
später aber in seinen chronologischen Tabellen in das Ende des XIII. Jahrhunderts, welcher
letzten Ansicht wir jedoch in keiner Weise beipflichten können, indem seit Mitte desselben
auch in Böhmen der Spilzbogen-Styl schon allgemein üblich war. In einer Recension der
Baualterthümer in Böhmen von Lorenz im Deutschen Kunstblatt, 1854 Nr. 15, spricht
F. v. Quast seine Ueberzeugung aus, dass jene Kapellen wegen der spät romanischen De-
tails dem Ende des XII. Jahrhunderts angehören dürften. Lorenz a. a. 0. erwähnt noch
zwei andere ähnliche Rundkapellen in Böhmen, namentlich eine in Schelkovvitz von nur 18'
Durchmesser, und in den südöstlichen, jetzt Oesterreich unterworfenen, Landen Deutschlands
kommen dergleichen sehr häufig vor. Hienach ist zu erwarten, dass es den österreichischen
Alterthumsforschern noch gelingen werde, die genaue Zeit der Erbauung jener merkwürdi-
gen Kapellen zu ermitteln.
Die älteste noch stehende Kirche Prags in Basilikenform ist die St. Georgskirche auf
dem Hradschin. Den ursprünglichen Bau Hess Herzog Wratislaw I. ums Jahr 912 aufführen,
welcher jedoch 1142 bei der Belagerung Prags durch den Herzog Konrad ein Raub der
Flammen wurde. Hierauf wurde sie, wie es scheint, wieder ganz neu aufgebaut; doch auch
dieser Bau erlitt grosse Unbilden, als die Hussiten im Jahr 1420 die Nonnen aus dem
dazu gehörigen Stift vertrieben. Der alte Theil der jetzigen Kirche besteht aus einem Mit-
telschiff und zwei schmalen Nebenschiffen, welche durch je zwei Pfeiler und eine sehr stäm-
mige Säule von einander geschieden sind. Das mittlere ist mit einem Tonnengewölbe
überdeckt, und mit halben die Emporen der Abseilen. Der erhöhte Chor hat eine Krypta mit
sechs zierlichen Säulchen mit Würfelkapitälen. An den Seiten des Querschiffes stehen
massive, viereckte Thürme, und an der Südseite befindet sich ein kleines Portal mit einein
ganz antik aussehenden Giebel von zwei canellirten Säulen componirter Ordnung gelragen.
Nach einer Abbildung desselben bei Wocel hatten die attischen Säulenfüsse jene Eckblätter,
welche den Wulst mit der Platte verbinden und einen sichern Anhaltspunkt für die Zeit
ihrer Entstehung, nämlich das XII. Jahrhundert, abgeben. *) Dieses vielfach veränderte Portal
ist in einem sehr verschiedenen und schönern Styl als alle übrigen Theile der Kirche aus-
geführt und bildet daher etwas für sich Selbständiges an diesem Bauwerke.
*) In neuester Zeit hat ein Steinmetz bei Herstellung der Kirche jene Eckblätter abjjemeissclt und auch die Ka-
pitale sehr verunstaltet.
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