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Zeitschrift für christliche Kunst — 15.1902

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Braun, Joseph: Zur Entwicklung des liturgischen Farbenkanons, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.4074#0063

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1902. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 3.

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liturgischen Farbenkanons, ohne jedoch densel-
ben in seinen Einzelheiten mitzutheilen.10) Er
belehrt uns nur, es wechsle die Farbe der Kasel
je nach der Zeit. So werde Ostern ein weifses,
Pfingsten ein rothes Mefsgewand gebraucht.

Bei den übrigen Liturgikern des XII. Jahrh.,
angefangen von Ivo von Chartres bis auf
Johannes Beleth, herrscht bezüglich einer litur-
gischen Farbenregel, wie sie uns bei Inno-
cenz III. und Sicardus entgegentritt, Schweigen.

Wohl redet Ivo von Chartres von den
Farben der Sacralgewandung des mosaischen
Kultus, dagegen thut er in seiner Deutung der
hl. Kleidung des N. Bundes irgend welcher
liturgischen Farben nicht die geringste Er-
wähnung. An einzelnen Stellen ist sein Ver-
halten besonders auffällig, so z. B., wenn er
gelegentlich der Besprechung des jüdischen
Ephod bemerkt: Quod autem nostrorum ponti-
ficum superhumerale (gemeint ist der Amict)
non est tot coloribus intextum, nee est tarn
pretiosis gemmis redimitum, nihil refert, cum
christiana religio veritati serviens compendiosis
figuris idem intellegi faciat, quod vetus ob-
servantia sumptuosis.n)

Rupert von Deutz hebt hervor, es habe
bei den alttestamentlichen Kultkleidern alles,
auch die Farbe, einen mystischen Sinn ge-
habt,12) Iäft aber dann bei den Erörterungen
über die liturgische Gewandung der Kirche
deren Farbe ganz und gar unberührt.

Honorius von Autun schildert in der
„Gemma animae" den Garten Gottes und ver-
gleicht dabei die Märtyrer mit Rosen, die
Jungfrauen mit Lilien, diejenigen, welche die
Welt verachten, mit Veilchen, die Weisen mit
grünen Kräutern.13) Wer jedoch auf Grund

10) »Mitrale« 1. 2, c. 5 (Migne P.l. CCXIII, 77).

u) »Sermo 3« (Migne CLXII, 523); vergl. über
die Farbe des Cingulum ibid. (p. 522).

I2) »De off. div.« 1. 1, c. 18 (Migne P. 1.,
CLXX, 22). Nach der Uebersetzung, welche R o h a u 11
de Fleury »La Messe VIII 37« von dieser Stelle
giebt, sollte man glauben, Rupert rede in derselben
von liturgischen Farben der Kirche. Rohault hat in-
dessen Rupert's Worte gründlich mifsverstanden.

IS) 1. 1, c. 162 (Migne P. 1. CLXXII, 594).
Rohault de Fleury (1. c.) läfst Honorius in der
„Gemma animae" sagen, die Farbe für die Märtyrer
sei Roth, für die Jungfrauen Weifs. In vielen Riten
seien Grün und Gelb die Farbe für Bischöfe und Do-
ctores, Violett die der Mönche und der hl. Frauen.
Es mufs bemerkt werden, dafs sich bei Honorius von

hiervon erwartet, es werde Honorius, wenn er
gleich darauf die hl. Kleidung der Bischöfe,
Priester und übrigen Kleriker behandelt, auch
der Farbe derselben ein Wort widmen, wird
sich völlig enttäuscht sehen.

Das .,Sakramentarium" erzählt uns,14) der
Panther habe sieben Farben: Schwarz, Weifs,
Grau, Gelb, Grün, Blau, Roth. Dann deutet
es dieselben, doch nicht auf die Farbe der
priesterlichen Kleider, sondern auf deren Zahl
und die sieben Tugenden, die dem Priester
eigen sein müfsten.

Sehr bezeichnend für die Lage der Dinge
ist auch, was Bruno von Segni gelegentlich
der Besprechung der bischöflichen Tunika hin-
sichtlich deren Farbe bemerkt: Wenn sie weifs
ist, sinnbildet sie, dafs alle, welche der Kirche
die Speise des Gotteswortes reichen, rein und
mackellos sein müssen; hat sie eine andere
Farbe, mag man sie anders deuten.u>)

Das „Speculum de mysteriis ecclesiae" weifs
uns nur zu berichten: Coccinea planeta, qua
induitur apostolicus, quocumque profiscisatur
praedicando, martyrium declarat.16)

Robertus Paululus beschränkt sich auf die
Bemerkung, man trage von Charsamstag an
bis zum Samstag nach Ostern weifse Gewän-
der.17) Etwas mehr hören wir von Johannes
Beleth. In einigen Kirchen, so berichtet er
uns nämlich, sei es Sitte wie in der Oster-
woche, so auch von Weihnachten bis Epi-
phanie sich weißer Gewänder zu bedienen.
Ferner sagt er uns, bei der Matutin von Weih-
nachten und Ostern würden wohl drei Tücher
auf den Altar gelegt, ein schwarzes, weiß-
liches und rothes als Sinnbilder der Zeit vor
dem Gesetze, der Zeit unter dem Gesetze und
der Zeit der Gnade und dann nach jeder
Nokturn bezw. den einzelnen Lektionen des
Osterofficiums eines weggenommen.18) Das ist
aber auch alles, was wir von ihm vernehmen.

(Fortsetzung folgt.)

Luxemburg. J. Braun.

allem dem nichts findet. Wie Rohault zu seiner An-
gabe kommt, ist mir unerfindlich.

14) c. 29 (Migne P. 1. CLXXII, 762).

16) »De sacr. eccl.« (Migne P. 1. CLXV, 1103).

16j c. 45 (Migne P. 1. CLXXVII, 403).

") »De off. eccl.« 1. 3, c. 27 (Migne P. 1.
CLXXVII, 453).

18) »Rationale off. div.« c. 69, 115 (Migne P.l.
CCII, 75, 120).
 
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