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Zeitschrift für christliche Kunst — 15.1902

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Steffens, Arnold: Die alten Wandgemälde auf der Innenseite der Chorbrüstungen des Kölner Domes, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.4074#0092

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131

1902.

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 5.

132

dem Prof. Dr. Clemen für sein grofses Werk
über die rheinisch-westfälischen Wandmalereien
überlassen hat, mit dessen dankenswerthem
Einverständnifs sie bereits hier in kleineren Ab-
bildungen erscheinen.

Die beiden letzten der Vierung zunächst-
liegenden Bilderreihen, von denen die eine
fast bis zur Unkenntlichkeit verdorben ist,
die andere beinahe ganz übertüncht war, haben
damals keine Beachtung gefunden.

Da man in verständnifsvoller Würdigung
der Schwierigkeit der Aufgabe es nicht wagte,
die Gemälde wiederherzustellen, so wurden
Stickereien mit Bildern, die das Apostolische
Glaubensbekenntnifs, die sieben Sakramente
und das h. Mefsopfer zum Vorwurf haben, im
Architekturstil der Wandgemälde angefertigt,
um so die Chorwände zu schmücken und
gleichzeitig die Malereien vor weiterem Ver-
fall möglichst zu schützen.

So sind diese beredten Zeugen des Kunst-
sinnes unserer Vorfahren dem jetzt lebenden
Geschlechte unbekannt geblieben. Aufser einer
kurzen Notiz im Domführer von Theodor
Helmken1) hat die neuere Zeit keine Literatur
über sie aufzuweisen. Im Domblatt des Jahres
18462) hat Ernst Weyden eine allseitige Be-
schreibung derselben versucht. Allein dieselbe
erstreckt sich einerseits nur auf die vier ersten
Bilderreihen, andererseits ist die Anordnung
verkehrt aufgefafst, mehrere Bilder sind un-
richtig gedeutet, die Entzifferung der Inschriften
ist gänzlich verfehlt. Eine Ergänzung des
Fehlenden hat Weyden nicht gewagt, das Vor-
handene durchgängig falsch gelesen. Beispiels-
weise schreibt er indigna statt indiga, temperavit
statt temptavit, Episcopos statt Christicolas
(Xpicolas), mediolanum statt ambrosianum, no-
tantur statt vocantur, orino statt cirino, optat
für operantur u. s. w. „Die leoninischen Verse"
schreibt er „sind leider meist so verstümmelt,
dafs es unmöglich ist, dieselben zu ergänzen,
und ich nur die Stellen geben kann, welche
mit einiger Gewifsheit zu lesen und zu ent-
ziffern waren, ohne behaupten zu wollen, dafs
ich überall richtig gelesen habe."

Eine kurze Beschreibung der Wandgemälde
namentlich nach der stark vernachlässigsten

J) »Der Dom zu Köln« von Franz Theod.
Helmken, 4. Aufl. (Köln 1899) S. 127—130.

2) »Kölner Domblatt« 1846, Nr. 12, 13, 15, 16, 19.

ikonographischen Seite hin dürfte daher
nicht überflüssig sein. Auch ist die unmöglich
scheinende Entzifferung der aus leoninischen
Versen bestehenden Legenden möglich gewesen,
und die betreffenden Versuche sollen hier mit-
getheilt werden.

Die einzelnen Gruppenbilder sind reich
komponirt, und wenn auch die Absichtlichkeit,
die Gesichter immer ganz zu zeigen, noch eine
gewisse Aengstlichkeit im Zeichnen verräth,
an eigentliche Perspektive nicht zu denken ist,
da alle Personen und Gegenstände nach dem
Hintergrunde zu immer in gröfserm Mafsstabe
aufwärtsgehend behandelt sind, Verkürzungen
noch an die Kindheit der Kunst erinnern,
so herrscht doch, wie Weyden sagt, in der
Farbenwahl ein gewisses natürliches Gefühl für
Luft- oder Farben-Perspektive. Denn während
das in der reinsten und reichsten Gothik
ausgeführte Mafswerk, welches den Bildern
die architektonische Umrahmung gibt, in den
drei Grundfarben Roth, Gelb und Blau gemalt
ist in Uebereinstimmung mit den Grundtönen
der Glasgemälde des Chores, sind die Figuren
selbst in gebrochenen Farben behandelt,
wodurch sie natürlich zurücktreten müssen.
Dabei ist die höchste natürliche Anmuth, seelen-
volle Innigkeit und ein übernatürlicher Lieb-
reiz in den einzelnen Köpfen und Figuren in
einer Weise zum Ausdruck gebracht, wie wir
es sonst bei Malereien dieser Periode kaum
finden. Die Gewandungen sind im Faltenwurf
grofsartig und natürlich, die Stoffe einfach. Der
einzige Zierrath besteht in einem goldenen
Saume, der an allen Gewändern angebracht
ist. An die alte byzantinische Kunstweise er-
innern die Beischriften und Ueberschriften,
welche neben oder über den Hauptpersonen
der einzelnen Gruppen zur Kennzeichnung
angebracht sind.

Die unter den Gruppen angebrachten zwei-
zeiligen Legenden zeigen kunstvolle Initialen,
vor welchen ebenso wie zum Schlufs der
Verszeilen niedliche Gruppen und Figlirchen
in Miniaturmalerei angebracht sind. Sie sind
in Gold mit kräftig schwarzen Konturen aus-
geführt; Gesichter und Hände dagegen fein
kolorirt. Die Lebhaftigkeit der Bewegungen,
die Mannigfaltigkeit der Darstellungen, die
Richtigkeit und Sicherheit der Zeichnung, die
Feinheit der Ausführung machen diese Minia-
turen zu dem Vollkommensten, was die da-
 
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