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Zeitschrift für christliche Kunst — 15.1902

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Steffens, Arnold: Die alten Wandgemälde auf der Innenseite der Chorbrüstungen des Kölner Domes, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.4074#0096

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139

1902.

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 5.

140

des alten Kölner Breviers entnommen,
wie im Einzelnen noch nachgewiesen werden
wird.

Gehen wir nunmehr zur Beschreibung der
einzelnen Bilder über.

I. Aus dem Leben unserer lieben Frau.

Die Bilderreihe aus dem Leben unserer
lieben Frau sowie die aus 'der Legende der
hh. drei Könige sind mit sichtbarer Vorliebe
behandelt. Des Meisters Hand scheint hier
gewaltet zu haben. Ein liebeseliger Glaube
ist hier in den Formen lebendig geworden.

Eine Kopie dieser Bilderreihe befindet sich
in den Glasfenstern der Sakramentskapelle des
Domes. Um die Mitte des vorigen Jahrhunderts
wurde sie nach Zeichnungen Ramboux von
P. Grafs ausgeführt.

1. Ein Engel verkündet Joachim die
Geburt einer Tochter.

In der schmalen Nebenarkade sehen wir
an einem Bergabhange weidende Schäfchen.
Im Hauptbilde ist ein bärtiger Mann dargestellt
mit der Ueberschrift ioachim. Vor ihm steht
eine schlanke Engelsgestalt in langem, weifsen
Gewände; sein Haupt umstrahlt der einfache
Heiligenschein. Man sieht an Geberde und
Haltung, dafs er dem Joachim etwas mittheilt,
der offenbar von der Botschaft überrascht ist.
Die Rechte hebt Joachim fragend empor, die
Linke stützt er auf einen Krückstock.

Die Legende ist ziemlich erhalten. Die noch
vorhandenen Buchstaben sind im Folgenden
überall in Fettschrift wiedergegeben, die Er-
gänz ung in kleinerer einfacher Schrift.
Eine sinngetreue metrische.Uebersetzung habe
ich mir beizufügen erlaubt.

Nuntius iste d©i ioachim tulit esse necesse
Ex anna qubd ei nascetur virgula iesse.
Kunde erhielt Joachim, es sei gekommen die Zeit,
Dals aus Anna's Schoofse entspriefse Isai's Maid.

2. Die Geburt Mariens.
Auf einem Sessel mit hohem Rücken sitzt
eine Frau. Ueber ihr steht geschrieben anna.
Sie hält in den Armen ein Kindlein, einge-
wickelt in weifses Linnen, das über Kreuz mit
blauen Bändern umwunden ist. Ueber dem
Kinde steht maria. Das Köpfchen Maria's
ist mit dem Heiligenschein umgeben. Zu
Anna's Füfsen sitzt eine schlummernde Wärterin.
In der Höhe schweben fünf weifsgekleidete
Engel mit blau auslaufenden Flügeln. Der

untere rechts vom Beschauer spielt Cymbal,
der links Geige. Die drei anderen scheinen zu
singen. Die Legende ist in den Glasfenstern
der Sakramentskapelle folgendermafsen wieder-
gegeben:

Virtutum speculum parit anna cito pariiurum
Lumen praesidium salvatoremque futurum.

Die Ergänzung der fehlenden Worte ist
jedoch unrichtig. Die noch vorhandenen Buch-
staben sind nämlich nicht berücksichtigt. In
der ersten Zeile ist die Initiale C deutlich zu
lesen. Die beiden ersten Worte sind zweifels-
ohne Candens lilium im Anklang an eine
damals volksthümliche Sequenz zu ■ Ehren
Mariens, die anhub mit den Worten: Ave rosa
generosa, salve candens lilium.*) Die Bezeich-
nung des Kindes als blendend weifser Lilie
pafst auch besser zu dem Bilde, in welchem
das Kind in weifser Hülle dargestellt ist. Die
Legende ist meines Erachtens in folgender
Weise zu lesen:

Candens lilium parit anna cito pariturum
Fulgorem editurum salvatoremque futurum.
Rein wie die Lilie ist jene, die Anna zur Welt hat geboren,
Die vom Heiland der Weit als Mutter wurde erkoren.

Mit den Worten der zweiten Zeile Fulgorem
editurwn ist Mariens Sohn als Lichtbringer be-
zeichnet. Er war ja „das Licht, welches er-
leuchtet jeglichen Menschen, der da kommt in
diese Welt."6)

3. Die Verkündigung.

Die h. Jungfrau, über deren mit dem Nimbus
umstrahlten Haupte der Name maria geschrieben
ist, steht im blauen Gewände mit rosenfarbigem
Mantel vor einem Betstuhle, von dem sie sich
eben erhoben zu haben scheint. In der Linken
hält sie ein Buch und den aufgeschürzten
Mantel, die erhobene Rechte bringt ihre Ueber-
raschung zum Ausdruck. Mild jungfräulich,
kindlich unschuldig ist der Gesichtsausdruck
Maria's. Ihr blondes Haar wallt, frei von der
Stirn gestrichen, über den Rücken. Holdselig
und ehrerbietig steht vor ihr der Erzengel
Gabriel in sprechender Haltung. Er trägt ein
rothes Gewand und einen grünen, blau aus-
geschlagenen Mantel, hat hellbraunes, krauses
Haar; sein Haupt ist vom Heiligenschein um-
geben.

4) Petri de Dacia vita Christinae Stumbelensis,
edidit Johannes Paulson. (Gotoburgi 1896) fasc. 2,
pag 200.

6)Joh. 1, 9.
 
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