Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Zeitschrift für christliche Kunst — 15.1902

DOI Artikel:
Vöge, Wilhelm: Die Bamberger Domstatuen, ihre Aufstellung und Deutung
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.4074#0228

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
359

1902. •

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 12.

360

indem er der Verkündigung Maria die Begegnung
derselben mit Elisabeth anreihte. Ja, indem er
hier den Accent auf die Weissagung der letzteren
legte (Luc. I, 39 ff.), hat er die Gruppe innerlich
auf den Charakter des ganzen Cyklus ge-
stimmt. Denn neben der Verkündigung be-
finden sich hier an der Nordseite die disputi-
renden Propheten, eine Darstellung, die ein
Titulus voni Chor der alten Hersfelder Kloster-
kirche erläutern mag:

Patres bisseni, divino pneumate phni
Ortum nasceniis, clauso de venire parenlis
Cernunt, effantur, praesignant, testificantur,
Peciore, sermone, factis scriptis, ratione, 4)

Andererseits setzt der h. Dionysius die
Reihe der Bamberger Heiligen (im Anschlufs
an den hl. Michael) fort. Der lachende Engel
aber hält nicht ein Spruchband, sondern, wie
Franck5) richtig bemerkt, eine Krone, es ist
also kein Verkündigungsengel, den wir auch
nicht erwarten; denn die Verkündigung war
ja schon dargestellt! Wozu gehört er aber'
dann ? wohl zum h. Dionysius, dem er die Krone
des Lebens reicht. Gerade die ihr Haupt in
Händen haltenden h. Bischöfe sind wiederholt
von Engeln begleitet dargestellt; ja, der Bam-
berger Engel geht seiner Erfindung nach auf
einen solchen zurück; das Motiv des Ueber-
reichens der Krone aber ist auf Märtyrerdar-
stellungen etwas ganz Geläufiges. Nicht unwichtig
endlich, dafs diese zwei Statuen auch im Stil,
in ihrer, den anderen gegenüber vereinfachten,
kahleren Gewandbehandlung zusammengehen.

Der reitende König schliefst sich in seiner
noch kleinlicheren Faltenbehandlung der Visi-
tatiogruppe auf's engste an. Soweit der Stil
ein Urtheil gestattet, sind diese Figuren die
ältesten, die der jüngere Meister für den Chor
geschaffen hat. Gliedert sich der Reiter auch
inhaltlich der Szene der Begegnung an?

Dafs der Reiter jedenfalls für das Innere, für
den Chor geschaffen ist, ergeben schon die
Maafsverhältnisse. Er allein hat noch den
ursprünglichen mit Blätterwerk verkleideten
Sockel. Dieser Sockel aber ist für den (ca.
1,45 m breiten) Vorsprungc) des den Chor

\

*) v. Schlosser »Schriftquellen zur Gesch. d.
karol. Kst.«, (1892), S. 338.

') »Christliches Kunstblatt« (1901), S. 98 Anm.

6) Für Vermessung der Architekturtheile bin ich
Herrn J. Neubauer, kgl. Seminarlehrer in Bamberg, zu
Dank verpflichtet.

flankierenden Nordpfeilers berechnet, mit dessen
Kanten er sich vergleicht. Hier, an der dem
Hauptschiffe zugekehrten Stirnseite des Nord-
pfeilers befindet die Figur sich heute noch.
Die sorgfältige Bearbeitung des Sockels auch
nach den Seitenflächen zu, wie die der Rück-
seite von Rofs und Mann, die liebevolle, mit
der Betrachtung aus der Nähe rechnende Durch-
führung des Ganzen, läfst zudem erkennen, dafs
wir es hier nicht mit einer für die Höhe einer
Fassade bestimmten Gruppe zu thun haben.

Wir gewinnen also mit dem Reiter einen
festen Punkt für die räumliche Anordnung.
Den zweiten aber gewährt das Verkündigungs-
relief, ganz links an den Schranken der Nord-
seite.7) Die Gruppe der Maria und Elisabeth
nun kann sich nur rechts an dieses letztere
angeschlossen haben. Und zwar dürften, da
die beiden, an der Rückseite unbearbeiteten
Figuren bestimmt sind, sich unmittelbar an eine
Mauer zu lehnen, nur die Stirnseiten der beiden
rechts der Verkündigung vorspringenden Pfeiler
in Frage kommen, auf deren erstere jetzt die
Brüstung der Sängertribüne stöfst, an deren
zweitem die Maria jetzt wieder angebracht ist. 8)

Ist es nun nicht sehr auffallend, dafs wir,
an dem nächsten Pfeiler rechts der Maria den
reitenden König haben, eine Figur also, die für
die hier in Betracht kommende biblische Szene
sehr wohl passen würde? Diese Szene ist die
Anbetung der hh. Drei Könige, denn die Geburt
selbst eignet sich für eine Darstellung in Einzel-
statuen überhaupt nicht.

Der Zug der Magier zu Pferde, als deren
letzten oder mittleren wir den Reiter dann zu
fassen hätten, ist schon im Drogosakramentar
gesondert dargestellt. Besonders geläufig ist
diese Szene der Plastik des hohen Mittelalters.
Niccolö und Giovanni Pisano wie ihre Vorläufer
in Oberitalien und Toskana haben dies Sujet
immer auf's neue behandelt, auch die franzö-
sische Plastik (Arles, St.-Trophime, St.-Be"nigne
in Dijon, Vermenton, Westportal, Kapitell ganz
rechts u. a.) liebt es. Aber auch für den Platz,
unmittelbar links vom Choreingang,
ist es nachweisbar, in der Kirche von Vic

7) Von dieser Stelle ist es erst seit Errichtung der
Sängertribltne entfernt; dafs es jetzt gröfser erscheint,
als die übrigen Reliefs, ist eine Täuschung.

8) Die Art, wie sie jetzt an ein und demselben
Pfeiler, im rechten Winkel zu einander angebracht
sind, ist unmöglich die ursprungliche.
 
Annotationen