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Zeitschrift für christliche Kunst — 15.1902

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Vöge, Wilhelm: Die Bamberger Domstatuen, ihre Aufstellung und Deutung
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https://doi.org/10.11588/diglit.4074#0229

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361

1902. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST

Nr. 12.

362

(Depart. Indre-et-Loire, XII. Jahrh.).9) Hier
findet man unterhalb der am Triumphbogen
thronenden Apostel links die hh. Drei Könige
zu Pferde und die Anbetung, rechts neben
einer noch unerklärten Szene die Verkündi-
gung, also einen ähnlichen Cyklus, wie er in
Bamberg geplant zu sein scheint.

Auffallend überein kommt in der Stoffwahl
mit dem für Bamberg Vorausgesetzten auch die
malerische Ausschmückung des Chores der
Schlofskapelle von Ober-Montani (Tyrol).10)
Aufser wie in Bamberg paarweis geordneten,
hier sitzend dargestellten Aposteln finden wir
hier am Triumphbogen die Verkündigung
Maria, die linke nördliche Chorwand aber füllt
in der ganzen Breite ein figurenreiches Bild:
die Anbetung der Könige aus, wo man rechts
der Anbetungsgruppe selbst, die Könige mit
reichem Gefolge, dem über ihnen leuchtenden
Sterne nachstrebend, heranziehen sieht. Dafs
hier eine uralte Disposition festgehalten ist, er-
gibt sich aus der Anordnung des Jüngsten
Gerichtes an der VVestwand, aus der der Passion
an der Südseite des Schiffes. Denn so wird
schon in den Carmina Sangallensia die Heils-
geschichte im Kirchenraum vertheilt.

Von besonderem Interesse sind hier noch
die Tituli der alten Hersfelder Klosterkirche,
die wie Bamberg eine doppelchörige Anlage
zeigte. In vestibulo chori superioris waren hier
rechts die zwölf Apostel, links die zwölf Pro-
pheten dargestellt. Die um die letzteren sich
herumziehende (oben wiedergegebene) Inschrift
läfst in der Lebhaftigkeit ihrer Abfassung fast
an eine ähnlich dramatische Gestaltung des
Sujets, wie in Bamberg denken. Ja, von Schlosser
wirft die Frage auf, ob es sich hier nicht um
Reliefs handle, denn von den Versen heifst
es einmal: „saxis insculpti".10a) An die Verse
für die Apostel und Propheten schliefsen sich
weitere „deorsum legendi",n) zu einem neu-

9) Gelis Didot et Laffilde, La peinture decor. en
France, Taf. 6.

w) Clemen »Beiträge zur Kenntnifs älterer Wand-
malereien in Tyrol«. Mitt.d. C.C. Neue FolgeXV, 191.

10a) Dafs schon um das Jahr 1000 plastischer
Schmuck an den Chorwänden (resp. Schranken) vor-
kam, bezeugt S. Stephani vita, Migne, »Patrol. lat.«
151, 1203 (celaturis in chori pariete di-
stinctis), eine für die deutsche Plastik doppelt wich-
tige Stelle.

n) d. h. die Worte oder die Buchstaben unter
statt neben einander.

testamentlichen Cyklus gehörig, der sich
irgendwie auch räumlich hier angeschlossen zu
haben scheint. Er beginnt mit der Verkün-
digung und Geburt. Dann heifst es: nova
Stella magos ducit, und darauf: per tria dona
deus infans magnificatur. Es war hier also,
wie ich es für Bamberg muthmafse, neben der
Anbetung der Könige der Zug der letzteren
hinter dem Sterne her gesondert geschildert.
Dies ist darum besonders merkwürdig, als die
ältere Bamberger Skulpturenschule ihrem Style
nach etwa auf diese Gegend, auf Fulda zu
weisen scheint.

Die lugende Wendung des Halses, die der
Bamberger Meister dem Reiter gegeben hat
— das Reimser „Vorbild" blickt geradeaus —
scheint mir zu der Situation, die in Frage ist,
nicht übel zu passen. Schon Weese sagt:
„sein Auge sucht ein fernes Ziel." Ist nicht
das Ausschauen nach dem Sterne gemeint?
Auch bei der Elisabeth .ist die Lebhaftigkeit
der Auffassung nicht künstlich hineingetragen,
sondern im biblischen Vorgange begründet!
Die Bartlosigkeit wäre bei dem dritten (zur
Noth auch bei dem mittleren) der Magier am
Platze. Andererseits darf es nicht Wunder
nehmen, wenn er ohne seine Gabe kommt.
Nur mit den Zügeln in der Hand hat man die
reitenden Magier oft gegeben. Auch in Vic
erscheinen sie so, nach dem alten Stiche zu
schliefsen, auch in Dijon, Gruamons; die Pisani
haben sie zum Theil so dargestellt, auf byzan-
tinischen Mosaiken kommen sie so vor.

Die Anbetung der Könige gehört zu den
Szenen, die seit S. Apollinare nuovo im oder am
Ostchor am häufigsten angebracht sind. Noch
wichtiger ist die Vorliebe der süddeutschen
Monumentalskulptur gothischer Zeit für diese
Darstellung. In der plastischen Innendekoration
nimmt sie hier geradezu die erste Stelle ein,
sie ist offenbar nicht selten die einzige ge-
wesen, die in grofsen Einzelstatuen im Innern
dargestellt war. So finden wir sie fast gleich-
zeitig mit den Bamberger Sachen in Wimpfen
i. Th., und zwar — wo wir sie auch in Bamberg
vermuthen — an der nördlichen Chorwand. In
Nürnberg haben wir sie im Chor der Frauen-
kirche wie in dem von S. Sebald, im Würz-
burger Dom an den Schiffspfeilern der Nord-
seite; auch in Ochsenfurt findet sie sich u. s. w.
Merkwürdig ist es doch auch, dafs in Bamberg
eine Darstellung der Anbetung dann thatsäch-
 
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