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An der Schweiie der Christianisierung Polens
Ostrów Lednicki

An dem Weg von Poznań (Posen) nach Gniezno (Gnesen), bei dem Dorf Lednogóra, erscheint ein
schmaler, langer See — Lednica genannt. Auf dem See befindet sich eine Insel, die den Namen
Ostrów Lednicki tragt. In ihrem sudłichen Teil erhebt sich ein Ring der aus Holz und Erde gebauten
Walie einer Burg aus der fruhen Piastenzeit. Der nórdliche, unbebaute Teil war im 10. und 11. Jh.
durch zwei Holzbrucken mit dem Festland verbunden. In dem sudłichen Teil des Burgwalls sind die
Ruinen eines Komplexes von Steinbauten sichtbar, die nach der Ost-West-Achse angelegt sind. Den
óstlichen Teil der Ruinę bildet eine Zentralstruktur auf dem GrundriR eines griechischen Kreuzes mit
einer halbkreisformigen Apsis und einem Umgang, dessen Abrib Kreisausschnitte bilden. Der kreuz-
lormige Teil ist im Innem von dem Umgang durch vier, auf den Grundrissen von Kreisvierteln
errichtete Pfeiler abgetrennt. Vom Westen grenzen an den Zentralbau die Mauern eines auf dem
Grundrib eines langlichen Rechtecks errichteten Gebaudes, das in sechs Raume geteilt ist: II, Ila, III,
Ilia, iy V In der sud-óstlichen Ecke des langlichen Gebaudes befinden sich Uberreste des Treppen-
hauses einer Wendeltreppe; in den óstlichen Raum dieses Gebaudes wurde dagegen, noch im
Mittelalter, ein vierseitiger Annex mit der Treppe in der Mauerstarke eingebaut. Beide Treppen haben
einen gemeinsamen Eingang in den Zentralbau, in seiner sud-westlichen Ecke. Ein anderer Eingang
befindet sich in der westlichen Mauer des Zentralbaus; er verband ihn mit dem langlichen Gebaude.
Zwischen den Eingangen befindet sich in der Mauerstarke ein Brunnen. Es gibt auf der Insel keine
Spuren irgendwelcher Bauten aus dem Spatmittelalter oder aus der Neuzeit. Man verfugt uber keine
schriftlichen Quellen far Ostrów Lednicki.
Wissenschaflliches Interesse fur die Bauten der Insel fing erst am Anfang des 19. Jh. an. Seit
dieser Zeit hat sich reiche, das Problem betreffende Literatur angesammelt. Die erste Monographie
der Ruinę wurde 1876 von M. Sokołowski unter Mitarbeit von W Łuszczkiewicz bearbeitet. Die
nachstfolgende, aus der Feder des deutschen Architekten H. Weidhaas erschien 1940, die dritte von
W. Dalbor im Jahre 1959. AuRer den Genannten haben viele andere Wissenschaftler an der Diskussion
uber die Probleme der Form und des Stils, sowie der Datierung und Baubestimmung teilgenommen.
Was die Bestimmung anbetrifh, war man meistens der Meinung, daR der Komplex des Zentral- und
des Langsbaus ais Kapelle und Palast der ersten Piastenherrscher errichtet worden sei. Der Typ der
Kapelle wurde ais Kreuzoktogon und am haufigsten ais griechisches Kreuz mit Umgang oder ein in
den Kreis eingeschriebenes Kreuz bezeichnet. Unter den Ansichten uber die fbrmal-stilistische Genese
waren zwei Meinungen vorherrschend: die óstlich-byzantnische und die abendlandische. Die bisher
vorgeschlagene Datierung des ganzen Komplexes schlieRt sich in der Zeit von der Mitte des 10. Jh.
bis Mitte des 11. Jh. ein. Nur den sog. Annex datiert man spater, in die Zeit zwischen der Mitte des
11. Jh. und dem 13. Jh. Im Jahre 1962 wurden im nórdlichen Teil der Burg Spuren einer Saalkirche
mit Rechteckchor und zwei Annexe an der Nordseite entdeckt. Der GrundriR dieses Baus ist in Gestalt
der Fundamentausbruchgruben vorhanden. Die Fundamente und ein Teil der Mauern der Annexe sind
erhalten. Der entdeckten Kirche ist bisher keine monographische Arbeit gewidmet worden.
1987 wurde ein Forscherkollektiv berufen, dessen Aufgabe in der Bearbeitung einer neuen
Monographie der Steinarchitektur auf Ostrów Lednicki bestand. Zum Kollektiv gehórten drei Archaolo-
gen aus dem Museum der Ersten Piasten auf Lednica: M. Łastowiecki, J. Górecki und J. Wrzesiński
sowie drei Kunsthistoriker aus der Jagiellonischen Universitat in Kraków: T. Rodzińska-Chorąży, T.

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