„Elsässische Werkstatt von 1418“

Schild mit Straßburger Wappen (Cpg 403, fol. 103r)

Dieses Atelier ist das früheste der hier vorgestellten südwestdeutschen Werkstätten. Die Bezeichnung "Elsässische Werkstatt von 1418" ist eigentlich ein Notname. Er wurde 1927 von Hans Wegener für eine Gruppe von Manuskripten vergeben, die einander sehr ähnlich sind. So lassen sich in den Codices dieses Ateliers immer wieder die gleichen Zeichnerhände nachweisen. Die Schreiberhände wechseln dagegen häufiger. Ferner wurde, wie an den Wasserzeichen feststellbar ist, stets ähnliches Papier verwendet, das vermutlich aus einem einzigen, gemeinsamen Bestand stammte.

Da die Handschriften außerdem in elsässischer Mundart geschrieben wurden, kann man die Werkstatt ins Elsaß lokalisieren. Genauer gesagt, vermutet man ihren Sitz in Straßburg, denn in einigen Illustrationen kommt das Wappen der Stadt an Gebäuden und Kleidungsstücken vor. Aber auch Colmar käme als Sitz in Frage.

Einzelne Handschriften sind auf das Jahr 1418 datiert – daher auch der Namenszusatz "von 1418". Insgesamt erstreckt sich das Wirken der Elsässischen Werkstatt aber über einen Zeitraum von etwa zehn Jahren (circa 1418-1430). Die Heidelberger Codices stammen aus den Jahren 1418, 1419 und 1420.

Die Schreiber

Eines der Heidelberger Manuskripte, der Cod. Pal. germ. 403, ist auf fol. 255r auf den 11. Oktober 1419 datiert. Dabei nennt sich der Schreiber der Handschrift sogar mit Namen und bittet die Leser, ihn in ihre Gebete mit einzuschließen:

Schreiberspruch des Hans Coler (Cpg 403, fol. 255r)

Diß buoch wart vß geschriben von Hans Coler vff mitwuch vor sant Gallen tage In dem jor do ma zalt von cristus geburt dusent vierhundert vnd Nunczehen Jor. Hie hat diß buoch ein ende/ Got vns sin helffe sende Amen. Bittent got fuer den schriber Amen.

Neben Hans Coler lassen sich in den Heidelberger Manuskripten weitere drei, vielleicht auch vier, Hände unterscheiden. Von zweien dieser Schreiber kennt man die Namen, da sie wie Hans Coler ihre Arbeit mit einem Schreiberspruch beendeten.

Einer davon ist Johannes Ziegler, der sich im Cod. Pal. germ. 144, fol. 412v (Elsässische "Legenda aurea") zu erkennen gibt. Der zweite nennt sich selbst auf fol. 65v im Cod. Pal. germ. 359 "Thomas Vogel de Valesia". Die für die "Elsässische Werkstatt" tätigen Schreiber waren vermutlich keine ausgebildeten Kanzleikräfte, sondern im Nebenerwerb arbeitende Lohnschreiber.

Insgesamt haben sich heute 19 Manuskripte dieses Ateliers erhalten, von denen alleine sieben in der Universitätsbibliothek Heidelberg aufbewahrt werden.

Digitale Volltext-Präsentation der Handschriften in der Universitätsbibliothek Heidelberg

Digitale Volltext-Präsentation in anderen Bibliotheken

  • Dresden, Sächsische Landesbibliothek, Staats- und Universitätsbibliothek, Mscr. Dresd. A 49, Historienbibel
  • Frankfurt am Main, Stadt- und Universitätsbibliothek, Ms. Carm. 2, "Ortnit" und "Wolfdietrich"
  • Gießen, Universitätsbibliothek, Hs. 232, "Buch von Troja I"
  • Hamburg, Staats- und Universitätsbibliothek Carl von Ossietzky, Cod. 9 in scrin., Otto von Passau: " Die 24 Alten"
  • Hamburg, Staats- und Universitätsbibliothek Carl von Ossietzky, Cod. 91b in scrin., Konrad von Ammenhausen: " Schachzabelbuch"
  • Karlsruhe, Badische Landesbibliothek, Cod. Donaueschingen 71 (Ehemals Donaueschingen, Fürstlich Fürstenbergische Hofbibliothek, Ms. 71), Wirnt von Grafenberg: "Wigalois"
  • Leipzig, Universitätsbibliothek, Rep. II. 21, Hugo von Trimberg: "Der Renner"
  • London, The British Library, Ms. Add. 24917, Historienbibel und "Buch der Könige alter ê und niuwer ê"
  • München, Bayerische Staatsbibliothek, Cgm 203, Rudolf von Ems: "Alexander" und "Buch der Könige alter ê und niuwer ê"
  • Nürnberg, Germanisches Nationalmuseum, Hs. 973, "Buch von Troja I"
  • Stuttgart, Württembergische Landesbibliothek, Cod. HB XIII 2, Rudolf von Ems: "Willehalm von Orlens" und "Salman und Morolf"

Die äußere Gestalt der Handschriften

Einspaltige Miniatur (Cpg 27, fol. 4v)

In Anlage und Illustration ähneln die Handschriften stark den später datierten Erzeugnissen aus der Werkstatt des Diebold Lauber. Möglicherweise hängt dies damit zusammen, daß sich die später arbeitende Lauber-Werkstatt an den Produkten des Ateliers orientiert hat. Vielleicht wurden auch einzelne Kräfte übernommen.

Die Manuskripte der elsässischen Werkstatt weichen jedoch auch in einigen Aspekten von denen des Lauber-Ateliers ab. Im Cod. Pal. germ. 27 z. B. nehmen die Darstellungen meistens nur den Raum einer Spalte ein. Die Darstellungen grenzen sich außerdem vom Text durch mehrere farbige Rahmen ab. Der Hintergrund weist eine farbige Gestaltung auf.

Initiale des Lombardtypus (Cpg 403, fol. 22v)

Von den Initialen erhält meist nur die erste einer Handschrift eine besondere Ausschmückung. Meist werden hierzu mit der Feder gezeichnete Fleuronnée-Ornamente verwendet. Alle nachfolgenden Anfangsbuchstaben sind meist einfache rote Lombarden, die auch als Schabloneninitialen bezeichnet wurden. Ferner unterscheiden sich die Manuskripte der "Elsässischen Werkstatt von 1418" von denen aus dem Atelier Diebold Laubers auch durch die Verwendung von Papieren anderer Herkunft.

Die in den Handschriften angebrachten Überschriften bezeichnen häufig nicht die Kapitel, sondern es handelt sich eigentlich um Bildüberschriften. Sie wurden von den Schreibern selbst, die in den Manuskripten auch die Rubrizierung übernahmen, angebracht und dienten den Illustratoren häufig zugleich als Maleranweisungen. Dies ermöglichte Schreibern und Malern unabhängig voneinander zu arbeiten.

Im Unterschied zur Lauber-Werkstatt sind die Produkte der elsässischen Werkstatt von 1418 außerdem durch eine kontinuierliche Zusammenarbeit der gleichen Illustratorenhände gekennzeichnet. Vermutlich fertigten drei eng zusammenarbeitende Gruppen von Malern und Zeichnern die kolorierten Federzeichnungen an. Ihre Teamarbeit läßt sich auch an den Heidelberger Manuskripten verfolgen: Die Illustrationen des Cod. Pal. germ. 323 etwa stammen von der Malergruppe A (Gruppe I), die des Cod. Pal. germ. 371 von der Malergruppe B (Gruppe II) und die der Codices Pal. germ. 144 und Pal. germ. 403 von Händen der Gruppe C (Gruppe III).

Kurfürst Ludwig III.

In den Darstellungen der elässischen Werkstatt von 1418 wurden – wie bereits angedeutet – häufig Wappen angebracht. Relativ oft findet sich z. B. das Wappen der Stadt Straßburg. Aber es kommen auch weitere Wappen, insbesondere die elsässischer Adelsfamilien, vor.

Die in Heidelberg aufbewahrten Handschriften könnte Kurfürst Ludwig III. von der Pfalz (1410-1436) erworben haben, der seit 1408 auch Unterlandvogt im Elsaß war. Vielleicht vollzog sich der Weg der Handschriften in die Bibliotheca Palatina aber auch über die Familien, deren Wappen in den Illustrationen zu finden sind.

Literatur

  • Beckmann / Schroth 1960
    Beckmann, Josef Hermann/ Schroth, Ingeborg: Deutsche Bilderbibel aus dem späten Mittelalter. Handschrift 334 der Universitätsbibliothek Feiburg im Breisgau und M. 719-720 der Pierpont Morgan Library New York, Konstanz 1960
  • Claviez, Veitskapelle, 1976
    Claviez, Ulrike: Die Wandmalereien der Veitskapelle in Stuttgart-Mühlhausen, Diss. Tübingen 1976, S. S. 161f. & S. 257.
  • Fasbender, hubsch gemolt, 2002
    Fasbender, Christoph: húbsch gemolt – schlecht geschrieben? Kleine Apologie der Lauber-Handschriften, in: Zeitschrift für deutsches Altertum und deutsche Literatur 131, 2002, S. 66-78
  • Heusinger, Studien, 1953
    Heusinger, Christan von: Studien zur oberrheinischen Buchmalerei und Graphik im Spätmittelalter, Diss. Freiburg i. Br. 1953.
  • Jänecke 1964
    Jänecke, Karin: ‘Der spiegel des lidens cristi’. Eine oberrheinische Handschrift aus dem Beginn des XV. Jahrhunderts in der Stadtbibliothek zu Colmar (Ms. 306), Hannover 1964
  • Kautzsch 1894
    Kautzsch, Rudolf: Einleitende Erörterungen zu einer Geschichte der deutschen Handschriftenillustrationen im späteren Mittelalter (Studien zur deutschen Kunstgeschichte 1/3), Straßburg 1894.
  • Kautzsch, Bilderhandschriften
    Rudolf Kautzsch, Notiz über einige elsässische Bilderhandschriften aus dem ersten Viertel des 15. Jahrhunderts, in: Philologische Studien. Festgabe für Eduard Sievers, Halle (Saale) 1896, 287-293.
  • Ott, Überlieferung
    Ott, Norbert H.: Überlieferung, Ikonographie – Anspruchsniveau, Gebrauchssituation. Methodisches zum Problem der Beziehungen zwischen Stoffen, Texten und Illustrationen in Handschriften des Spätmittelalters, in: Grenzmann, Ludger/ Stackmann, Karl (Hrsg.): Literatur und Laienbildung im Spätmittelalter und in der Reformationszeit, Symposion Wolfenbüttel 1981, (Germanistische-Symposien-Berichtsbände 5), Stuttgart 1984, S. 356-386.
  • Ott 1995
    Ott, Norbert H.: Die Handschriften-Tradition im 15. Jahrhundert, in: Tiemann, Barbara (Hrsg.): Die Buchkultur im 15. und 16. Jahrhundert (Veröffentlichung der Maximilian-Gesellschaft. Jahresgabe der Maximilian-Gesellschaft) 1. Halbband, Hamburg 1995, S. 47-124.
  • Ott 1997
    Ott, Norbert H.: Mündlichkeit, Schriftlichkeit, Illustration. Einiges Grundsätzliche zur Handschriftenillustration, insbesondere in der Volkssprache, in: Moser, Eva (Hrsg.): Buchmalerei im Bodenseeraum, 13. bis 16. Jahrhundert, Friedrichshafen 1997, S. S. 37-51.
  • Saurma-Jeltsch, Textaneignung, 1988
    Saurma-Jeltsch, Lieselotte E.: Textaneignung in der Bildersprache. Zum Verhältnis von Bild und Text am Beispiel spätmittelalterlicher Buchillustration, in: Wiener Jahrbuch für Kunstgeschichte 41, 1988, S. 41-59, 173-184
  • Saurma-Jeltsch, Neuzeitliches, 1994
    Saurma-Jeltsch, Lieselotte Esther: Neuzeitliches in einer mittelalterlichen Gattung. Zum Wandel der illustrierten Handschrift, in: Zentrum zur Erforschung der frühen Neuzeit der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität Frankfurt am Main (Hrsg.): Hours in a Library. Mitteilungen, Beiheft 1, 1994, S. 70-112.
    http://archiv.ub.uni-heidelberg.de/artdok/volltexte/2008/598/
  • Saurma-Jeltsch, Bilderhandschriften
    Lieselotte E. Saurma-Jeltsch, Spätformen mittelalterlicher Buchherstellung. Bilderhandschriften aus der Werkstatt Diebold Laubers in Hagenau, Wiesbaden 2001.
  • Stamm, Schopf
    Stamm, Lieselotte Esther: Die Rüdiger Schopf-Handschriften. Die Meister einer Freiburger Werkstatt des späten 14. Jahrhunderts und ihre Arbeitsweise. Aarau/ Frankfurt a. M./ Salzburg 1981.
  • Stamm 1983
    Stamm, Lieselotte Esther: Buchmalerei in Serie: Zur Frühgeschichte der Vervielfältigungskunst, in: Zeitschrift für Schweizerische Archäologie und Kunstgeschichte 40 (1983) S. 128-135.
    http://archiv.ub.uni-heidelberg.de/artdok/volltexte/2008/603/
  • Stange 1951
    Stange, Alfred: Südwestdeutschland in der Zeit von 1400 bis 1450 (Deutsche Malerei der Gotik 4), Berlin/ München 1951.
  • Wegener 1927
    Wegener, Hans: Beschreibendes Verzeichnis der deutschen Bilder-Handschriften des späten Mittelalters in der Heidelberger Universitäts-Bibliothek, Leipzig 1927.

© Ulrike Spyra, Maria Effinger, Universitätsbibliothek Heidelberg, 11/2008