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I

Erlebnisse eines Freiers.

147

Quantität, dieses von besonders rother Qualität, wie Wangen
und Lippen zeigten. Und flink war das Mädchen; kaum
hatte ich einen Schoppen Rothen verlangt, so stand er da.
Ich trank ihr zu; sie benetzte nicht blos die Lippen, wie die
lunafarbigen Stadtfräuleins zu thun pflegen, sondern trank
beherzt auf mein Wohl. Ich fühlte mich ganz behaglich,
und war schon beim zweiten Schoppen tief ins Gespräch ver-
wickelt mit Käthchen, die sich ungenirt neben mich auf die
Bank gesetzt hatte. Beim dritten Schoppen ergriff ich ihre
Hand — beiläufig bemerkt, keine weiche Sammthand, sondern
eine rauhe Schaffhand — und wenn anders nicht alle Wahr-

scheinlichkeit trügt, so mußte es beim vierten Schoppen zum
Kuß und beim fünften zum förmlichen Heirathsantrag kommen.
Doch gemach. Vorerst hat der Vater etwas mit mir zu
sprechen, denn er winkt mir eben in sein geheimes Kabinet,
zu deutsch Schlafkammer, wo auf dem Lande alle wichtigen
Angelegenheiten abgemacht zu werden pflegen, „Haha," dachte
ich, das geht vortrefflich; der Vater merkt deine Absichten
und will dich fragen, ob es dir Ernst sei, „Lieber Vetter,"
Hub er an, „Sie könnten mir einen großen Gefallen erweisen."
„Nun?" „Ich befinde mich," fuhr er fort, „gegenwärtig in
großer Verlegenheit, Ich habe vor einiger Zeit bei dem Schult-
heißen in Grunbach einige hundert Gulden entlehnt, die ich
in meinen Handel steckte (er betrieb das Gewerbe der Hof-
metzgerei) ; nun fordert er mich an, und ich kann ihm im
Augenblick das Geld nicht anschaffen; wenn ich ihm aber
einen tüchtigen Bürgen stelle, etwa wie Sie, so wird er sich
schon noch mehr gedulde».^

„Haha, da hängt es hinaus, dachte ich. Ich gab zur
Antwort, es werde nicht so pressiren, wir kommen ja wieder
zusammen rc,, kurz, ich gab ihm ein höfliches Nein. Das
Käthchen kam mir nimmer halb so reizend vor, als ich wieder
in die Stube trat. Ich habe übers Heirathen so meine
eigenen Ansichten: ich möchte eine Frau heirathen und nicht
einen Sack voll Geld, aber auch keine Schulden, am aller-
wenigsten Bürgschastsschulden für den Herrn Schwicgerpapa,
Ich trank meinen Schoppen, (es blieb beim Dritten), aus,
und machte mich auf die Beine,

„Also noch vier," sagte ich, als ich bieStaffel herunterging.
Eigentlich hätte ich sollen, gewitzigt durch das seither Erlebte,
von Freiwerbungen für heute abstehen, sintemal es ein ganz
unglücklicher Tag für mich war; aber der Wein hatte mich
aufgeregt, und so beschloß ich, nach Beilstcin zum Sternwirth
zu pilgern, oder vielmehr zn seinem Lutschen, Unterwegs
mußte ich an der Storchenmühle vorbei; da, dachte ich, sprichst
du auch ein, und Wenns mit dem Lischen richtig wird, so
brauchst du kein Luischen, Ich beschloß also dem Müller
zn sagen, er solle die nächste Woche bei mir in die Mühle
fassen, obgleich ich noch auf ein ganzes Vierteljahr mit Mehl
versehen war. Das Lischen saß vor der Mühle, ganz allein,
nur ein kleines Brüderchen bei ihr. Das schickt sich ja ganz
vortrefflich, dachte ich voller Freuden. Ich war ungefähr
noch vierzig Schritte von der Mühle entfernt, als auf einmal
ein kleiner Spitzhund mit schrecklichem Gebell mir entgegen
sprang, und nür den Weg streitig zu machen gewillt schien
Ich fuchtelte ein wenig mit dem Stocke, die Bestie aber ließ
sich nicht abtreiben, und so versetzte ich ihm endlich eins aus
die Nase, daß er heulend und schreiend bei seiner jungen
Herrin Schutz suchte. Diese war, als ich vollends zur Mühle
gekommen war, ganz freundlich gegen mich, lud mich auch
sogleich ein, in der Mühle einzukehren. Auch die Alten
waren sehr höflich gegen mich, ich mußte Kaffee mit ihnen
trinken. Ich war bald so guter Lauue, als ob ich nicht
blos noch vier, sondern noch alle sieben Candidccken oder
eigentlich Candidatinnen auf meiner Liste hätte,

„Doch mit des Geschickes Mächte»

Ist kein ew'ger Bund zu flechten,"

Das Lischen war mit den,
Kaffeegeschirr in die Küche
gegangen. Der Spitz, der
vor mir solchen Respect be-
kommen hatte, daß er sich in
meiner Gegenwart nicht in
die Stube wagte, lief ihr auf
dem Fuße nach, und winselte
noch ob des erhaltenen Strei-
ches, „Sei nur zufrieden,
Asorle," sagte die Müllers-
tochter streichelnd zu ihm,
der Flegel darf dir nichts
mehr thun," Das hörte ich
durch ein kleines, offenes
Schiebfensterchen, das von
der Stube in die Küche ging,
und weg war meine Freude,
und meine Liste abermalen um eine Person ärmer, Tenn daß
unter dem „Flegel" ich zu verstehen sei, war klar. Zwar gab
sie mir, als sie wieder herein kam, ganz andere Titel; aber sie
mochte sagen, was sie wollte, ich hörte blos den Flegel, und da
ich kein Mädchen durch Verheirathung mit einem Flegel un-
glücklich machen will, so nahm ich auch hier bald Abschied,
(Schluß folgt.)



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Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Erlebnisse eines Freiers"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
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Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Mann <Motiv>
Gaststätte <Motiv>
Wein <Motiv>
Kaffeegeschirr
Annäherung
Karikatur
Hund <Motiv>
Junge Frau <Motiv>
Kellnerin <Motiv>
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

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Künstler/Urheber (GND)
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Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 16.1852, Nr. 379, S. 147

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