Herrn Grass Rhcinrcisetagcbuch.
171
Sie sich eine von meine drei Mädels aussuchen. Nehmen Sie
die Rosa, die Bertha oder die Hildegunde, mir ist es gleich-
giltig. Ein Vater ist allemal froh, wenn er nur eine von
seine Töchter kann unter die Haube bringen. Fifat hoch, es
lebe die Liebe!"
Nun stießen sie mit einander an, daß cS eine Lustbar-
keit war und gleich daraus blieS oben der Thirmer das Signal
zum Frihstick.
Wie klopfte Nolanden sein Herz als er jetzt die drei
schönen Drachcnselserinnen näher betrachten konnte. Von Esten
war bei ihm nicht viel die Rede, so gut auch die schöne Hilde-
gunde ihre Kochkinstlichkcit bewiesen hatte. Die drei Damens
waren doch aber auch nicht aus den Kopf gefallen und merkten
cs sogleich, was des Herrn Ritter Roland sein Besuch zu bc-
deitcn hatte. Da er nun noch dazu ein schöner Mensch war,
so verliebten sich so zu sagen alle Drcic in ihm. Allein Ro-
land hatte schon gcwehlt: entweder Hildegunde oder gar keine
nicht von allen Dreien.
Nach dem Frihsticke erklärte sich Roland gegen den Vater
Drachenfclöer und Abends war schon die Vcrlobungsfeicrlich-
keit. Hildegundcchen hatte natirlich nicht Nein gesagt und um-
armte ihren Breitigam mit bescheidener crröthcnder Glickseligkcit.
Rosa und Bertha waren freilich ein bischen ärgerlich, alleine
das ging nun einmal nicht anders, denn alle Drcie konnte
ja Roland nach die bestehenden Landcsgesctze nicht hcirathen.
Da nun aber Hildegunde erst achtzehn Jahre alt war, so
sagte der Herr Vater, daß sic bis zur Hochzeit noch wenigstens
müßten zwei Jahre warten, was jedoch den beiden Verliebten
gar nicht so recht angenehm war. Der Herr Vater Drachen-
fels wollte aber durchaus nicht anders.
Um sich nun in dieser Zeit noch ein bischen zu zer-
streit», so beschloß Roland, einstweilen noch einen Krieg in
auswärtige Angelegenheiten mitzumachcn, was freilich Hilde-
gunden gar nicht lieb war. Da er aber darauf bestand, so
ließ sie ihn ziehen und bat ihn blos, daß er sich sollte recht
in Acht nehmen, damit er nicht durch die Feinde in Schaden
käme. Dieses versprach der Herr Ritter Roland auch mit
Vcrgnigc» und zog fort.
Durch seine Tabfcrkcit brachte er cs bald zu einer rei-
tenden Majohrstellc und wie endlich die zwei Jahre vorbei
waren, eilte er rasch auf den Rickwcg zu seiner geliebten Braut.
Aber wer kann seine Entsetzlichkeit beschreiben, als er vor
die Burg Drachcnfcls kommt und dort ei» furchtbares Gehauc
und Geschieße hört. Er stirmt hinauf und sicht, wie ein
fremder Herr Kohlege, ein anderer Raubritter die Burg über-
fallen hat und sie nun ausblindern will. Da besinnt sich je-
doch Roland nicht lange, zieht seinen Degen aus den Leder
und sbringt mit gleiche Fiste mitten unter das Kambfgctimmcl
hinein, so daß er Alles vor sich niedermetzelt bis aus den
letzten Mann.
Driumfirend eilt nun Roland, um seine Hildegunde zu
suchen, die er auch vor Angst in den Keller verkrochen findet und
sie hcrausfihrt. Alleine wer malt dieser Jungfrau Schrecken,
als sie nun unter den großen Haufen Todten ihren Herrn
Vater oben darauf liegen sieht! Ach, auch diesen hatte der blind-
withendc Ritter Roland aus Versehen mit kalt gemacht, was er
erst jetzt bemerkte, als es bereits zu spät war. Hildegunde
wandte sich sogleich von den Mörder mit Schmerzlichkeit ab
und Herrn Rolands Bitten waren alle vergeblich, sie konnte
unter solchen Umständen nicht mehr die Seinige werden. Sic
sagte ihm weinend: „Ritter dreier Schwestern Liebe, widmet
Euch dies Herz, aber trotzdem gehe ich noch heute hinunter
in das Kloster Nonnenwerth. Lebet wohl auf ewige Zeiten."
Damit eilte sie auch gleich hinab und war nicht aufzu-
halten, sondern sie fihrtc ihren Vorsatz aus.
Roland hätte sich gleich selbst mögen das Schwert durch
den Leib stechen, doch war dieses gegen das damaligte Landes- l
gesctz; er verließ also mit Thräncn und schwermithig den ge-
mordeten Drachenfcls und fuhr Hiniber nach seiner Burg Ro- |
landscck, wo er kein Wort nicht mehr sprach, nichts nicht
mehr aß und auch nicht trank, sondern sich blos an das Fenster
setzte, wo er hinabschcn konnte in das Kloster, worin jetzt
Hildegunde als Nonne sich zu Tode grämte.
Alle Zureden seiner Dienerschaft waren umsonst. Roland
sprach nicht, aß nicht und trank nicht, sondern blieb nur
stumm an sein Fenster sitzen.
„Eier Gnaden werden sich gewiß hier in dieser Zugluft
vcrkälten," sagte der alte trete Schloßvogt. Allein Roland
schittcltc sein Haubt und blieb sitzen.
Aber der Schloßvogt hatte Recht. Noch che acht Tage vor-
bei waren, saß Roland eines Morgens als Leiche am Fenster. Er
hatte sich durch Verkältung einen Schlagfluß bereitet. Das Mcrk-
wirtigstc aber war, daß Hildegunde in denselben Moamcnte auch
starb, da sie sich wahrscheinlich durch das offene Fenster in die
Zugluft eine tödtlichc Krankheit erworben hatte.
So waren die Liebenden alle beide tobt und später kamen
die Herren Franzosen, welche die beiden Schlösser Drachcnfels
und Rolandscck zerstörten und als Ruinen herstclltcn.
_film_(Fortsetzung folgt.)
22*
171
Sie sich eine von meine drei Mädels aussuchen. Nehmen Sie
die Rosa, die Bertha oder die Hildegunde, mir ist es gleich-
giltig. Ein Vater ist allemal froh, wenn er nur eine von
seine Töchter kann unter die Haube bringen. Fifat hoch, es
lebe die Liebe!"
Nun stießen sie mit einander an, daß cS eine Lustbar-
keit war und gleich daraus blieS oben der Thirmer das Signal
zum Frihstick.
Wie klopfte Nolanden sein Herz als er jetzt die drei
schönen Drachcnselserinnen näher betrachten konnte. Von Esten
war bei ihm nicht viel die Rede, so gut auch die schöne Hilde-
gunde ihre Kochkinstlichkcit bewiesen hatte. Die drei Damens
waren doch aber auch nicht aus den Kopf gefallen und merkten
cs sogleich, was des Herrn Ritter Roland sein Besuch zu bc-
deitcn hatte. Da er nun noch dazu ein schöner Mensch war,
so verliebten sich so zu sagen alle Drcic in ihm. Allein Ro-
land hatte schon gcwehlt: entweder Hildegunde oder gar keine
nicht von allen Dreien.
Nach dem Frihsticke erklärte sich Roland gegen den Vater
Drachenfclöer und Abends war schon die Vcrlobungsfeicrlich-
keit. Hildegundcchen hatte natirlich nicht Nein gesagt und um-
armte ihren Breitigam mit bescheidener crröthcnder Glickseligkcit.
Rosa und Bertha waren freilich ein bischen ärgerlich, alleine
das ging nun einmal nicht anders, denn alle Drcie konnte
ja Roland nach die bestehenden Landcsgesctze nicht hcirathen.
Da nun aber Hildegunde erst achtzehn Jahre alt war, so
sagte der Herr Vater, daß sic bis zur Hochzeit noch wenigstens
müßten zwei Jahre warten, was jedoch den beiden Verliebten
gar nicht so recht angenehm war. Der Herr Vater Drachen-
fels wollte aber durchaus nicht anders.
Um sich nun in dieser Zeit noch ein bischen zu zer-
streit», so beschloß Roland, einstweilen noch einen Krieg in
auswärtige Angelegenheiten mitzumachcn, was freilich Hilde-
gunden gar nicht lieb war. Da er aber darauf bestand, so
ließ sie ihn ziehen und bat ihn blos, daß er sich sollte recht
in Acht nehmen, damit er nicht durch die Feinde in Schaden
käme. Dieses versprach der Herr Ritter Roland auch mit
Vcrgnigc» und zog fort.
Durch seine Tabfcrkcit brachte er cs bald zu einer rei-
tenden Majohrstellc und wie endlich die zwei Jahre vorbei
waren, eilte er rasch auf den Rickwcg zu seiner geliebten Braut.
Aber wer kann seine Entsetzlichkeit beschreiben, als er vor
die Burg Drachcnfcls kommt und dort ei» furchtbares Gehauc
und Geschieße hört. Er stirmt hinauf und sicht, wie ein
fremder Herr Kohlege, ein anderer Raubritter die Burg über-
fallen hat und sie nun ausblindern will. Da besinnt sich je-
doch Roland nicht lange, zieht seinen Degen aus den Leder
und sbringt mit gleiche Fiste mitten unter das Kambfgctimmcl
hinein, so daß er Alles vor sich niedermetzelt bis aus den
letzten Mann.
Driumfirend eilt nun Roland, um seine Hildegunde zu
suchen, die er auch vor Angst in den Keller verkrochen findet und
sie hcrausfihrt. Alleine wer malt dieser Jungfrau Schrecken,
als sie nun unter den großen Haufen Todten ihren Herrn
Vater oben darauf liegen sieht! Ach, auch diesen hatte der blind-
withendc Ritter Roland aus Versehen mit kalt gemacht, was er
erst jetzt bemerkte, als es bereits zu spät war. Hildegunde
wandte sich sogleich von den Mörder mit Schmerzlichkeit ab
und Herrn Rolands Bitten waren alle vergeblich, sie konnte
unter solchen Umständen nicht mehr die Seinige werden. Sic
sagte ihm weinend: „Ritter dreier Schwestern Liebe, widmet
Euch dies Herz, aber trotzdem gehe ich noch heute hinunter
in das Kloster Nonnenwerth. Lebet wohl auf ewige Zeiten."
Damit eilte sie auch gleich hinab und war nicht aufzu-
halten, sondern sie fihrtc ihren Vorsatz aus.
Roland hätte sich gleich selbst mögen das Schwert durch
den Leib stechen, doch war dieses gegen das damaligte Landes- l
gesctz; er verließ also mit Thräncn und schwermithig den ge-
mordeten Drachenfcls und fuhr Hiniber nach seiner Burg Ro- |
landscck, wo er kein Wort nicht mehr sprach, nichts nicht
mehr aß und auch nicht trank, sondern sich blos an das Fenster
setzte, wo er hinabschcn konnte in das Kloster, worin jetzt
Hildegunde als Nonne sich zu Tode grämte.
Alle Zureden seiner Dienerschaft waren umsonst. Roland
sprach nicht, aß nicht und trank nicht, sondern blieb nur
stumm an sein Fenster sitzen.
„Eier Gnaden werden sich gewiß hier in dieser Zugluft
vcrkälten," sagte der alte trete Schloßvogt. Allein Roland
schittcltc sein Haubt und blieb sitzen.
Aber der Schloßvogt hatte Recht. Noch che acht Tage vor-
bei waren, saß Roland eines Morgens als Leiche am Fenster. Er
hatte sich durch Verkältung einen Schlagfluß bereitet. Das Mcrk-
wirtigstc aber war, daß Hildegunde in denselben Moamcnte auch
starb, da sie sich wahrscheinlich durch das offene Fenster in die
Zugluft eine tödtlichc Krankheit erworben hatte.
So waren die Liebenden alle beide tobt und später kamen
die Herren Franzosen, welche die beiden Schlösser Drachcnfels
und Rolandscck zerstörten und als Ruinen herstclltcn.
_film_(Fortsetzung folgt.)
22*
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Herrn Grafs Rheinreisetagebuch"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 33.1860, Nr. 804, S. 171
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg