Ein Beifallssturm erfolgte und AlleS verlangte Sprüchlein
und Reime.
„Da sinv ste schon!" rief Herr Hieronimus und griff in
j die Tasche — „aufgemerkr! Die Finnen und Lappen, die
sollen nichts dertappcn! Weiters: Die kaiserlichen
Kroaten sind in der Victory und thun große Tha-
ten! Wieder eins: Der Schwed will kränken das Reich,
thut er einen falschen Streich! Noch eins: Greift der
Schwed nach Deutschland, haut ihn derKaiserauf
die Hand! Wieder eins: Grabt in's Loch der schwedi-
sche Dachs, treibt ihn 'raus der Churfürst Mar!
Abermal eins: Für Gustavus den Großen ist auch eine
Kugel goßen! Wieder eines: Der König hat den Degen,
der Churfürst hat den Segen! Aufgemerkt: ein großes
Maul hat Goliath, der David ihnchesieget hat! Noch
eines: Kommt er nach Bayern ins Haus, geht er nim-
mer hinaus! Und ein anderes: Als Tigerthier angefan-
gen, als Hasenthier davon gegangen! Und das letzte:
DasWort imZweifel, dieSeel beim Teufel! Hab's
selbst verfaßt, hal's mein Vetter gedruckt, und so der Schwed mit
j tausend Stuck schießt, ich schieß mit tausend Sprüchlein, und seid
Zhr Alle, wie ich, so bäl's keine Nvth und furcht' keinen Tod!"
Hui fuhren und flatterten die Reime auf die Zuhörer los,
jedes mir eincm Bildlein geziert, und war deßhalb großer Jubel
unter den Menschen in der Trinkstube. Als Herr Hieronimus
mit seinen magern Beinen vom Tische stieg, wurde er sogleich
umringt und deS ZutrinkenS und Anstoßens war kein Ende. Er
batte es nun in seinem Leben noch nie über eine Kanne gebracht,
aber hier galt es, sich wieder als Mann zu zeigen, weßhalb er
lärmend nach allen Seiten entsprach und dazu einen Reim um
den andern producirte. DaS Ende vom Lied war, daß er als-
bald blitzbeschvssen war, und auf dem besten Wege, die Henne
nicht mehr vom Ei unterscheiden zu können. So war es acht
Uhr geworden. Die letzten zwei Stockgäste gingen mit einem:
„Gott segn' es Euch, Herr Aktuarius!" ihrer Wege, während Herr
Hieronimus, den Kopf gesenkt, die Hände im FlauS, auf seinem
dreibeinigen Stuhl saß, mit dem einen Fuß mehrmals auf dm
Boden schlug und dazu überlustig lallte: „wird's schon segnen, hi, hi,
wart du verfluchter Schwed, du sollst mich kennen lernen! Ruinirt
wirst du, heruntergeriffen, heruntergeworfen von deiner Gloria!"
Er war eben im besten Zuge, als er einen leichten Schlag
auf der Schulter verspürte. Mit einem Schrei fuhr er auf, denn
sein erster Gedanke ging auf seine böse Sibille und wollt« zur
Thüre hinaus, so gut es die wankenden Verhältnisse gestatteten.
Eine feste, männliche Stimme hemmte aber seine Flucht, darauf
er fich wendete, mit dem einen Bein bedeutend über das ander«
schlagend, und den nächsten Holzstuhl ergreifend, auf dessen Lehne
gestützt er unter einigem Schwanken seiner dreifüßigen Krücke,
wie seiner selbst, die Person betrachtete, welche ihm zugerufen
hatte Es war dieß ein Mann von mittleren Jahren und
schlichtem Aeußern, in bürgerlicher Gewandung. DieS ermuthigt«
Herrn Hieronimus sehr, um so mehr, als ihm der Mann, wel-
chen er den ganzen Abend über in einer Ecke gesehen, eine nicht
unehrerbietige Reverenz zu Theil werden ließ.
„Wer seid Ihr, und was wollt Ihr?" lallte er, fich mög-
lichst in die Brust werfend. „Wohl gemerkt, ich bin eines
Thürmers Töchterlein.
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und Reime.
„Da sinv ste schon!" rief Herr Hieronimus und griff in
j die Tasche — „aufgemerkr! Die Finnen und Lappen, die
sollen nichts dertappcn! Weiters: Die kaiserlichen
Kroaten sind in der Victory und thun große Tha-
ten! Wieder eins: Der Schwed will kränken das Reich,
thut er einen falschen Streich! Noch eins: Greift der
Schwed nach Deutschland, haut ihn derKaiserauf
die Hand! Wieder eins: Grabt in's Loch der schwedi-
sche Dachs, treibt ihn 'raus der Churfürst Mar!
Abermal eins: Für Gustavus den Großen ist auch eine
Kugel goßen! Wieder eines: Der König hat den Degen,
der Churfürst hat den Segen! Aufgemerkt: ein großes
Maul hat Goliath, der David ihnchesieget hat! Noch
eines: Kommt er nach Bayern ins Haus, geht er nim-
mer hinaus! Und ein anderes: Als Tigerthier angefan-
gen, als Hasenthier davon gegangen! Und das letzte:
DasWort imZweifel, dieSeel beim Teufel! Hab's
selbst verfaßt, hal's mein Vetter gedruckt, und so der Schwed mit
j tausend Stuck schießt, ich schieß mit tausend Sprüchlein, und seid
Zhr Alle, wie ich, so bäl's keine Nvth und furcht' keinen Tod!"
Hui fuhren und flatterten die Reime auf die Zuhörer los,
jedes mir eincm Bildlein geziert, und war deßhalb großer Jubel
unter den Menschen in der Trinkstube. Als Herr Hieronimus
mit seinen magern Beinen vom Tische stieg, wurde er sogleich
umringt und deS ZutrinkenS und Anstoßens war kein Ende. Er
batte es nun in seinem Leben noch nie über eine Kanne gebracht,
aber hier galt es, sich wieder als Mann zu zeigen, weßhalb er
lärmend nach allen Seiten entsprach und dazu einen Reim um
den andern producirte. DaS Ende vom Lied war, daß er als-
bald blitzbeschvssen war, und auf dem besten Wege, die Henne
nicht mehr vom Ei unterscheiden zu können. So war es acht
Uhr geworden. Die letzten zwei Stockgäste gingen mit einem:
„Gott segn' es Euch, Herr Aktuarius!" ihrer Wege, während Herr
Hieronimus, den Kopf gesenkt, die Hände im FlauS, auf seinem
dreibeinigen Stuhl saß, mit dem einen Fuß mehrmals auf dm
Boden schlug und dazu überlustig lallte: „wird's schon segnen, hi, hi,
wart du verfluchter Schwed, du sollst mich kennen lernen! Ruinirt
wirst du, heruntergeriffen, heruntergeworfen von deiner Gloria!"
Er war eben im besten Zuge, als er einen leichten Schlag
auf der Schulter verspürte. Mit einem Schrei fuhr er auf, denn
sein erster Gedanke ging auf seine böse Sibille und wollt« zur
Thüre hinaus, so gut es die wankenden Verhältnisse gestatteten.
Eine feste, männliche Stimme hemmte aber seine Flucht, darauf
er fich wendete, mit dem einen Bein bedeutend über das ander«
schlagend, und den nächsten Holzstuhl ergreifend, auf dessen Lehne
gestützt er unter einigem Schwanken seiner dreifüßigen Krücke,
wie seiner selbst, die Person betrachtete, welche ihm zugerufen
hatte Es war dieß ein Mann von mittleren Jahren und
schlichtem Aeußern, in bürgerlicher Gewandung. DieS ermuthigt«
Herrn Hieronimus sehr, um so mehr, als ihm der Mann, wel-
chen er den ganzen Abend über in einer Ecke gesehen, eine nicht
unehrerbietige Reverenz zu Theil werden ließ.
„Wer seid Ihr, und was wollt Ihr?" lallte er, fich mög-
lichst in die Brust werfend. „Wohl gemerkt, ich bin eines
Thürmers Töchterlein.
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Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Thürmers Töchterlein"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 4.1846, Nr. 73, S. 3
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg