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2 Die Weissagung

und nach dem tüchtigen Mahle drinnen im Hause, schöpfen
die Gäste im Freien ein wenig Luft. Drinnen war aufge-
.tragen worden, was nur Küch' und Keller vermochten; war
^cs doch des ersten Kindes Tauffest, eines prächtigen derben
Jungen. In aller Frühe hatten sic ihn auf dem Leiterwagen,
der sonst nur mit Brettern beladen nach dem nächsten Städt-
chen fuhr, den meilenwciten Weg über Steine und Wurzeln
in's Städtchen zur Kirche gefahren, und als die Sonne hoch
über dem stillen Thalc stand, waren sie mit dem Ignaz,
denn so hieß der Kleine nun, heimgekehrt, und darauf war
das Festmahl eröffnet worden. Der Brettmüller konnte schon
ein Mahl ausrichten, daß es den Gästen bei der Menge der
Speisen leid that, nicht fünf bis sechs Magen zu haben, statt
des einen, denn er hatte es darnach. Ringsum stiegen ja
die prächtigsten Tannenstämme empor, es galt nur die Mühe
des Fällens; der frische muntre Gebirgsbach stürzte sich Tag
und Nacht mit jugendlustigem Uebermuth in das Rad der
Mühle und bewegte rastlos die nimmermüde Säge, draußen
im Städtchen gebrach es nicht an Käufern, und so mehrte
sich in den Truhen und Schränken der Schatz an Kaiser-
gulden, und der Müller war schon ein reicher Mann, als
ihm bei des Vaters Tode die Mühle zufiel.

Der Vater war ein wunderlicher Mann gewesen, ein
Kind der wilden furchtbaren Zeit, die Jahrzehnte lang blutig
und voll Brand und Raub über dem unglücklichen Deutsch-
land gewaltet. Es mußten Naturen von harten Sehnen und
Muskeln, es mußten harte Herzen sein,' welche in jener Zeit
aufwachsen und all den Graus überdauern sollten. Und hart,
hart an Körper und Gemüth war der Mann gewesen, hart
bis an den letzten Tag seines Lebens. Wann und -wo er
geboren, wer seine Eltern gewesen, es wußte es Niemand zu
sagen, Gott weiß, ob er eö selbst wußte. Schweigsam und
finster hatte ihn der Sohn, hatten ihn die Umwohnenden von
jeher gekannt, schweigsam und verschlossen legte er sich nieder
aufs Sterbelager und verschied, ohne für den Sohn, der in
banger Scheu an des Sterbenden Bette stand, ein letztes Ab-
schicdswort zu haben. Der Mann mußte, seinem Alter nach,
mitten in der jammervollen Zeit jenes entsetzlichsten aller
Kriege das Licht der Welt erblickt haben. Heimathlos in
dumpfer Verzweiflung irrten damals gar Viele durch das
verödete Land und starben hinter Hecken und Zäunen und in
den zerfallenen Ruinen verlassener Wohnungen; dort in wüsten
Brandstätten, oder im Dunkel des Waldes wurde zu jener
Zeit aber auch manch ein Kind geboren und wuchs auf, rast-
los umhergetragen von der heimathlosen Mutter.

Wie ein ausbrechendes Feuer in volkreicher Stadt von
den entfernter Wohnenden kaum beachtet wird, wie der täg-
liche Verkehr sorglos und unbekümmert Straße auf und ab
sich drängt, mögen immerhin draußen in der Vorstadt ein
paar Häuser in Flammen stehen, so lebte das Geschlecht der
Menschen mitten in Deutschland ruhig Tag für Tag mit
seinen Sorgen und Freuden dahin, als im zweiten Jahrzehnt
des siebzehnten Jahrhunderts in Böhmen jener entsetzliche
Krieg begann. Es schien nur ein Brand in der Vorstadt,

der Zigeunerin.

der wohl, wieder gelöscht werden möchte. Zwar lag es damals
wie eine schwüle Gewitterbangigkeit über dem ganzen deut-
schen Reich, alle Verhältnisse waren gespannt, die Partheien
standen gereizt wider einander, ’ und Weiterschauende mochten
oft bedenklich das Haupt schütteln und sich besorgt fragen,
was daraus wohl noch werden möge? Doch dieser Zustand
hatte schon so lange gewährt, und immer wieder waren die
Irrungen beigelegt oder verschoben und der Friede erhalten
worden, ob er gleich nur wie auf einer Nadelspitze ruhte.
Da brachen die Böhmen los; es war ein Brand in der
Vorstadt, wie sollte das Reich in jenen Kampf verwickelt
werden I Man horchte wohl begierig auf, wenn allerlei Kunde
aus dem fernen Böhmen herüberdrang; jetzt jubelten Diese
und Jene grollten in schweigendem Aerger, dann wieder froh-
lockten Jene, je nachdem die Nachrichten von Sieg oder Nie-
derlage der verschiedenen Partheien Deutschland durchzog, aber
an eigene Gefahr dachte Niemand. Wie es aber zuweilen
geschieht, daß. die Feuersbrunst fast bezwungen scheint, da
wird jählings ein neues Haus ergriffen, und nun wälzt sich
die neuerwachte. Gluth fort und fort, wird auch den Fern-
wohnenden verderblich, und in kurzer Zeit steht die ganze
eben noch sorglose...Stadt ein volles wogendes und bransen-
des Feuermeer, so geschah es zu jener Zeit. Böhmen war
bezwungen, der Krieg schien beendet; da entbrannte die
Kriegsflamme von Neuem am Rhein, und nun wuchs der
Brand zu maßloser Höhe empor, fast alle Länder Europa's
sendeten ihre Heere nach dem unglücklichen Deutschland.
Spanier, Italiener, Franzosen, Schweden, Engländer, Schot-
ten durchzogen die Gauen Deutschlands, und über 27 Jahre
lang war das unglückliche Vaterland gleich einem See von
Blut, Mord, Martern, Brand, Raub und Scheußlichkeiten
aller Art. Des Blutes der wehrlos Hingeschlachteten war
mehr, als das, das in den Schlachten floß. Verödet und
ausgebrannt lagen Städte und Dörfer, ganze Ortschaften
verschwanden; unbarmherzig fraß das Schwert den kräftigen
Mann, den schwachen Greis, das wehrlose Weib und die
hilflose Jugend; was übrig geblieben, das erlag dem entsetz-
lichen Hunger, und als sollte eine zweite Sündfluth voll Noth
und Elend das Menschengeschlecht in Deutschland. ganz ver-
tilgen, so folgte dem Brande, dem Morde und dem Hunger
die erbarmungslose Pest, und wer dem Schwerte entronnen
und dem Hunger, den raffte die Seuche dahin.

Die Jammerchroniken jener Zeit erzählen Entsetzliches
von dem Wüthen der entmenschten Kriegerhorden in den
Städten, von dem Verschmachten der Nahrnngslosen auf den
öden Gassen, von dem Hinsterben der. verlassenen Kranken,
aber unsäglich viel Noth und Jammer hat nie eine Be-
schreibung gefunden. In den Dörfern, wo Niemand war, der
das Entsetzliche hätte zu schildern verstanden, oder wo von
allen Bewohnern Niemand übrig blieb, um zu beklagen,
was geschehen, wüthete Mord und blutgierige Wollust,
wüthete wahnsinnige Zerstörungsfreude nicht minder, als in
den Städten, nicht weniger raffte in den Dörfern der Hunger
die Verschmachtenden hinweg, als in den Städten, und die
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