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Die Weissagung der Zigeunerin.

dem Vater nach wie vor fremd und hegte dieselbe Scheu vor
dem verschlossenen Manne, wie alle übrigen Thalbewohner.
Es wohnte in dem Alten jener feste starre Sinn, der seinen
Besitzer ganz von selbst zum Herrn seiner Umgebung macht,
und vor dem sich unwillkürlich Alles beugt. Ohne daß be-
sondere außerordentliche Kundgebungen seines wilden starren
Wesens vorkamen, fühlten doch alle instinktmäßig die unbeug-
same rauhe Art des Mannes und vermieden sorgsam, ihm
irgendwie entgegenzutreten. David theilte die allgemeine
Scheu, und als er, herangewachsen, für die Tochter eines
schon früher verstorbenen Thalbewohners ein seltsames Wohl-
gefallen empfand, hegte er jene Zuneigung längere Zeit lieber
im Stillen und wagte nicht, den wortkargen Vater an-
zusprechen, um seine Zustimmung zur Hcirath mit Anna, die
mit ihrer Mutter gar armselig in einer kleinen Hütte wohnte.

Da erkrankte der Greis, stumm und verschlossen legte
er sich nieder, und auch die Beschwerden und die Schwäche
des Siechthums vermochten nicht, den starren Alten mittheil-
samer, weicher und milder zu stimmen, er starb, wie er ge-
lebt, schweigend und verschlossen. Des Vaters Tod machte
David zum reichen unabhängigen Manne. Erschrocken starrte
der junge Erbe die Menge der Beutel und Säcke an, die
mit Geld gefüllt in den Truhen sich vorfanden, als er nach
des Vaters Begräbniß die Kammern, die Kisten und Kasten
untersuchte. Daß der Vater ein tüchtig Vermögen zurück-
gclegt haben müsse, das war ihm nicht verborgen, aber waö
er vorfand, überstieg alle seine Erwartungen. Indessen war
David ein verständiger Mann, und die unerwartete Fülle
machte ihn nicht zum Verschwender. Er bediente sich seiner
Freiheit, warb um Anna und wanderte eines schönen Tages
mit ihr und einem zahlreichen Gefolge aus dem stillen Dörf-
lcin herab in das Städtchen, um die Geliebte sich antrauen
zu lassen.

Unverändert spann sich das Leben und Treiben der Leute
im abgelegenen Thale hin, die Mühle klapperte, die Säge
knirschte Tag aus, Tag ein, es blieb alles, wie es zu des
Alten Zeit gewesen war, der Sohn war an des Vaters Stelle
getreten, näher und vertrauter aber standen die Thalbewohner
dem neuen Herrn. Als wieder ein Jahr vorüber war, da
wurde dem David das erste Kind, ein frischer hübscher Knabe
geboren.

Draußen vor der Hütte des glücklichen Elternpaares
standen und lagerten die bis zur letzten Grenze der Möglich-
keit gesättigten Gäste; jedes Alter war vertreten, dort kämpften
auf der Bank unter dem Vordach sitzend einige ältere Män-
ner, die mit dem alten Ignaz noch den Anfang der Nieder-
lassung hier gesehen, mit der Unbehaglichkeit einer für ihre
Jahre viel zu reichlich genossenen Mahlzeit, am Zaune hier
lehnten Andere, von dein und jenem plaudernd, das junge
Volk hatte sich hin und her vertheilt, ein paar Dirnen horchten
lachend und kichernd den Schmeichelworten, welche einige
junge Burschen vor ihnen unbehülflich auskramten, dort wun-
derte eine lange Zeile frischer Burschen Arm in Arm hinter
einer Reihe Mädchen und begleitete mit tieferer Stimme den

Gesang derselben. Da wurde die Aufmerksamkeit der ver-
schieden Beschäftigten mit einem Mal auf ein und denselben
Gegenstand gelenkt. Drüben den Berg hinab, mitten ans
dem dunklen Walde heraus, schritt die seltsame Gestalt eines
WeibeS, bunt und bettclhaft gekleidet. „Die alte Zigeunerin!
die alte braune Here! die Zigeunermutter!" so ging es von
Mund zu Mund, der Gesang verstummte und Alle sahen
erwartungsvoll der Alten entgegen, die gebückt, aber wunderbar
schnell für ihr augenscheinlich hohes Alter, herangeschritten
kam. „Die alte Here riecht den Braten drinnen, das Volk
wittert doch auf viele Stunden weit, wo es was zu fischen
giebt!" sagte Einer. „Die muß uns wahrsagen!" flüsterten
sich die Mädchen zu. Indessen war die Alte herangekommen
und hatte in fremden unverständlichen Lauten gegrüßt, und
dann mancherlei Mittel angeboten, gegen Viehseuche, gegen
Kopfweh, gegen Gliederreißen und wer weiß was sonst noch.
In neugieriger Scheu umstanden die jungen Leute die selt-
same Gestalt, bis einer der jungen Burschen mit der Frage,
ob sie ihm wahrsagen könne, der Alten die Hand entgegen-
streckte. Mehrere folgten, als jener seine Zukunft erfahren,
diesem Beispiel, und die Zigeunerin hatte eine reiche Ernte.
Auch der Müller hielt endlich seine Hand der Alten hin.
Aufmerksam betrachtete diese, wie jedesmal, so auch jetzt, die
dargebotene Hand, fuhr mit den spitzen braunen Fingern den
Linien nach, fort und fort mit dem Kopf wackelnd und mit
dem zahnlosen Munde kauend, dazwischen schaute sie forschend
in das Gesicht des Müllers, der mit ängstlicher Beklommen-
heit all ihre Bewegungen beobachtete. „Dir ist eine lange
Lebenszeit bestimmt", sagte sie endlich, „du wirst bald eine
weite, weite Reise machen und dann fern von hier deine
Wohnung aufschlagen, da wird es dir gut, sehr gut gehen,
aber spät droht dir noch ein großes Unheil." Die Alte
hatte schon Einigen eine nahe bevorstehende Reise angekündigt.
„Meister", rief nun Einer, du solltest der Alten einmal
deinen Nazzi zeigen und dir sagen lassen, was ihm begegnen
wird." — „Nein, nein", riefen Andere, „das kleine Kind!
cs könnte ihm schaden!" — „Ach was? schaden!" entgegnete
der Erste, „was solls ihm schaden? der Junge ist ja nun
getauft, da kann ihm die Hexenkunst nichts anhaben!" Der
Müller selbst hatte Lust, das Schicksal seines Nazzi zu hören,
und nachdem die Alte erklärt hatte, sie könne auch aus der
Hand kleiner Kinder ihr Schicksal lesen, wurde der kleine
Bursche aus der Hütte geholt. Die Mutter brachte ihn selbst
heraus und hielt zaghaft das in seinem Bettchen schlafende
Kind der Alten hin. Diese nahm das Händchen des Kleinen
in ihre magere braune Linke, und mit der Rechten dasselbe
ausbreitend, forschte sie emsig in den Linien desselben. „Eine
glückliche Hand, eine glückliche Hand!" murmelte sie. „Der
Junge muß einmal ein gar geschickter Maler werden, oder
so etwas. Was diese Hand bildet, werden viele, viele Jahre
später fleißige Hände nachbilden und weise Männer werden
es erklären. Ja, er muß wohl ein großer Maler werden,
wie sie in Wälschland zu finden sind, . der schöne Bilder für
Kirchen und Schlösser bildet. Ja., aber.." und von neuem
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