Populärwissenschaftlicher Vortrag aus dem Gebiete
der höheren Botanik von Prof, Uopulorum.
warum der Spargel eine andere Gestalt und einen andern Ge-
schmack hat, als z. B. ein Pappclbaum oder ein Vergißmeinnicht,
da sie doch zwei Schritte weit von einander aus der nämlichen Erde
herauswachsen können, wie ich selbst z. B. an den verschiedensten
Punkten von Europa zu bemerken Gelegenheit in Hülle und
Fülle gehabt habe oder wenigstens gehabt haben könnte, wenn
ich überall hingekommen wäre oder wenigstens hinzukommen
die Zeit und Gelegenheit gehabt haben könnte. Aus solchen
Naturgeheimnissen schließt man, daß der Mensch eigentlich
ein Esel ist, der nur an Hypothesen seine Freude hat. Der
Mensch wird aber niemals auS den Hypothesen herauskom-
men und sollte er sich auch auf den Kopf stellen, wie es
z. B. Alerander Humboldt, Cuvicr, Victor Hugo, Arrago
und andere Naturforscher auf dem Chimborasso gethan haben
sollen, ohne die Polhöhe der westlichen Geognosie zu ergrün-
den. Das ist zwar jammerschade, aber cs nützt einmal
nichts, denn diese Hypothese ist ein verfluchtes Ding, mit
welcher selbst Professoren nichts anzufangen wissen. Von allen
diesen Hypothesen und Hypothcnusen gehen wir daher lieber zur
Realbotanik über und zwar zu dem Punkte, wo sic am
schönsten ist und, auch am besten riecht.
Die Wissenschaft der Botanik feiert nämlich ihren Höhe- ;
Punkt, wenn sie sich auf die zierlichen Kinder des Frühlings i
wirft, vulgo „Blumen" genannt. Wer an einem sanften
Frühlingsabende von einem gelinden Hügel in das weite j
grüne Thal hinabsieht, der wird sich wundern, wenn er j
Alles entweder rosenrotst oder weiß oder gelb oder blau '
oder lila oder gestreift sicht. Irdische Menschen nennen dies
farbvolle Wesen „Flora," und schwelgen, wenn sie ein Bou-
guctchen davon ans pochende Herz drücken, wie z. B. sech-
zehnjährige Jungfrauen und sonstige unverhcirathete Frauen-
zimmer.
Höchst intcreflant, obwohl leider zu wenig unter den
harmlosen Landbewohnern bekannt, sind auch die Familien
der Sarifragicn und Orchideen. Die beiden sehen ganz be-
sonders auS, und manche davon sehen eher einer Fliege oder
Aus den Mysterien einer Münchener 23
^ Familie.
1 weiß Gott was gleich, als einer Pflanze. In manchen Ge-
! genden, z. B. in den Alpen, kommen ganze Haufen davon
vor. Da sie schwer zu beschreiben sind, so wird jeder Ge-
bildete gut thun, sie sich selber anzuschauen. Trifft er eine
Pflanze an, von der er nicht recht weiß, ob sie eine X, eine
Y oder eine Z ist, so kann er sie getrost für eine Orchidee
oder eine Sarifragie nehmen. Ungebildete Persönlichkeiten aber
; thun am besten, wenn sie sich sowohl weder um Sarifragicn
I als um Orchideen kümmern, denn sie könnten gar leicht etwas
mit einander verwechseln, was eigentlich gar nicht zu'ver-
wechseln ist. Diese Thoren sollten sich lieber still erröthend
auf ein Erdäpfelfeld setzen und die Urbegriffe der Botanik
aus den Schollen hervorkratzcn.
Für Bäcker, Zuckerbäcker und die Golatschenhändlcr im
Königreiche Böhmen sind auch noch jene Gefilde interessant,
worauf die Ingredienzien für Kipfeln, Semmeln, Butterteig
etoetera gesäet und geerntet werden, wie auch die Zucker-
plantagen in Jamaika eteetera. Wer sein Auge am Golde
der Aehrcn erquicken will, der durchwandere die gesegneten
Fluren Europas vom äußersten mittleren Norden Rußlands
bis an die Spitze von Gibraltar; wer die Zuckerplantagen
Jamaikas kennen lernen will, der gehe nach Jamaika.
Meine Wissenschaft, so weit sic populär sein will, ist
erschöpft. Der strebsame Jünger der Botanik aber wird
gewiß auch noch andere Werke aufsuchen, wenn ihm der wahre
Durst nach Kenntnissen eigen ist. Ich habe das Meinige
gethan, — thun Sie, geehrtes pleno titulo Publikum das
Ihrige zur Vervollkommnung Ihres innersten Wesens.
kopulornm,
Professor.
Aus den Mysterien einer Münchener Familie.
Aus ist das Nachtmahl. — Um den großen Tisch
Sitzt die Familie und verdaut im Stillen,
Der Alte kaut an einem Zcitungswisch
Und schnauft und schnupft und putzt die Messiugbrillen.
Die dicke Mutter spielt mit der Frau Taut',
Die Karten kleben und es glüh'n die Herzen,
Ein Riesenbicrkrug schleudert an die Wand
Sein Schattenbild im Schein der Unschlittkerzen.
Ein Knab' wie Amor schnarcht am Kanapee,
Die Tochter hört nicht, sie verschlingt Romane,
Sic strickt und seufzt: „Er kriegt sie nicht, o weh!"
Die Putzschcer fällt und rasselt auf dem Plane.
Der Zapfenstreich macht seine alte Rund',
„Halt!" brüllt die Mutter, „Herz ist Trumph, ich stech ihn."
Und wie ein Engel schwebt im Hintergrund
Vorbei der blühende Koloß der — Köchin.
der höheren Botanik von Prof, Uopulorum.
warum der Spargel eine andere Gestalt und einen andern Ge-
schmack hat, als z. B. ein Pappclbaum oder ein Vergißmeinnicht,
da sie doch zwei Schritte weit von einander aus der nämlichen Erde
herauswachsen können, wie ich selbst z. B. an den verschiedensten
Punkten von Europa zu bemerken Gelegenheit in Hülle und
Fülle gehabt habe oder wenigstens gehabt haben könnte, wenn
ich überall hingekommen wäre oder wenigstens hinzukommen
die Zeit und Gelegenheit gehabt haben könnte. Aus solchen
Naturgeheimnissen schließt man, daß der Mensch eigentlich
ein Esel ist, der nur an Hypothesen seine Freude hat. Der
Mensch wird aber niemals auS den Hypothesen herauskom-
men und sollte er sich auch auf den Kopf stellen, wie es
z. B. Alerander Humboldt, Cuvicr, Victor Hugo, Arrago
und andere Naturforscher auf dem Chimborasso gethan haben
sollen, ohne die Polhöhe der westlichen Geognosie zu ergrün-
den. Das ist zwar jammerschade, aber cs nützt einmal
nichts, denn diese Hypothese ist ein verfluchtes Ding, mit
welcher selbst Professoren nichts anzufangen wissen. Von allen
diesen Hypothesen und Hypothcnusen gehen wir daher lieber zur
Realbotanik über und zwar zu dem Punkte, wo sic am
schönsten ist und, auch am besten riecht.
Die Wissenschaft der Botanik feiert nämlich ihren Höhe- ;
Punkt, wenn sie sich auf die zierlichen Kinder des Frühlings i
wirft, vulgo „Blumen" genannt. Wer an einem sanften
Frühlingsabende von einem gelinden Hügel in das weite j
grüne Thal hinabsieht, der wird sich wundern, wenn er j
Alles entweder rosenrotst oder weiß oder gelb oder blau '
oder lila oder gestreift sicht. Irdische Menschen nennen dies
farbvolle Wesen „Flora," und schwelgen, wenn sie ein Bou-
guctchen davon ans pochende Herz drücken, wie z. B. sech-
zehnjährige Jungfrauen und sonstige unverhcirathete Frauen-
zimmer.
Höchst intcreflant, obwohl leider zu wenig unter den
harmlosen Landbewohnern bekannt, sind auch die Familien
der Sarifragicn und Orchideen. Die beiden sehen ganz be-
sonders auS, und manche davon sehen eher einer Fliege oder
Aus den Mysterien einer Münchener 23
^ Familie.
1 weiß Gott was gleich, als einer Pflanze. In manchen Ge-
! genden, z. B. in den Alpen, kommen ganze Haufen davon
vor. Da sie schwer zu beschreiben sind, so wird jeder Ge-
bildete gut thun, sie sich selber anzuschauen. Trifft er eine
Pflanze an, von der er nicht recht weiß, ob sie eine X, eine
Y oder eine Z ist, so kann er sie getrost für eine Orchidee
oder eine Sarifragie nehmen. Ungebildete Persönlichkeiten aber
; thun am besten, wenn sie sich sowohl weder um Sarifragicn
I als um Orchideen kümmern, denn sie könnten gar leicht etwas
mit einander verwechseln, was eigentlich gar nicht zu'ver-
wechseln ist. Diese Thoren sollten sich lieber still erröthend
auf ein Erdäpfelfeld setzen und die Urbegriffe der Botanik
aus den Schollen hervorkratzcn.
Für Bäcker, Zuckerbäcker und die Golatschenhändlcr im
Königreiche Böhmen sind auch noch jene Gefilde interessant,
worauf die Ingredienzien für Kipfeln, Semmeln, Butterteig
etoetera gesäet und geerntet werden, wie auch die Zucker-
plantagen in Jamaika eteetera. Wer sein Auge am Golde
der Aehrcn erquicken will, der durchwandere die gesegneten
Fluren Europas vom äußersten mittleren Norden Rußlands
bis an die Spitze von Gibraltar; wer die Zuckerplantagen
Jamaikas kennen lernen will, der gehe nach Jamaika.
Meine Wissenschaft, so weit sic populär sein will, ist
erschöpft. Der strebsame Jünger der Botanik aber wird
gewiß auch noch andere Werke aufsuchen, wenn ihm der wahre
Durst nach Kenntnissen eigen ist. Ich habe das Meinige
gethan, — thun Sie, geehrtes pleno titulo Publikum das
Ihrige zur Vervollkommnung Ihres innersten Wesens.
kopulornm,
Professor.
Aus den Mysterien einer Münchener Familie.
Aus ist das Nachtmahl. — Um den großen Tisch
Sitzt die Familie und verdaut im Stillen,
Der Alte kaut an einem Zcitungswisch
Und schnauft und schnupft und putzt die Messiugbrillen.
Die dicke Mutter spielt mit der Frau Taut',
Die Karten kleben und es glüh'n die Herzen,
Ein Riesenbicrkrug schleudert an die Wand
Sein Schattenbild im Schein der Unschlittkerzen.
Ein Knab' wie Amor schnarcht am Kanapee,
Die Tochter hört nicht, sie verschlingt Romane,
Sic strickt und seufzt: „Er kriegt sie nicht, o weh!"
Die Putzschcer fällt und rasselt auf dem Plane.
Der Zapfenstreich macht seine alte Rund',
„Halt!" brüllt die Mutter, „Herz ist Trumph, ich stech ihn."
Und wie ein Engel schwebt im Hintergrund
Vorbei der blühende Koloß der — Köchin.
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Populärwissenschaftlicher Vortrag aus dem Gebiete der höheren Botanik von Professor Populorum"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 40.1864, Nr. 967, S. 23
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg