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Ueber den Werth des Schuldenmachens.

43 I

und gewissenhaften Schuldcnmachers umherwälzen und ver-
binden, welche Behendigkeit, Feinheit und Elastizität des
Geistes muß er nicht entwickeln! Wie sehr muß er sich nicht
daran gewöhnen, Charaktere und Verhältnisse auf das schnellste
aufznfassen und zu beurtheilcn, auf das schnellste Schlüsse zu
ziehen und Entschlüsse zu fassen! Der Schuldenmachcr ist
fortwährend genöthigt, auf tausend Hilfsquellen, Mittel und
Wege zu sinnen, um zu Geld zu gelangen oder einem Gläu-
biger oder einer Zahlung auszuweichen; gleich einem geschickten
Feldherrn oder Schachspieler muß er immer hunderte von
Zügen in Reserve haben, um, wenn er auf der einen Seite
zurückgewiesen wird, dennoch auf einer andern eindringen
oder Bresche schießen zu können. Indem er seinen Geist darin
übt, Zahlungstag sammt Zahlung zu vergessen, entwickelt er
das sogenannte Abstraktionsvermögen, das bekanntlich
darin besteht, von gewissen Vorstellungen ganz abzusehen, um
gewisse andere desto deutlicher vor das Bewußtsein zu brin-
gen; genug, der echte und vollendete Schuldenmachcr ist ein
vollkommener, spekulativer Denker und zugleich ein aus-
gezeichneter, praktischer Psycholog und Physiognom,
der, ohne Beneke's Anthropologie oder Lavater's Fragmente
studirt zu haben, doch augenblicklich weiß, wen er vor sich
hat, und wie er ihm am besten beikommen könne. Die ge-
ringste Bewegung des Auges, das kleinste Zucken der Lippen,
weiß er zu deuten, und sieht es seinem Manne schon an der
Nase an, ob und wie viel der wohl leihen wird. Muß der
; Schuldenmachcr nothwendig seine reproduktive Phantasie,

! sein Gedächtniß üben, um die allerliebsten kleinen Noth-
! lügen, die er sich erlaubt, in allem ihrem Detail zu merken,
und sich nicht auf Widersprüchen ertappen zu lassen, so muß
sein Beruf auch nothwendig die produktive Phantasie, die
dichtende Kraft in uns auf daö beste entwickeln. Welch'
liebliche Märchen weiß nicht ein ausgelcrnter Schuldenmachcr
seiucn Gläubigern zu erzählen, welch' reizende Dichtungen
über seinen Stand, sein Vermögen, seine Verhältnisse weiß
er nicht auszubreiten und mit dem Scheine der Wahrheit
! auf das anmuthigste zu täuschen! Daher denn die Begriffe
! „Dichter" und „Schuldenmachcr" eigentlich auch Wechsclbe-
> griffe sind. — Was das Gebiet des Gesühlsvermögcns
I betrifft, so springt auch hier der Nutzen des Schuldenmachens
! auf das deutlichste in die Augen. Der Schuldenmachcr lebt
in einer fortwährenden Aufregung, in einem beständigen
Wechsel oft sehr gewaltiger und entgegengesetzter Gefühle,
von denen er die einen zu unterdrücken, andere dagegen zu
heben und zur Schau zu stellen suchen muß; kurz, er muß
lernen, seine Gefühle zu beherrschen und eben in dieser Be-
herrschung besteht ja gerade die wahre Würde des Menschen,
die ihn von den Thieren unterscheidet, denen man jedes Ge-
fühl gleich ansieht, das jeder Empfindung gleich nachgicbt.
Mit der nöthigcn Entfaltung des schauspielerischen und
dcclamatorischen Talentes geht natürlich auch die der
Beredtsamkeit Hand in Hand, und auch der äußere
Anstand, die edle Freiheit und Sicherheit der Bewegung
in der Gesellschaft, müssen nothwendig gewinnen. — Zch

komme nunmehr aber zu der edelsten Seelenkraft des Menschen,
zur Thatkraft, und weiß hier wegen Ucberfüllc des Stoffes j
in der That nicht, wo ich anfangen soll, um darzuthun, wie
sehr das Schuldenmachen diese herrliche Kraft fördert. Es
springt eigentlich von selber in die Augen. Welch' rasch
entschlossener, feuriger Muth muß nicht dem Schuldenmachcr
zu Gebote stehen, wo er einer Gläubigcrscele gegenüber steht,
der nicht erst lange Zeit zur Ucbcrlcgung gelassen, sondern
die gleich auf den ersten Anlauf überrumpelt und erobert
werden muß! Hinwieder welche Beharrlichkeit, welche
unermüdliche Geduld da, wo ein erster Angriff nicht ge-
lang, oder wo nur ein langsames Vorwärtsschreitcn und Um-
garnen zum Ziele führt! Er muß es verstehen, wenn er zehn
mal zur Thür hinausgewiesen oder geworfen worden, doch
zum eilften Male wieder hincinzudringen und endlich durch
Belästigung zu siegen, d. h. Geld zu bekommen, damit man
ihn nur los werde. Bei plötzlichen Begegnungen und Ucbcr-
raschungen oder beim Ertapptwerden ans einer kleinen, un-
schuldigen Unwahrheit muß ihm die höchste Kaltblütigkeit
und Geistesgegenwart zu Gebote stehen. Daß seinen
unerschrockenen Geist kein Gericht, kein Wcchselarrcst u. dgl.
in Furcht setzen dürfe, glaube ich schon erwähnt zu haben.
Sein immer auf Ein Ziel gerichteter Wille muß ihm endlich
eine Scelenstärkc, eine Charakterfestigkeit geben, die
man bei Leuten von andern Berufsarten wohl vergebens
suchen dürfte. Daneben hat er Veranlassung genug, auch
alle andern Arten von Tugenden zu üben und in sich aus-
zubilden. Er muß es verstehen, lammfromm zu sein mit
dem Frommen, von dem er borgen will, empfindsam mit
dem Empfindsamen, lustig mit dem Lustigen, ernst mit dem
Ernsthaften..

(Schluß folgt.»

Summe der Weisheit.

Alle Weisheit läßt sich zusammenfafscn
In „Sclbcrlcbcn und leben lassen."
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Titel/Objekt
"Summe der Weisheit"
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Fliegende Blätter
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Aufbewahrungsort/Standort (GND)
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G 5442-2 Folio RES

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München

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Thema/Bildinhalt (GND)
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Karikatur
Orden <Ehrenzeichen>
Weisheit
Trinkspruch
Satirische Zeitschrift
Thema/Bildinhalt (normiert)
Tischgesellschaft <Motiv>

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Fliegende Blätter, 40.1864, Nr. 970, S. 43

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