Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Gebrochen.

59

~ ®onuc hell und warm auf grüne Auen und

aa f urcn und rausckcude Wälder, die im ersten Schmucke
! ^ erwachenden Frühlings prangten. Es war, als sei der ^

> V, e ^ H^rz aufgegangen und als habe sie ihren liebsten

>es E^en Regungen, die so lange im erstarrenden Bann
1 s-r, ln.Cl'l ^schlummert hatten, nun mit einem Male
-ven und Gestaltung verliehen; als seien alle die Blumen,
Mriu,’8cn M^tcn mit buntem Farbenschmuck
diü"> > halte», der weiche Westhauch, der leise darüber strich,

1 .Ln ,eu an schwanken Grashalmen funkelnden Thautropfcn
rn )ln ein zitternder Lichtglanz die Fluren überströmte, und
a. ^ ^ Schlag der Lerchen, die zum blauen Himmel

ausstcigend die Wiederkehr des Lenzes begrüßten, — als seien

21 ie Kopfenden Pulsschläge, die das neue Leben der

llltutter Erde verkündeten.

Und dieses warme überströmende Leben schien auch ein
luiiges Mcnschcnherz berührt und erfüllt zu haben, dessen
. est^er mit rüstigen Schritten die durch die Gegend sich
i ) angelnde Straße daher kam. Die bestaubten Kleider des
Zaudrers zeigten, daß derselbe schon manche Strecke heute
zurückgclcgt, trotzdem schien die jugendliche Kraft noch nicht
te 8^^lug>te Ermattung zu spüren, denn sicher und elastisch
war der Tritt des Einherschreitenden und welch ungetrübter
und fröhlicher Muth in seiner Brust wohnte, das hörte man
aus den Klängen deö Liedes, das von seinen Lippen tönte
und das er so hell und jauchzend in die lachende Natur

! hinaussang: „Der Mai ist gekommen!" — Und wie
, er so dahin schritt, schwenkte er zu den Tönen im
Takte seinen Wanderstab und schlug in achtlosem
Uebermuthe mit jedem Streiche die Blumen am
Wege nieder, an denen er vorüber kam.

Schon manches arme Frühlingskind, das sich
des kaum gewonnenen Daseins freute, war so ein
I Opfer der übermüthigen Mcnschcnlauue geworden,
i ohne daß der Frevler auch nur mit einem zurück-
gcworfcncu Blick des Geknickten geachtet hätte. Da
kam er auch wieder an einem Fleckchen vorüber,
wo dicht beisammen viele der schmucklosen Feldblumen
standen, und aus den niedrigen Büscheln des Augen-
| trost's und wilden Thymians hob sich vereinzelnd
eine schlanke Ringelblume und wiegte daS Haupt
leise im Zuge des Windes. Und der Fröhliche kam
näher und — eben saug er die Strophe: „Ergreife
die Fidel, du lust'ger Spielmaun du!" — erhob
wieder den Stab zum vernichtenden Streiche und
l gerade die arme Ringelblume zu seinem Ziele sich
wählend, traf er sie, daß der schlanke Stengel in
der Mitte zerknickte und die gelbe Blüthe welk und
entblättert herab hing. Und weiter wollte er wandern
und weiter singen: „Von meinem Schatz das Siebei"
— aber in der Mitte deö Verses verstummend hielt
> er den eilenden Schritt an, denn es ließ ihm keine
Ruhe, cs drängte ihn noch einmal umzuschauen nach
j der gebrochenen Blume. Da sah er sic, die eben
noch so still und fröhlich geblüht hatte, traurig mit tiefgesenktem
Haupte, wie sie noch von der Wucht deö tödtlicheu Streiches
bebte und wankte, als wände sie sich in den letzten Todes-
qualen, und ein wilder Krampf zuckte ihm durch's Herz,
schnell wandte er sich um und schritt wieder vorwärts, aber
sein Frohsinn war verschwunden, daö lachende Antlitz war
ernst geworden, und wie er mit schwankendem Fuße weiter
eilte, schwebte immer, wohin er auch blickte, vor ihm und
neben ihm das Bild der geknickten Blume. Und dieses Bild
ließ nicht von ihm, ob Stunde auf Stunde verrann; je weiter
er schritt, desto schmerzlicher und wehmuthsvoller schien cs
ihn anzublicken, wie ein stummer Vorwurf, der ein schneidendes
Echo in der Tiefe seiner Seele fand. Und als er Abends
ermattet eine Herberge gesucht hatte, auch da schaute er überall
nur dieses eine todeSbange Bild; er sah und hörte nicht,
waS um ihn vorging, allen Lärm übertönte der schrille,
schmerzliche Klang in seiner Seele. Unrnhevoll suchte er
Ruhe im einsamen Zimmer, aber die Erscheinung verließ
ihn nicht, nur deutlicher und klarer trat sie vor ihn, als
wollte sie sich glühend eingraben in seine Seele.

Endlich war er in fieberhaften Schlummer gesunken;
doch auch in seine Träume folgte ihm das Bild, aber wie
es jetzt vor ihm schwebte, war cs nicht mehr die arme, be-
scheidene Blume, die er draußen am Wege gebrochen hatte,
da war es eine schlanke Frauengestalt in langem, weißem
Gewände, die an sein Lager trat und still stehend sich über

6
Image description

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Gebrochen"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Kommentar
Signatur

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Erscheinung
Geliebte <Motiv>
Schlaf <Motiv>
Bett <Motiv>
Kleid <Motiv>
Liebe
Junger Mann <Motiv>
Karikatur
Trennung
Traum <Motiv>
Junge Frau <Motiv>
Wanderer
Herberge <Motiv>
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 40.1864, Nr. 972, S. 59

Beziehungen

Erschließung

Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg
 
Annotationen