III.
Farbige Stereoskop-Bilder aus Wien.
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Da ihre Mama derselben Ansicht war, so seufzte sie!
auch, und beide erwürgten mit jeder Masche des Strumpfes ;
die übrigen unterdrückten Seufzer.
Zu jener Zeit aber war es Mode, sogenannte „durch-
brochene" Strümpfe zu tragen, das heißt solche, welche in
allerlei Mustern gestrickt wurden.
Netti hatte ein ganz neues erfunden, und strickte eines
Abends eben daran, als sich ein fremder Besucher des Wasser-
glacis neben sie und die Mama auf die Bank setzte.
Lauge sah er die schönen Hände der jungen Strickerin
an, dann prüfte sein Blick die Arbeit selbst.
„Ein sehr hübsches Muster, mein Fräulein!" sagte er.
„Da ich Wcißwaarenhändler bin, so verstehe ich mich auf
derlei. In welchem Musterbuche fanden Sie das, wenn ich
fragen darf?"
„Ach, das habe ich mir so selbst erfunden," erwidertes
Netti, bescheiden vor sich hinlächelnd.
„Mein Fräulein," fuhr der Fremde hierauf fort, „er-
lauben Sie, daß ich Ihre Geschicklichkeit, Ihren Geschmack,
wie Ihre originelle CvmbiuationSgabc bewundere!"
Netti sah auf ihr Strickzeug nieder und schwieg. —
Der Fremde aber, den der Ton von Netti's Stimme
vorhin angenehm angeregt hatte, blickte nun dem Mädchen
neugierig ins Gesicht, von dem ihm jetzt gerade jene Hälfte
mit dem Feuermal zugewendct war.
Er senkte sogleich die Augen und seufzte.
Netti, welche seinen Blick auf ihrer Wange gefühlt
zu haben schien, und welcher nun auch sein Seufzen nicht
entgangen war, fühlte sich schmerzlich ergriffen. Sie that
i tasch ihre Arbeit in's Körbchen, stand auf, und sagte zu
j ihrer Mutter:
„Kommen Sie, Mama, es ist schon spät!"
Da bekam nun der Fremde die andere Seite von
! dcetti s Gesicht zu sehen, und es schien ihm darüber ein
j Ästuber von Anmuth und Wehmuth ergossen, daß er
l sich unwillkührlich zu dem Mädchen hingezogen fühlte.
Am folgenden Abend trafen sie wieder zusammen, und
! so noch einige Abende, und kurz darauf brach für Netti
! der Tag an, denn der Fremde, der Wcißwaarenhändler
I Mägele aus Württemberg, führte sie bald als sein Wcib-
j chen heim.
2Uö sie sich zur Reise nach des Mannes Heimath in
die Postkutsche setzten, sagte Netti zu ihrem Gatten:
„Eigentlich habe ich einem Strumpfe mein Glück zu
verdanken!"
„Ich hoffe," erwiderte der Mann, „Du meinst unter
dem „Strumpfe" nicht — mich!" und er schloß sie lachend
in die Arme.
Heute aber nach fast dreißig Jahren darf der nunmeh-
rige Gutsbesitzer Wägete sich wohl sagen, daß er wirklich
kein „Strumpf" war, als er die Bekanntschaft vom Wasser-
j glacis zu seiner Lebensgefährtin erwählte.
Abermals sechs Töchter, aber von — heute.
(Salon beim Agenten Schwindel. Sehr elegantes Ameublement,
Von Schwindels sechs Töchtern spielt Euphrosine eben Clavicr ;
Irene liegt aus einem Divan und liest in einem Roman; Justin«
steht vor dem offenen Fenster und gurgelt aus einem Notenblatte
eine Offenbachsiche Ariette; Euphemia läßt sich vom Stubenmädchen
die Locken brennen; Ernestine sitzt ans einem Tabourel, raucht eine
Cigarrette und blickt stumpjsinnig ans die Arabesken des Plaionds;
Beatrix hockt in einem Winkel und näht an ein Gilet des Papa's
einen Knopf an.)
Papa Schwindel (übertrieben elegant gekleidet, mir
geckenhafter Haltung, tritt ein): „Ah, meine Kinder, da seid
Ihr ja glücklicher Weise alle beisammen ! Ich habe Euch etwas
zu sagen."
(Er legt Hut und Rock ab, und wirft sich in ein Fauteuil.)
„Verzeiht, liebe Kinder, daß ich Euch störe, aber ich
habe Euch eine höchst interessante Mittheilung zu machen....
Eine von Euch steht auf dem Punkte, ihr Glück zu machen..."
(Hier halten sämmtliche sechs Fräuleins in ihrer Be-
schäftigung inne, und sehen auf ihren Papa.)
Euphrosine (freudig erregt): „HabenSie es vielleicht
endlich durchgesetzt, daß ich bei irgend einer „Akademie" in
„Streicher's Salon" Mitwirken kann, um die Welt durch
mein Spiel in Raserei zu versetzen?"
Schwindel (verneint mit dem Kopfe).
(Fortsetzung jolgt.)
Farbige Stereoskop-Bilder aus Wien.
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Da ihre Mama derselben Ansicht war, so seufzte sie!
auch, und beide erwürgten mit jeder Masche des Strumpfes ;
die übrigen unterdrückten Seufzer.
Zu jener Zeit aber war es Mode, sogenannte „durch-
brochene" Strümpfe zu tragen, das heißt solche, welche in
allerlei Mustern gestrickt wurden.
Netti hatte ein ganz neues erfunden, und strickte eines
Abends eben daran, als sich ein fremder Besucher des Wasser-
glacis neben sie und die Mama auf die Bank setzte.
Lauge sah er die schönen Hände der jungen Strickerin
an, dann prüfte sein Blick die Arbeit selbst.
„Ein sehr hübsches Muster, mein Fräulein!" sagte er.
„Da ich Wcißwaarenhändler bin, so verstehe ich mich auf
derlei. In welchem Musterbuche fanden Sie das, wenn ich
fragen darf?"
„Ach, das habe ich mir so selbst erfunden," erwidertes
Netti, bescheiden vor sich hinlächelnd.
„Mein Fräulein," fuhr der Fremde hierauf fort, „er-
lauben Sie, daß ich Ihre Geschicklichkeit, Ihren Geschmack,
wie Ihre originelle CvmbiuationSgabc bewundere!"
Netti sah auf ihr Strickzeug nieder und schwieg. —
Der Fremde aber, den der Ton von Netti's Stimme
vorhin angenehm angeregt hatte, blickte nun dem Mädchen
neugierig ins Gesicht, von dem ihm jetzt gerade jene Hälfte
mit dem Feuermal zugewendct war.
Er senkte sogleich die Augen und seufzte.
Netti, welche seinen Blick auf ihrer Wange gefühlt
zu haben schien, und welcher nun auch sein Seufzen nicht
entgangen war, fühlte sich schmerzlich ergriffen. Sie that
i tasch ihre Arbeit in's Körbchen, stand auf, und sagte zu
j ihrer Mutter:
„Kommen Sie, Mama, es ist schon spät!"
Da bekam nun der Fremde die andere Seite von
! dcetti s Gesicht zu sehen, und es schien ihm darüber ein
j Ästuber von Anmuth und Wehmuth ergossen, daß er
l sich unwillkührlich zu dem Mädchen hingezogen fühlte.
Am folgenden Abend trafen sie wieder zusammen, und
! so noch einige Abende, und kurz darauf brach für Netti
! der Tag an, denn der Fremde, der Wcißwaarenhändler
I Mägele aus Württemberg, führte sie bald als sein Wcib-
j chen heim.
2Uö sie sich zur Reise nach des Mannes Heimath in
die Postkutsche setzten, sagte Netti zu ihrem Gatten:
„Eigentlich habe ich einem Strumpfe mein Glück zu
verdanken!"
„Ich hoffe," erwiderte der Mann, „Du meinst unter
dem „Strumpfe" nicht — mich!" und er schloß sie lachend
in die Arme.
Heute aber nach fast dreißig Jahren darf der nunmeh-
rige Gutsbesitzer Wägete sich wohl sagen, daß er wirklich
kein „Strumpf" war, als er die Bekanntschaft vom Wasser-
j glacis zu seiner Lebensgefährtin erwählte.
Abermals sechs Töchter, aber von — heute.
(Salon beim Agenten Schwindel. Sehr elegantes Ameublement,
Von Schwindels sechs Töchtern spielt Euphrosine eben Clavicr ;
Irene liegt aus einem Divan und liest in einem Roman; Justin«
steht vor dem offenen Fenster und gurgelt aus einem Notenblatte
eine Offenbachsiche Ariette; Euphemia läßt sich vom Stubenmädchen
die Locken brennen; Ernestine sitzt ans einem Tabourel, raucht eine
Cigarrette und blickt stumpjsinnig ans die Arabesken des Plaionds;
Beatrix hockt in einem Winkel und näht an ein Gilet des Papa's
einen Knopf an.)
Papa Schwindel (übertrieben elegant gekleidet, mir
geckenhafter Haltung, tritt ein): „Ah, meine Kinder, da seid
Ihr ja glücklicher Weise alle beisammen ! Ich habe Euch etwas
zu sagen."
(Er legt Hut und Rock ab, und wirft sich in ein Fauteuil.)
„Verzeiht, liebe Kinder, daß ich Euch störe, aber ich
habe Euch eine höchst interessante Mittheilung zu machen....
Eine von Euch steht auf dem Punkte, ihr Glück zu machen..."
(Hier halten sämmtliche sechs Fräuleins in ihrer Be-
schäftigung inne, und sehen auf ihren Papa.)
Euphrosine (freudig erregt): „HabenSie es vielleicht
endlich durchgesetzt, daß ich bei irgend einer „Akademie" in
„Streicher's Salon" Mitwirken kann, um die Welt durch
mein Spiel in Raserei zu versetzen?"
Schwindel (verneint mit dem Kopfe).
(Fortsetzung jolgt.)
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Farbige Stereoskop-Bilder aus Wien"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 40.1864, Nr. 973, S. 67
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg