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Die Macht der E

geläutet, so daß er das Collegium eilends verlassen konnte.
— Aber Worte sind oft wie die schlimmsten Gläubiger; sie
verfolgen den, aus dessen Mund sie gekommen sind, und
klammern sich an ihn, ungestüm fordernd, daß er die Wahr-
heit dessen bethätige, was er gesprochen hat. Das sollte sich
auch an unserem Professor, Doktor Peregrinuö Mäuslein,
erweisen.

Der Sohn des Bürgermeisters erzählte daheim seinem
Vater, was im Collegium vorgetragen wurde, und Niemand
konnte über die Macht der Wissenschaft mehr erfreut sein,
als der Herr Bürgermeister. Erstens meinte er, die Stadt
müsse von einem Ungeheuer, wie der „Saufhannes", je
früher, desto besser, gesäubert werden; und zweitens verhalf
ihm die Macht der Einbildungskraft leicht über den Mangel
hinweg, welchen die Stadt in diesem Augenblick an einem
Henker litt. Der Bürgermeister trug also die Sache gleich
am nächsten Tage dem versammelten Stadtrath bestens vor,
und hierauf wurde einstimmig beschlossen, den Doktor
Peregrinus Mäuslein aufzufordern, respective zu bitten, daß
er zum Besten der Stadt und seiner wißbegierigen Schüler
an dem zum Tod verurtheilten Verbrecher vulgo „Sauf-
hannes" das gerühmte Experiment vollführe. An diesem
Tag kam der Professor wie gewöhnlich ins Collegium, und
hatte keine Ahnung davon, welch ein Verhängniß sich über
seinem Haupte zusammcnzog. Die Studenten dachten an
den gestrigen Rumor nicht mehr, und der Sohn des Bürger-
meisters, der wohl wußte, welchen Entschluß sein Vater ge-
faßt habe, schwieg weislich stille.

Als Doktor Mäuslein sich wieder zu Hause in seiner
Bibliothek befand, und wie gewöhnlich in seine Studien ver-
lieft war, kam die Hausmagd herein und meldete, der Herr
Bürgermeister und noch etliche Herren von der Stadt seien
draußen und wollten mit ihm sprechen. Wie vertieft er auch
war, so begriff der gelehrte Mann doch sogleich, welche hohe
Ehre ihm erwiesen werde. Er warf schnell seinen Hausrock
vom Leibe, ließ sich den Festtagsrock reichen, setzte die
Perrücke auf und befahl der Hausmagd, die Herren einzu-
lassen. Er stand da mitten zwischen alten Pergamenten und
Büchern, die zu seinen Füßen zum heutigen Gebrauch anf-
gehäuft lagen, wie ein Heidengott zwischen Wolken.

Der Bürgermeister und fünf andere Herren vom hoch-
löblichen Rath der Stadt traten ehrerbietigst ein und ver-
neigten sich tief, worauf sich auch der gelehrte Professor ver-
neigte, zwar etwas weniger tief, aber doch wie ein Mann,
der Ehre zu empfangen und auch zu erwiedern weiß. Hierauf
wies er ihnen Sitze an und fragte nach dem Begehr der
hochansehnlichen Herren. Der Bürgermeister, welcher, um
seiner Würde nichts zu vergeben, sich zuerst gesetzt hatte,
stand auf, räusperte sich und fing an eine wohlgcsctzte Rede
zu halten. Zuerst sprach er von der Macht und Bedeutung
der Wissenschaft, welche seit den ältesten Zeiten schon so viel
des Guten und Nützlichen geleistet habe, und der Professor
nickte wohlgefällig und beistimmend mit dem Kopfe; dann
fuhr der Bürgermeister fort, und sprach von der unermeßlichen

inbildungskraft.

Gelehrsamkeit des erleuchtetsten Mannes, der je an der be-
rühmten Universität dieser altehrwürdigen Stadt eine Lehr-
kanzel bestiegen habe, von dem erstaunlichen Wissen deö
hochgelehrten Professors und Doktors Peregrinus Mäuslein,
dessen Ruhm bis in alle Enden und Ecken dieser Welt ge-
drungen, und auch in dieser guten und altehrwürdigen Stadt
nicht unbekannt geblieben sei, — und der Professor schmun-
zelte selig, ohne ein Wort bescheidener Abwehr zu sagen.

Die großen und unermeßlichen Verdienste des größten
Gelehrten, der je in dieser Stadt Gottes Luft eingeathmet
hat — fuhr der Redner fort — sollten auch nicht länger
mehr ohne den ihnen angemessenen Lohn bleiben, und bald mit
den höchsten Ehren gekrönt werden, die je der Staat einer
Stütze der Wissenschaften zuerkannt und verliehen hat; der
durchlauchtigste regierende Fürst deö Ländchens, in dessen
Krone diese alte, ehrwürdige Stadt ein Edelstein, und an
welchem Edelstein der Professor und Doktor Peregrinus
Mäuslein der weithin strahlende Glanz sei, werde in nächster
Woche hier durchreisen, und dann wolle er — der Bürger-
meister — Serenissimo die würdigste Brust zeigen, auf welche
Serenissimus höchstihre Gnadenkette zu heften geruhen möge.
Und der Professor streifte mit der Hand über seinen Brust-
latz, er verklärte sich und streckte sich in die Höhe, daß
er um eine gute Spanne weniger klein erschien, und wollte
eben den Mund öffnen, um den Bürgermeister zur Erwi-
derung auch auf dessen eigene Verdienste aufmerksam zu
machen, als dieser behende in seiner Rede fortfuhr. Der
Stern, sagte er, welcher den berühmten Gelehrten in Er-
forschung der Natur und aller ihrer Geheimnisse geleitet,
habe es wahrscheinlich gefügt, daß eben zur Zeit des bevor-
stehenden glücklichen Ereignisses sich eine Gelegenheit dar-
bietet, die es dem hochverehrten Herrn Doktor und Professor
möglich macht, sich ein neues alle andern überstrahlendes
Verdienst, so zu sagen unter den Augen Serenissimi selbst
zu erwerben, und hierdurch werde er, der Bürgermeister, Ge-
legenheit haben, Se. Durchlaucht an die bewußte Gnaden-
kette, so wie an die verdienstvolle Brust zu erinnern, an
welcher er jene jetzt schon im Geiste leuchten und strahlen
sehe. — Der Redner machte hierbei eine Verbeugung, nahm
sein Taschentuch heraus, fuhr sich damit über die Stirne,
und machte eine Pause, wie um für das Schwierigste, das er
noch vorzubringen hatte, zu frischem Athem zu kommen.

Der Professor streifte sich einige Stäubchen von der
Brust seines Festtagsrockes, als ob er diese Stelle für
die kommenden Herrlichkeiten reinigen und weihen wollte,
und benützte die Pause, um erstens dem Bürgermeister für
dessen erhabene Verdienste um die Stadt, und um die wackere
Bürgerschaft seine Bewunderung auszudrücken, zweitens um
zu versichern, daß er das heilige Feuer der Wissenschaft stets
und immer mit der Keuschheit einer vestalischcn Priesterin
gepflegt habe, ohne dabei an Belohnungen zu denken, die
würdigeren und verdienstvolleren Männern gebühren, — er
warf hierbei auf den Bürgermeister einen von einer leichten
Verbeugung begleiteten Blick; — drittens um dem Staat
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