war schlank, wie ein spani-
sches Rohr, seine Hände und
Füße so zierlich und klein,
daß sie so zu sagen gar nicht
vorhanden waren. Sein Auge,
so groß wie ein Teller, ver-
einigte die Blaue deö südlichen
Himmels mit der verzehrenden
Gluth einer Knallgasflamme.
Der allerliebste, kleine Schnur-
bart, dessen coqnett aufwärts
gebogene Spitzen mit dem
edlen Näschen liebäugelten,
sowie die reichen Locken seines
Hauptes waren gediegenes
Gold.
Weiß war sein Antlitz, wie
kuhwarme Milch, und auf
seine Wangen hatte die ver-
schwenderische Natur den Saft
der rothcn Rübe ansgegossen.
Der Wespe hatte er seine
Taille entlehnt,, auf die er so gerne schwor — — — ach,
wie soll meine schwache Feder ihn beschreiben, ihn, der in
jedem zarten Busen einen Sperrsitz hatte, dem, wenn er in
lieblicher Damen Kreis erschien, Aller Herzen so stürmisch
cntgcgcnpochten, daß man fernen Feuerlärm zu hören glaubte!
Er war, um es kurz und poetisch auszudrücken: —
ein Gott — in königlicher Cavallerieofsiziersuniform.
Ulrich liebte mit der schwärmerischen Gluth eines liebe-
geübten Herzens die reizende Aurora, die einzige Tochter des
reichen Banquiers Löb Meiersohn. Sic war eine Lilie der
Farbe, eine Sylphide der Gestalt, eine Glasglocke der Stimme
! und Crinoline der Wesenheit.
Aurora liebte auch Ulrich, daher war die Liebe gegenseitig.
Sie hatte viel Geld; er hatte keines, dafür aber einen
i reichen Onkel in Amerika. {fei
Sie wollte die Seine
werden, Ulrich wollte der Ihre
j werden, der alte Löb Meier-
' sohn wollte es aber nicht. '
Er hatte Aurora dem Sohne
eines reichen Geschästsfreun-
j des, dem jungenMeierLöwen- / j
I Reisen war, zugesagt. Nach J
der bevorstehenden Rückkunft Ya
des letzteren sollte Hochzeit ■=Yx- *
sein. Weder Bitten, noch -
denen',' wohlerwogenen i8er-
rb ar.
Trotzdem hoffte Ulrich Lalli von und zu Lallcnbergen,
hoffte Aurora, hofften Beide!
3. Das Auge des Gesetzes.
Auf der Polizeiwachtstube im Rathhause wurde am
liebsten Tambour Nr. 2 geraucht, das Packet zu 3 kr.
Es roch nach Knaster.
Der Brigadier Kranz saß auf der Bank und sann nach.
Er roch Blut — Menschenblut, — das Herzblut einer
unschuldig gemordeten, schönen aber tugendhaften Jungfrau.
Er sprang auf, stülpte sich den gewichtigen Dienstdcckel
auf das ergrauende Haupt, schnallte den schweren, in die
Scheide eingerosteten, aber ordonnanzmäßigen Sarras um,
und eilte, ohne ein Wort zu sagen, hinaus in die kalte
Regennacht; durchschritt rüstig mehrere Gassen und gelangte
endlich an ein ebenerdiges Haus mit trüben Fenstern, aus
dessen Innerem verworrene Stimmen an sein Ohr schlugen.
Leise öffnete er die Thür, trat festen Schrittes ins Gemach,
musterte mit einem flüchtigen Blicke die Anwesenden, und
rief dann mit lauter, fester Stimme: „Kathi, a halbe!" —
„Dann," setzte er leise mit sich selbst redend hinzu, „Essen
und Trinken ist meine einzige Nahrung. Erst kommen die
Pflichten gegen meinen Magen, dann die gegen den Staat!"
4. Hat ihm schon!
Im Westen wurde der Sumpf, den wir Eingangs zu
schildern versucht, von einem Bache begrenzt, dessen klares
tiefes Gewässer lautlos am Fuße einer steilen, dicht bewal-
deten Anhöhe hinfloß. In beträchtlicher Höhe erblickte man,
von den Bäumen fast verborgen, eine kleine Hütte aus Baum-
rinde. In derselben lag ans einem alten Strohsacke ein noch
älterer Klausner und schnarchte. Er hatte gerade Zeit dazu.
Die übrigen Stunden pflegte er mit Essen, Trinken, Fasten
und Beten in stiller Beschauung zu verleben.
Doch nur ein kurzer Schlaf sollte diesem Gerechten
sches Rohr, seine Hände und
Füße so zierlich und klein,
daß sie so zu sagen gar nicht
vorhanden waren. Sein Auge,
so groß wie ein Teller, ver-
einigte die Blaue deö südlichen
Himmels mit der verzehrenden
Gluth einer Knallgasflamme.
Der allerliebste, kleine Schnur-
bart, dessen coqnett aufwärts
gebogene Spitzen mit dem
edlen Näschen liebäugelten,
sowie die reichen Locken seines
Hauptes waren gediegenes
Gold.
Weiß war sein Antlitz, wie
kuhwarme Milch, und auf
seine Wangen hatte die ver-
schwenderische Natur den Saft
der rothcn Rübe ansgegossen.
Der Wespe hatte er seine
Taille entlehnt,, auf die er so gerne schwor — — — ach,
wie soll meine schwache Feder ihn beschreiben, ihn, der in
jedem zarten Busen einen Sperrsitz hatte, dem, wenn er in
lieblicher Damen Kreis erschien, Aller Herzen so stürmisch
cntgcgcnpochten, daß man fernen Feuerlärm zu hören glaubte!
Er war, um es kurz und poetisch auszudrücken: —
ein Gott — in königlicher Cavallerieofsiziersuniform.
Ulrich liebte mit der schwärmerischen Gluth eines liebe-
geübten Herzens die reizende Aurora, die einzige Tochter des
reichen Banquiers Löb Meiersohn. Sic war eine Lilie der
Farbe, eine Sylphide der Gestalt, eine Glasglocke der Stimme
! und Crinoline der Wesenheit.
Aurora liebte auch Ulrich, daher war die Liebe gegenseitig.
Sie hatte viel Geld; er hatte keines, dafür aber einen
i reichen Onkel in Amerika. {fei
Sie wollte die Seine
werden, Ulrich wollte der Ihre
j werden, der alte Löb Meier-
' sohn wollte es aber nicht. '
Er hatte Aurora dem Sohne
eines reichen Geschästsfreun-
j des, dem jungenMeierLöwen- / j
I Reisen war, zugesagt. Nach J
der bevorstehenden Rückkunft Ya
des letzteren sollte Hochzeit ■=Yx- *
sein. Weder Bitten, noch -
denen',' wohlerwogenen i8er-
rb ar.
Trotzdem hoffte Ulrich Lalli von und zu Lallcnbergen,
hoffte Aurora, hofften Beide!
3. Das Auge des Gesetzes.
Auf der Polizeiwachtstube im Rathhause wurde am
liebsten Tambour Nr. 2 geraucht, das Packet zu 3 kr.
Es roch nach Knaster.
Der Brigadier Kranz saß auf der Bank und sann nach.
Er roch Blut — Menschenblut, — das Herzblut einer
unschuldig gemordeten, schönen aber tugendhaften Jungfrau.
Er sprang auf, stülpte sich den gewichtigen Dienstdcckel
auf das ergrauende Haupt, schnallte den schweren, in die
Scheide eingerosteten, aber ordonnanzmäßigen Sarras um,
und eilte, ohne ein Wort zu sagen, hinaus in die kalte
Regennacht; durchschritt rüstig mehrere Gassen und gelangte
endlich an ein ebenerdiges Haus mit trüben Fenstern, aus
dessen Innerem verworrene Stimmen an sein Ohr schlugen.
Leise öffnete er die Thür, trat festen Schrittes ins Gemach,
musterte mit einem flüchtigen Blicke die Anwesenden, und
rief dann mit lauter, fester Stimme: „Kathi, a halbe!" —
„Dann," setzte er leise mit sich selbst redend hinzu, „Essen
und Trinken ist meine einzige Nahrung. Erst kommen die
Pflichten gegen meinen Magen, dann die gegen den Staat!"
4. Hat ihm schon!
Im Westen wurde der Sumpf, den wir Eingangs zu
schildern versucht, von einem Bache begrenzt, dessen klares
tiefes Gewässer lautlos am Fuße einer steilen, dicht bewal-
deten Anhöhe hinfloß. In beträchtlicher Höhe erblickte man,
von den Bäumen fast verborgen, eine kleine Hütte aus Baum-
rinde. In derselben lag ans einem alten Strohsacke ein noch
älterer Klausner und schnarchte. Er hatte gerade Zeit dazu.
Die übrigen Stunden pflegte er mit Essen, Trinken, Fasten
und Beten in stiller Beschauung zu verleben.
Doch nur ein kurzer Schlaf sollte diesem Gerechten
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Sonderbar"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 44.1866, Nr. 1075, S. 50
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg