Marie schwieg, da sie diese an der Schwester gewohnte
Art, das Ernste in den Scherz zu verkehren, nicht leiden
mochte.
Louise bemerkte dies und sagte deßhalb: „Marie, was
j gedenkst Du nun zu thun, da Du Deinen Gatten, wie auch
i ich, nothgedrungen verlassen?"
„Ich sagte cs schon, ich will zu den Eltern zurückgehen."
„Und was werde ich thun?"
„Du wirst mit mir zu ihnen gehen; Du kamst ja wohl
auch deßhalb hierher?"
„Nie werde ich das thun, und cs kann auch Dein Ernst
nicht sein," rief Louise mit großer Leidenschaftlichkeit. „Gedenke,
Marie, unseres guten Vaters, unserer guten Mutter — würden
sie sich nicht Tag und Nacht um unser Unglück grämen?
Würde nicht die ganze Stadt darüber sprechen und würden
wir nicht damit eine Sache schlimmer machen, von der ich
hoffe, daß sie sich noch friedlich ausgleichen wird?"
„Nie, nie," seufzte Marie.
„Ach," fuhr Louise fort, „Du warst stets bei jedem
kleinen Leid, das Dich traf, so unglücklich, glaubtest, Du
könntest nie wieder eine heitere Stunde haben — wir wollen
das Beste von der Zukunft hoffen."
,,Aber was willst Du thun?" erwiderte Marie.
„Ich wollte Dich auf ein Paar Wochen besuchen," sagte
Louise, „ich hoffte, Eduard sollte während dieser Zeit eine solche
Sehnsucht nach mir bekommen, daß er glücklich wäre, wenn ich
mit allen meinen Fehlern sein Haus wieder beträte. Ich
muß Dir gestehen, ich habe immer noch Lust, den Plan aus-
zuführen, und euren neuen Hausstand auf ein paar Wochen
einzusehen."
„Du wolltest — ohne mich?" > entgegnete Marie er-
röthend.
„Warum nicht?" antwortete neckisch Louise. „Ich er-
laube Dir dafür, während dieser Zeit bei meinem Gatten zu
Besuch zu sein."
„Nie, nie," sagte erröthend Marie mit feierlichem Ernst.
(Fortsetzung folgt.)
Der nächtige Wanderer.
Wenn von hoher Thurmesstättc
Hell die zwölfte Stunde klang,
Lauscht im jungfräulichen Bette
Rosamunde selig-bang;
Denn mit leichten, leisen Tritten
Kömmt ein Jüngling angeschritten
Und in ihres Fensters Näh'
Seufzt er tief aus Liebesweh'.
Also geht er eine Stunde
D'runten seufzend her und hin,
Bis die Uhr mit ehernem Munde
Kündet neuen Tag's Beginn;
Der nächtige Wanderer.
Dann hört sie den Schritt verhallen
Und sie sinkt in süßen Qualen
In die Kissen stumin zurück,
Hangend zwischen Weh' und Glück;
Ach, Sie weiß: Der stille Wand'rer,
Er ist'S, den ihr Herz erkor —
Nein, ach nein, cs ist ein And'rcr,
Längst liegt Dieser auf dem Ohr;
Was da drunten seufzt voll Kummer
Ist bald die, bald jene Nummer
Vom Dienstmänner-Jnstitnt,
Die Er dafür zahlet gut.
Art, das Ernste in den Scherz zu verkehren, nicht leiden
mochte.
Louise bemerkte dies und sagte deßhalb: „Marie, was
j gedenkst Du nun zu thun, da Du Deinen Gatten, wie auch
i ich, nothgedrungen verlassen?"
„Ich sagte cs schon, ich will zu den Eltern zurückgehen."
„Und was werde ich thun?"
„Du wirst mit mir zu ihnen gehen; Du kamst ja wohl
auch deßhalb hierher?"
„Nie werde ich das thun, und cs kann auch Dein Ernst
nicht sein," rief Louise mit großer Leidenschaftlichkeit. „Gedenke,
Marie, unseres guten Vaters, unserer guten Mutter — würden
sie sich nicht Tag und Nacht um unser Unglück grämen?
Würde nicht die ganze Stadt darüber sprechen und würden
wir nicht damit eine Sache schlimmer machen, von der ich
hoffe, daß sie sich noch friedlich ausgleichen wird?"
„Nie, nie," seufzte Marie.
„Ach," fuhr Louise fort, „Du warst stets bei jedem
kleinen Leid, das Dich traf, so unglücklich, glaubtest, Du
könntest nie wieder eine heitere Stunde haben — wir wollen
das Beste von der Zukunft hoffen."
,,Aber was willst Du thun?" erwiderte Marie.
„Ich wollte Dich auf ein Paar Wochen besuchen," sagte
Louise, „ich hoffte, Eduard sollte während dieser Zeit eine solche
Sehnsucht nach mir bekommen, daß er glücklich wäre, wenn ich
mit allen meinen Fehlern sein Haus wieder beträte. Ich
muß Dir gestehen, ich habe immer noch Lust, den Plan aus-
zuführen, und euren neuen Hausstand auf ein paar Wochen
einzusehen."
„Du wolltest — ohne mich?" > entgegnete Marie er-
röthend.
„Warum nicht?" antwortete neckisch Louise. „Ich er-
laube Dir dafür, während dieser Zeit bei meinem Gatten zu
Besuch zu sein."
„Nie, nie," sagte erröthend Marie mit feierlichem Ernst.
(Fortsetzung folgt.)
Der nächtige Wanderer.
Wenn von hoher Thurmesstättc
Hell die zwölfte Stunde klang,
Lauscht im jungfräulichen Bette
Rosamunde selig-bang;
Denn mit leichten, leisen Tritten
Kömmt ein Jüngling angeschritten
Und in ihres Fensters Näh'
Seufzt er tief aus Liebesweh'.
Also geht er eine Stunde
D'runten seufzend her und hin,
Bis die Uhr mit ehernem Munde
Kündet neuen Tag's Beginn;
Der nächtige Wanderer.
Dann hört sie den Schritt verhallen
Und sie sinkt in süßen Qualen
In die Kissen stumin zurück,
Hangend zwischen Weh' und Glück;
Ach, Sie weiß: Der stille Wand'rer,
Er ist'S, den ihr Herz erkor —
Nein, ach nein, cs ist ein And'rcr,
Längst liegt Dieser auf dem Ohr;
Was da drunten seufzt voll Kummer
Ist bald die, bald jene Nummer
Vom Dienstmänner-Jnstitnt,
Die Er dafür zahlet gut.
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Der nächtige Wanderer"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 48.1868, Nr. 1177, S. 36
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg